100-Seiten-Bücher – Teil 109
Wolfgang Bächler: »Der nächtliche Gast« (1950)
Berlin, 6. März 2014, 14:38 | von Josik
Oberflächlich betrachtet gleichen sich die Settings in Bächlers Romanen »Der nächtliche Gast« und »Einer, der auszog, sich köpfen zu lassen«: Die Geschichte spielt sich hauptsächlich in München ab, sie spielt sich hauptsächlich in einer einzigen Nacht ab, und einer erzählt dem anderen seine halbe oder ganze Lebensgeschichte.
Der hier erzählt, ist ein 16-jähriger Bursche namens Ritschi. Der hier zuhört, ist ein junger, abstrebender Theaterkritiker namens Kaubrich. Beide besuchten am Abend zuvor eine Uraufführung im fiktiven Bad Kressenbach (nicht zu verwechseln mit dem realen Kressenbach).
Im Zentrum des Geschehens stehen neben Ritschi die schöne junge Hella und der berühmte Schauspieler Divorni. Ich will nicht zuviel verraten, aber einer von den dreien wird am Ende draufgehen, das steht auch eigentlich schon im Klappentext, wo Michael Krüger nämlich von einer »ödipalen Travestie« spricht. Etwas überraschend endet die Geschichte im fiktiven Gornheimer Wald (nicht zu verwechseln mit dem realen Bornheimer Wald).
Alfred Andersch soll über dieses Buch gesagt haben: »Einer der ganz wenigen Romane der ersten Nachkriegsjahre, der sich heute noch zu lesen lohnt«, und egal ob man nun Fritz J. Raddatz zustimmt, der Alfred Andersch für einen Großen hält, oder aber ob man Tilman Krause zustimmt, der Alfred Andersch für einen Kleinen hält – wenigstens in diesem Punkt hatte Andersch halt einfach mal Recht.