Café-com-leite mit »Economist«
São Paulo, 2. September 2014, 09:00 | von DiqueNach zwei Wochen in São Paulo sehne ich mich nach vertrauten Printmedien. Leider gibt es hier an den sehr, sehr vielen blechverkleideten Zeitungskiosken nicht einfach mal so die FAZ zu kaufen. An manchen bekommt man immerhin sehr billige Pocketausgaben von Nietzsche, Schopenhauer oder de Sade.
Auf Angloinfo werden einige Buchhandlungen erwähnt, in denen es internationale Presse geben soll. Also auf zur Livraria Saraiva und zwar der Filiale in der Mall am Parque Ibirapuera. Die Erwartungen sind groß. Der Laden ist in der dritten Etage.
Die Hoffnung auf eine ausgewiesene internationale Rubrik wird nicht erfüllt und inmitten der ganzen lokalen Titel sticht auf den ersten Blick nichts Schönes heraus. Ich frage also einen Verkäufer, der auch gleich mit mir in die Magazinabteilung kommt, Tagespresse gibt es sowieso nicht.
Brasilianer gehören übrigens, wie Jonathan Meese, zu den »freundlichsten Menschen überhaupt«. Der Verkäufer sucht ein bisschen und findet dann ein paar »TIME«-Specials, über Imperien, den Zweiten Weltkrieg etc. Falls es noch andere ausländische, am ehesten englischsprachige Titel gibt, befinden sie sich inmitten der anderen, lokalen Magazine. Ich erwähne den »Economist«, meine Hoffnungen auf alles andere haben sich längst zerschlagen, und der junge Verkäufer hat keine direkte Ahnung.
Ich sifte noch ein bisschen durch die Reihen und irgendwann finde ich dann tatsächlich auch die ungefähr aktuelle »TIME« und daneben den »Economist«, gleich drei Ausgaben, die jüngste ist die vorletzte und die kaufe ich dann auch für schlaffe 31,90 Reais. Von der Kasse aus sehe ich dann in der Ferne den Verkäufer wieder, ich winke ihm mit dem Heft zu, er sieht richtig glücklich aus. Und ich kann endlich mal wieder ohne Kindle ins Café gehen.
Den ersten Café-com-leite mit »Economist« trinke ich dann bei Starbucks auf der Avenida Paulista, direkt gegenüber dem MASP. Das Museu de Arte de São Paulo ist ein Spitzenmuseum. Beim Skat ist ›Aus jedem Dorf einen Bauern‹ nicht gerade das Idealblatt, bei einem Museum kann das Trumpf sein. Wie das Thyssen-Bornemisza in Madrid hat auch das MASP aus den meisten Epochen und von den meisten wichtigen Künstlern ca. ein gutes Beispiel (Raffael, Bosch, Velázquez, Turner, Constable etc.). Von Frans Hals immerhin gleich mal drei seiner herrlichen Portraits. Eine weitere Ausnahme ist Modigliani, das ist aber auch kein Wunder, denn der ist ja auch der meistgefälschte Künstler aller Zeiten und auf ihn passt sowieso der Spruch (den es auch mal für Rembrandt gab, bevor das Rembrandt Research Project begann, mit den Zuschreibungen aufzuräumen), dass es ca. 800 Modiglianis gibt und davon ungefähr 1.000 allein in Amerika, oder so ähnlich. Eine weitere Ausnahme bzgl. Anzahl im MASP bildet Toulouse-Lautrec, aber der gilt ja auch nicht als Künstler, sondern als Dekorateur.