Die großen Fritz-J.-Raddatz-Festwochen (Tag 17):
»Bilder einer Reise« (1989)
Leipzig, 17. Dezember 2013, 08:20 | von Marcuccio
(= 100-Seiten-Bücher – Teil 96)
(Vorwort zur Festwoche hier. Inhaltsübersicht hier.)
»Ené, Iné, Aini, Hänne?« Die wichtigste Frage dieses Hundertseiters kommt spät, aber sie kommt: »wie (…) spricht man Heine auf italienisch aus?« (S. 95). Gute Frage. Raddatz, gerade in Bagni di Lucca angekommen, will den Genius loci finden; nur doof, wenn ihn dabei keiner versteht, weil er Heine deutsch ausspricht. Und dann passiert eine echte Pioniertat auf dem Gebiet der Völkerverständigung: Jahre bevor der erste »Lonely Planet« mit Grazie-Ausspracheanweisung erscheint, lässt Lonely Raddatz deutsche Feuilletonleser wissen, wie man Italienern erfolgreich verständlich macht, dass man über Heine parliert: Es muss klingen wie »Imi« (S. 106), das einstige Waschmittel.
Als Imi-Vertreter in Italien macht Raddatz einen großartigen Job, um nicht zu sagen: er startet den feuilletonistischen Schleuderwaschgang. Wobei: Die »›Bedeutung des tollen Lärms‹« (S. 72), die Heine in der Scala empfand, erschließt sich Raddatz bei seinem Besuch nicht so ganz: Stockhausens »Montag aus Licht« scheint ihm eine typische Montagsoper zu sein, die nichts anderes als »Spiegel-Schnippischkeit« verdient habe: »›Wird es laut, klingt es nach Orff, weicht es auf, säuselt es wie ›Cats‹.‹« (S. 72f.)
Weiteres Pointenrumpeln auf S. 90, als Raddatz aus dem Heine-Rachestück des Grafen August von Platen zitiert: Heine sei ein »Laubhüttenpetrarca«. Kurz vor Schluss, das muss jetzt schon Kalauer-Endschleudern sein, teilt uns der Imi-Experte mit: »in restauro«, »non toccare« und »chiuso« – man könne diese »Namen von Italiens drei berühmtesten Künstlern (…) bald nicht mehr hören« (S. 120).
Fritz J. Raddatz: Bilder einer Reise. Heinrich Heine in Italien. Mit Fotografien von Dirk Reinartz. München; Luzern: Bucher 1989. S. 3–127 (= 125 Textseiten).
Fritz J. Raddatz: Bilder einer Reise. Heinrich Heine in Italien. In: Unterwegs. Literarische Reiseessays. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1991. S. 203–263 (= 61 Textseiten).
(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)