Fünfundsechzig verweht
Hamburg, 7. Januar 2014, 12:01 | von DiqueWer von Ernst Jünger spricht, darf von Christine Westermann nicht schweigen. Ich erkläre gleich warum.
Neulich jedenfalls wieder mal mit John Roxton auf ein Stück Butterkuchen bei Stenzel. Danach fahren und spazieren wir ein bisschen kreuz und quer durch die Gegend und kommen dann zufällig an einem Antiquariat vorbei, das ich noch nicht kenne. Sehr klein, schön vollgestellt. Der Antiquar ein gediegener älterer Herr, der eigentlich gerade schließen will, aber nichts dagegen hat, dass wir uns noch kurz umsehen.
In einer Vitrine steht eine breite Zeile mit Ernst-Jünger-Büchern und wir geraten darüber kurz ins Gespräch mit dem Antiquar. Nichts Besonderes, er bringt die alte Kamelle, dass Jünger in Deutschland noch immer verpönt sei, in Frankreich dagegen ohne Probleme schon lange mit Lust gelesen werde. Zeit zu gehen.
In der Verabschiedungszeremonie fällt aus irgendeinem Grund noch der Name Ernst von Salomons und der Antiquar sagt, dass er den Fahrer des Rathenaumordfahrzeuges persönlich gekannt habe, Ernst Werner Techow, außerdem besitze er privat eine handsignierte Ausgabe der »Kadetten«. Das klingt jetzt wie eins dieser äußerst fragwürdigen Facebook-Likes, also lieber nicht weiter bohren und weg da, aber dann sehe ich im Hinausgehen drei Bände »Siebzig verweht« schön gebunden da stehen und ich frage noch schnell, was die denn kosten. Also eigentlich ja 58 Euro, stehe auch so im Buch drin, und er bietet sie mir dann für 40 an, und obwohl mir das ein wenig unangenehm ist (ist das der Kameradenpreis?), schlage ich ein.
Zu Hause durchblättere ich die Bände dann nach Blutspuren, Übersprungshandlung, und dann fällt mir ein, dass ich es wie Bardamu bei Céline hätte machen sollen. Ein paar unverbindlich zustimmende Worte mehr (»Salomon wird ja auch viel zu wenig gelesen, Rathenau war ja eh schon ziemlich alt, Jünger ist ja leider nie Bundespräsident geworden« oder Ähnliches) und ich hätte die »Siebzig verweht«-Bände für umsonst bekommen, hehe.
Von Céline und der »Reise ans Ende der Nacht« übrigens hatte Harald Schmidt nach eigenem Bekunden noch nie etwas gehört, bis ihm Helge Malchow seine berüchtigte Liste mit Must-read-Büchern gab, so Schmidt Mitte Dezember im Interviewgespräch mit der sympathischen Christine Westermann. À propos, »Klick ins Buch«, in den derzeitigen Bestseller eben jener Christine Westermann: »Da geht noch was – Mit 65 in die Kurve«, ich bin noch immer nicht über den ersten Satz hinweg: »Das Wesen einer Einleitung ist, dass sie am Anfang eines Buches steht.«
Am 7. Januar 2014 um 12:55 Uhr
Brillant!
Am 9. Januar 2014 um 20:45 Uhr
Ganz anders die Dissertation von Fritz J. Raddatz (Umblaetterer vom 2. Dezember 2013), die war überhaupt nicht verWt.
Am 10. Januar 2014 um 15:58 Uhr
Der Christine-Westermann-„Klick ins Buch“ drückt die Qualität der Amazon-Buchempfehlungen sofort auf Sven-Kuntze- bzw. Wenke-Myhre-Level.