Die großen Fritz-J.-Raddatz-Festwochen (Tag 7):
»Paul Wunderlich: Lithographien 1959–1973« (1974)
Berlin, 7. Dezember 2013, 08:10 | von Josik
(Vorwort zur Festwoche hier. Inhaltsübersicht hier.)
An den Paul-Wunderlich-Bildern, die in diesem Band präsentiert werden, fällt vor allem auf, wie sehr sie die heutige Popkultur bereits antizipiert haben. »Twilight, Blatt 3« heißt eine Lithografie (S. 113), und tatsächlich sieht die darauf abgebildete Frau so aus wie Kristen Stewart. Auf S. 140 berichtet Fritz J. Raddatz gar von »Batman«. Der von Raddatz beigesteuerte Essay trägt den Titel: »Vom Umschlag der Negation in Kunst; statt ins Positive« (S. 9ff.). Das Semikolon, Raddatz’ liebstes und unentbehrlichstes Satzzeichen, das er mindestens so dringend benötigt wie sein Buttermesser, ist hier also bereits im Titel anzutreffen; es gibt wohl keinen einzigen Raddatz-Text, der kein Semikolon enthält.
Außerdem erfahren wir in diesem Buch, was bisher die wenigsten wussten: dass Paul Wunderlich im Jahr 1951 eine »Dankspende des Deutschen Volkes« (S. 157) erhielt. Dieser Name war ein wenig unglücklich gewählt. Denn wie schrieb die »Zeit« Anfang der 50er-Jahre: »Der Bundespräsident distanzierte sich etwas ironisch von der irrtümlichen Auffassung, man wolle mit der Dankspende in erster Linie notleidenden deutschen Künstlern helfen.« In der nachfolgenden Dekade war von diesem Dank dann ohnehin nicht mehr viel zu spüren: »Als antiautoritäre Studenten«, schreibt Raddatz, »ihren Professor Wunderlich nicht nur verbal attackierten, sondern in seiner Privatwohnung spektakelten, legte er sofort seine Professur nieder – und porträtierte diese Studenten!« (S. 18) Denn Strafe muss sein.
Paul Wunderlich: Lithographien 1959–1973. Text von Fritz J. Raddatz. Stuttgart: Belser Verlag 1974.
(Das Buch hat offiziell 157 Seiten, der Raddatz-Essay geht aber nur von Seite 9 bis 26, dann kommen x Bilder und dann kommen noch ein paar Raddatz’sche Annotationen zu den Bildern.)