Die großen Fritz-J.-Raddatz-Festwochen (Tag 14):
»Eine dritte deutsche Literatur« (1987)
Paris, 14. Dezember 2013, 08:10 | von Niwoabyl
(= 100-Seiten-Bücher – Teil 93)
(Vorwort zur Festwoche hier. Inhaltsübersicht hier.)
Nach »Kuhauge« ist ein weiterer Fritz-J.-Raddatz-Hundertseiter Teil einer Trilogie, ganz so als hätte er endlich auf Goethes Auslassungen gegenüber Eckermann antworten wollen, der ja bekanntlich über den Mangel an guten deutschen Trilogien klagte. Allerdings steht das Buch diesmal am Ende der Trilogie, wie der Titel schon hinreichend ankündigt, und wenn es um eine »dritte« deutsche Literatur geht, bildet sie nicht nur einen Zusatz – das schärfen uns hier alle Paratexte ein –, sondern sie soll den Gegensatz von ost- und westdeutscher Literatur wunderbar hegelmäßig aufheben. Von einer derart didaktischen Sicht merkt man im Buch selbst dann erfreulicherweise wenig.
Auf dem ziemlich schmucklos und spartanisch gehaltenen Rowohlt-Taschenbuch steht auch noch, hier seien »statt zierlicher Akzente heftige Thesen« zu erwarten. Aber mehr als die versprochene Heftigkeit, die sich mir nicht ganz erschlossen hat, gefiel mir, wie Raddatz seine kleine Sammlung kritischer Essays zu einer mosaikartigen Collage von Zitaten, Anspielungen und literatur- sowie zeitkritischen Analysen macht, die ganz ohne Unterteilungen, Kapitel oder gar Kapitelüberschriften auskommt. Hier wird Literatur- und Geistesgeschichte im Kempowskimodus praktiziert. Überall nur fließende Übergänge, von Robert Wilson zu Peter Stein, von Peter Stein zu Botho Strauß, von Botho Strauß zu Peter Handke, bis wir endlich über verschlungene Wege (Schütz, Schleef, Kunert, Kronauer, Christa Wolf, Manfred Frank) bei Martin Walser glücklich die Lektüre abschließen dürfen. Dass Raddatz in diesem Buch nicht vollständig auf Anführungszeichen verzichtet, ist in dieser Hinsicht fast zu bedauern.
Fritz J. Raddatz: Eine dritte deutsche Literatur. Stichworte zu Texten der Gegenwart. (= Zur deutschen Literatur der Zeit. Band 3.) Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1987. S. 3–125 (= 123 Textseiten).
(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)
Am 19. Dezember 2013 um 22:32 Uhr
Die DDL, wie Chinesen zu sagen pflegen.