Überall dieses Wachs
Berlin, 16. August 2013, 10:36 | von DiqueMartin-Gropius-Bau, Anish-Kapoor-Ausstellung, hinein in die große Halle, dort stehen eingeschaltete Förderbänder, die nach oben laufen. Auf den schwarzen Gummibändern sieht man Reste von rotem Wachs und in der Mitte des Raumes liegen die weinroten Wachsbrocken, die über die Bänder in die Mitte des Raumes befördert werden.
Eine schöne Materialschlacht ist das hier, gigantisch und eindrücklich, also ganz anders als zum Beispiel das immer und ewige Fett von Joseph Beuys. Da steht eine riesige Glocke, mehrere Meter hoch, die aus einem Wachsbrocken herausgeschält wird, langsam wird sie von der hölzernen Form umkreist, die sich stetig bewegt und die Oberfläche dieser Wachsglocke glattschleift.
In einem weiteren Raum steht eine Kanone, die ab und an eine riesige Wachspatrone in die Ecke schießt. Dort liegt bereits ein Berg von Wachskanonenbällen, die eigentlich riesige große Wachspfropfen sind und an der Wand zerschellen. Ebenfalls in Weinrot und an den Wänden hängen die Reste der geborstenen Geschosse. Irre sieht auch diese Kanone aus, sie wirkt simpel, selbstgebaut und verschraubt mit Zylindern unten dran, alles sehr technisch und vielleicht auch gewaltig.
Drei Räume sind mit einem riesigen halbaufgeblasenen Etwas gefüllt. Eine schwarze Plane, die aussieht wie ein riesiger Fahrradschlauch, ein schwarzer Haufen aus Gummi. In jedem der Räume kann man nur Teile sehen, mit jedem Schritt wird das Ganze monströser. Ich schaue auf das Infoschild und hätte es mir natürlich denken müssen: Leviathan. Ohne Gesicht, ohne die Möglichkeit, ihn ganz zu erfassen, wabert er durch die Räume.
Erwähnen will ich noch die Spiegel, konkav und konvex, sie machen dick und dünn und lustig, das ist zwar Jahrmarktsulk, aber könnte kaum besser passen. Es gibt davon mehrere in dieser Ausstellung und wenn man dann davor steht und sieht, wie sich der Körper im Spiegel aufbläht oder schrumpft durch eine schlichte Drehung oder einen Schritt nach vorn oder hinten, dann fühlt man sich schnell als Teil dieser Welt aus Wachs, Kunstharz und Plastik.
Das Museumscafé meide ich bewusst, denn damit sind schlechte Erinnerungen verbunden. Es war nach der Skythenausstellung. Trotz gegenteiliger Beteuerungen enthielt der Mohnkuchen dann doch Rosinen. »Kaffeehaus des Monats – Chance verspielt«, hieß es damals. Den wächsernen Wahnsinn des Anish Kapoor werde ich mir dagegen jederzeit gern wieder ins Gedächtnis rufen.
Am 16. August 2013 um 13:23 Uhr
Nur leicht Off-Topic: Die NZZ schreibt heute über „gut erhaltene Fettwachsleichen“ („Ausgegraben wurde übrigens auch der Leichnam von Gottfried Kellers Mutter, der allerdings vollständig skelettiert war“).
http://www.nzz.ch/aktuell/zuerich/uebersicht/ein-glanzstueck-eines-naturwunders-1.18133693