Döpfner-Porträt
Berlin, 31. Januar 2014, 01:42 | von JosikEs war also soweit alles in Butter. Bis dann am Montag plötzlich ein sechsseitiges, von »Spiegel«-Gesellschaftschef Matthias Geyer gezeichnetes Mathias-Döpfner-Porträt auf uns herniederging. An diesem Porträt wurde inzwischen derart herumgehackt, dass ich es heute in aller Ruhe ein zweites Mal las, um mir eine unabhängige Meinung darüber zu bilden, ob es denn wirklich so schlecht ist, wie alle sagen.
Nach der ersten Lektüre war ich einfach nur enttäuscht, weil es da hauptsächlich um Döpfner als Verleger ging, aber so gut wie gar nicht um Döpfner als Journalist. Das jedoch hätte mich viel mehr interessiert, war mir doch immer noch die untoppbare neoklassische Antithese in Erinnerung, die Döpfner in seinem Nachruf auf Marcel Reich-Ranicki untergebracht hatte: »dass sein Tod zur Hauptschlagzeile sogar der ›Bild‹-Zeitung wurde … ist ein Lebenswerk für sich«. UMBL-intern gibt es seit diesem Nachruf eine rege Diskussion darüber, ob wir statt den vossianischen Antonomasien, die uns ja allen schon langsam zum Hals heraushängen, nicht viel lieber neoklassische Antithesen sammeln sollten.
Doch zurück zu Matthias Geyer. Nach der zweiten Lektüre des besagten »Spiegel«-Artikels lautet nun mein Fazit: Es scheint, als ob hier wieder einmal ein Missverständnis vorliegt. Denn die Frage ist natürlich immer, mit welchen Erwartungen man an einen solchen Artikel herangeht. Erwartet man ein feuilletonistisches Glanzstück, einen Meilenstein des impressionistischen Journalismus, eine vitale, anregende, beflügelnde, zwischen Dichtung und Wahrheit oszillierende Darstellung, der man in jeder Silbe anmerkt, dass die Schreibkraft Geyer von der Muse geküsst wurde, so ist dieses Porträt in der Tat rundum misslungen, eine Katastrophe ohnegleichen, der letzte Dreck. Erwartet man aber nichts weiter als hard facts, so ist dieser Artikel über jeden Zweifel erhaben.
Karl Kraus hat geschrieben, Zweck der Zeitungen sei es, »Tatsachen wiederzugeben« (Fackel 378, S. 26), und an der »nützlichen und unerläßlichen Funktion, Tatsachen zu sammeln« (Fackel 890, S. 22), hat er nie einen Zweifel gelassen. Gemessen an diesem Anspruch also, muss der überragende faktenorientierte Nachrichtenwert des Geyer-Artikels noch mal nachdrücklich verteidigt werden.
Der Berliner Wintermorgen, an dem Döpfner in ein Flugzeug stieg, war »lichtlos«. Döpfners Lesebrille hat »goldfarbene« Bügel. Döpfner trägt einen »schwarzen« Anzug und ein »weißes« Hemd.
An seinem Jackett steckt ein Namensschild mit einem »roten« Balken. Gegenüber von Döpfner sitzt ein Mann mit einem »grünen« Balken auf dem Namensschild. Die Haare dieses Mannes »wellen« sich im Nacken »in die Höhe«.
Döpfner trägt einen weiten »schwarzen« Mantel. Friede Springer setzt sich vorsichtig auf einen »cremefarbenen« Sessel. Sie hält eine »abgegriffene Ledertasche« mit »beiden« Händen auf ihrem Schoß.
Sie »greift« ihre »Ledertasche«. Döpfner fällt in »weiches, beigefarbenes« Leder. Das Kostüm, das Friede Springer trägt, ist »tadellos gebügelt«.
Wenn man mit Easyjet fliegt, bedient einen »der Typ mit dem Teewagen«. Im Learjet holt Döpfner »Dosenbier« und »Nüsse« aus dem Kühlschrank. Döpfner lässt das Bier nicht, wie naive Leser erwartet hätten, angebrochen stehen, sondern: »Er trinkt das Bier aus«.
Zuvor war Döpfner mit »elastischen« Schritten in die Ankunftshalle gelaufen. (Und wie anders als in der Luft sind die Verhältnisse zu Lande: Ein Kleinbus »ruckelt« über die »löchrigen« Berliner »Straßen«.) Das »Tischchen« vor Döpfner ist aus »poliertem« »Wurzelholz«.
Friede Springer und Mathias Döpfner treffen einen Asiaten, der »akzentfrei« Deutsch spricht. Die Wände in Friede Springers Büro sind mit dem »dunklen« Holz der »Douglasfichte« verkleidet. Der »Bourdeaux« (Hölderlin), den Döpfner in der Paris Bar bestellt, ist »gut«.
Döpfner scheint eine »Welt«-Tüte »wie eine Erinnerung« bei sich zu tragen. Das Verlagshaus Springer hat »Stammzellen« »ausgespuckt« (was auch biologisch interessant ist!) »wie verdorbenes Essen«. Ein Fünfsternehotel, in dem eine Roadshow stattfindet, muss man sich vorstellen »wie einen Luxuspuff«.
Irgendwo steht die Zahl 920.000.000 »wie ein Appetitanreger«. Der Mann, dessen Haare sich im Nacken »in die Höhe« »wellen«, blättert in einem Ringbuch »wie in einer einfallslosen Speisekarte«. Stefan Aust steht neben Döpfner »wie sein persönlicher Journalistenpreis«.
In Friede Springers Büro bedecken alte, in »Leder« gebundene Bücher mit »Goldschnitt« die Wände »wie Schlingpflanzen«. Friede Springer lebt in ihrem Büro »wie eine stille Museumswärterin«.
Von hinten betrachtet sieht Mathias Döpfner aus »wie ein Kardinal«. Alfred Neven DuMont sitzt hinter seinem Schreibtisch »wie ein König«.
Aus Neven DuMonts Westentasche hängt die »goldene« Kette einer Taschenuhr. Neven DuMonts Beine liegen auf einem großen Kissen, das mit »weichem Leder« bezogen ist.
»Manche Begriffe pfiffen wie Kugeln durch den Raum«. »Pfff.«
Aus rechtlichen Gründen kann hier leider nicht der komplette Artikel zitiert werden.
Am 31. Januar 2014 um 17:38 Uhr
Weiter so! Dann kann noch was aus Ihnen werden.
K.K., immer nur K.K. — wieso nicht mal K.M.? = „Zeitungen sind kein Gewerbe. Wer es zum Gewerbe macht, verdient den Zensor.“
Nicht knallig genug? Dann hab‘ ich noch den Tucho: „Selbst die Nachrichten die nicht in den Zeitungen stehen, sind erlogen.“ Na? das ist doch was, oder?
…oder stand das hier schon mal?
Am 31. Januar 2014 um 19:27 Uhr
All dieses »weiche Leder« – großartig.
Am 9. Februar 2014 um 23:16 Uhr
Der Artikel ein stilles, auf weichem Leder gebettetes und von Schlingpflanzen eingerahmtes Kunstwerk, dessen Nackenhaare wellig abstehen…
Am 10. Februar 2014 um 11:52 Uhr
Toll! Danke!