100-Seiten-Bücher – Teil 64
Paul Watzlawick: »Anleitung zum Unglücklichsein« (1983)
Leipzig, 3. Mai 2013, 00:20 | von Paco
Mein Exemplar kommt aus dem Antiquariat und schon auf Seite 7 ist ein Wort angestrichen: »altruistischen«. Neben der Zeile steht dann ein krakeliges Fragezeichen. Auf den nächsten Seiten geht das so weiter, per Bleistiftstrich und Fragezeichen sind folgende weitere Einzelwörter angemarkert: »Upanischaden«, »Aphorismus«, »sublimes«, »eminent«, »Insinuation«. Das letztgenannte Wort steht auf Seite 25. Offenbar war der unbekannte Vorbesitzer des Buches dann so unglücklich über Watzlawicks abundierenden Fremdwortgebrauch, dass er gar nicht weitergelesen hat.
Das Ganze erinnerte mich an Adornos berühmten Aufsatz »Wörter aus der Fremde«, der so beginnt: »Zum ersten Male seit meiner Jugend haben mich Protestbriefe wegen des angeblich übertriebenen Gebrauchs von Fremdwörtern nach der Radiosendung der Kleinen Proust-Kommentare erreicht. Ich sah das Gesprochene daraufhin durch und fand gar keinen besonderen Aufwand an Fremdwörtern darin«. Im Folgenden verteidigt Adorno dann seine Benutzung der Fremdwörter »suspendiert«, »Disparatheit«, »designiert«, »ratifizieren«, »imagines«, »Soirée«, »Sexus«, »society-Leute«, »kontingent«, »Spontaneität« und »Authentizität«.
Von Watzlawick gibt es keine solche Rechtfertigung, er hat sich an keiner Stelle dafür entschuldigt, dass er statt »Sinnspruch« »Aphorismus«, statt »fein« »sublim« oder statt »herausragend« »eminent« geschrieben hat. Ein Best- und Longseller ist sein Buch trotzdem geworden, zuletzt wurde es sogar noch verfilmt. Adornos »Kleine Proust-Kommentare« und sein Fremdwörter-Essay wurden hingegen nur im Radio übertragen.