Die großen Fritz-J.-Raddatz-Festwochen (Tag 9):
»Von Geist und Geld« (1980)
Berlin, 9. Dezember 2013, 08:10 | von Miroljub
(= 100-Seiten-Bücher – Teil 88)
(Vorwort zur Festwoche hier. Inhaltsübersicht hier.)
Dieses Buch ist ein ökonomisches Wunder: Der Schriftgrad ist geschätzte 28 Punkt groß, selten passen auf eine Zeile mehr als drei Wörter, und das das Buch abschließende Heine-Zitat reicht von Seite 91 bis 99 – ein Lesevergnügen der riesenbuchstabigen Art! Die familiäre Schieflage zwischen dem armen, aber geistreichen Heinrich Heine und seinem Onkel, dem reichen, aber geistarmen Salomon Heine, dient Raddatz dazu, folgende raffiniert einfache Wahrheit zu äußern: Literatur sei immer »querbalkig« (S. 46). Damit ist für Fritz J. Raddatz das eigentliche, ja auch wirklich nicht mehr Beachtung verdienende Thema erschöpfend behandelt, denn im weiteren Verlauf – »und damit gleiten wir einen Augenblick aus der historischen Argumentation heraus« (S. 73) – spricht der Autor endlich über das Wesentliche, nämlich über sich selbst und die auch ihm widerfahrenen Kränkungen: Darüber, dass die Gesellschaft nicht begreift, dass der Autor vor allem geliebt werden will und dass Geld allenfalls ein Gradmesser dieser Liebe sein kann; darüber, dass selbst Karl Liebknecht sich einmal gegen die Behandlung geschlechtlicher Dinge in der Literatur ausgesprochen hat; und darüber, dass ein Autor »per definitionem ein einsamer, sich bespiegelnder, bezweifelnder, an dem Schopf der eigenen Hoffart sich aus dem Sumpf der Verzweiflung ziehender Mensch« (S. 58) sei. Welch ästhetische Finte von Raddatz, dass er Günter Grass den Text mit Zeichnungen von Schnecken und Füßen hat aufhübschen lassen. Ein mir teures Buch, das antiquarisch noch billig zu haben ist.
Fritz J. Raddatz: Von Geist und Geld. Heinrich Heine und sein Onkel, der Bankier Salomon. Eine Skizze. Mit 6 Radierungen von Günter Grass. Köln: Bund-Verlag 1980. S. 3–99 (= 97 Textseiten).
(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)