Besuch im Serienland #9:
Die 15 besten US-Serien der Saison 2013/14
Göttingen, 9. Oktober 2014, 18:28 | von Paco
Neulich in Madrid, ein Montag, nach Mitternacht in der Metro. Eine Gruppe sympathisch betrunkener US-Teens unterhält sich über Serien. Der eine wirft zunächst »True Detective« in den Ring und erzählt dann stolz, dass er jetzt auch »Breaking Bad« kuckt. Darauf die eine: »›Breaking Bad‹? Naah, I hated it. It’s completely unrealistic, I mean, a wife having an affair with a colleague, just for revenge, what is this?« Und man kann über »Breaking Bad« wirklich einiges sagen, etwa den horrenden Body Count erwähnen, aber diese Kritik war dann doch die originellste, die ich je zu BB gehört habe!
Nun aber: Ich bin ja seit einigen Jahren (hehe) serienmüde und auch deswegen wird der Serien-Rundown heuer zum neunten und definitiv letzten Mal veranstaltet. Inklusive diesem Jahr hab ich dann 120 Staffeln verarztet, das reicht erst mal. Die Charts der letzten Jahre sind hier: 2005/06, 2006/07, 2007/08, 2008/09, 2009/10, 2010/11, 2011/12, 2012/13.
Und hier nun die besten (bzw. schlechtesten) fünfzehn US-Serien des Jahrgangs 2013/14:
1. Fargo (1. Staffel, FX)
2. Breaking Bad (5. Staffel/zweite Hälfte, amc)
3. Louie (4. Staffel, FX)
4. Boardwalk Empire (4. Staffel, HBO)
5. Game of Thrones (4. Staffel, HBO)
6. House of Cards (2. Staffel, Netflix)
7. Mad Men (7. Staffel/erste Hälfte, amc)
8. 24 (9. Staffel, Fox)
9. Episodes (3. Staffel, Showtime)
10. Homeland (3. Staffel, Showtime)
11. True Detective (1. Staffel, HBO)
12. Veep (3. Staffel, HBO)
13. Silicon Valley (1. Staffel, HBO)
14. Kirstie (1. und letzte Staffel, TV Land)
15. Dexter (7. Staffel, Showtime)
*
Warum Martin Freeman den Emmy für »Sherlock« gewonnen hat und nicht für »Fargo«, weiß kein Mensch. Freeman und »Fargo« waren jedenfalls spitze, und ich danke den Leuten, die mich gezwungen haben, die Serie doch noch zu kucken. Es gelingt ihr über weite Strecken, das, was wir coenesk nennen, zu treffen, über Charaktere, Musik und Situationen und alles. Schön geschrieben und gespielt. Manche Folgen, besonders die sechste, enthielten ein paar drastische Szenen, da denkt man kurz: huch. Aber so stand das wohl im Drehbuch. Und nun wird es ja eine zweite Staffel geben, die offenbar von den mehrfach erwähnten Vorfällen in Sioux Falls 1979 handelt.
2. Breaking Bad (5. Staffel/zweite Hälfte, amc)
Nach der großartigen Anagnorisis in der ersten Hälfte der Finalstaffel folgt nun die reale Konfrontation von Walt und Hank. Todd und sein Onkel Jack schalten sich dazwischen, irgendwas passiert (no spoilers), Walts Doppelleben fliegt endgültig auf und er nimmt alles auf seine Kappe (und verschleiert dadurch netterweise Skylars Mitschuld). Er selbst emigriert inkognito in eine abgelegene Hütte nach New Hampshire. Doch schließlich kehrt er natürlich zurück und macht ein bisschen auf MacGyver, lässt sich von Jack und seiner Truppe fangen und rächt sich aber durch ein selbstschießendes MG. Und um jetzt doch weiter zu spoilern, weil war ja eh klar: Walt geht drauf, Jesse dagegen kommt frei und stößt einen Jubelschrei aus, der noch lange im Zuschauer nachhallt. »Breaking Bad« ist solide zu Ende gegangen und irgendwann in ein paar Jahren kann man das ruhig auch noch mal von vorn kucken.
Ganz anders als Larry David in »Curb Your Enthusiasm« hat sich Louie CK für seine Ego-Comedy ein stilles, leises, verunsichertes Schluffidasein ins Drehbuch geschrieben. Das ist teilweise so was wie sentimental comedy, speziell die Rückblendstorys (etwa das überlange »In The Woods«). Es gibt diesmal mehrere multiepisodische Storybögen, etwa »Elevator«, und dieser handelt in ganzen sechs (von den insgesamt vierzehn) Teilen von Louies unmöglicher Liebe zur ungarischen Nichte seiner ungarischen Nachbarin, der er nebenbei zweimal im Fahrstuhl sozusagen das Leben rettet. Die Nichte spricht wirklich kein Wort Englisch und lernt es auch nicht (anders als damals Jin in »Lost«, hehe). Und diese incommunicado-Szenen erzeugen wieder diese Intensität, die man Louie CK immer wieder aufs neue nicht zutraut, obwohl ihm das schon dutzendfach gelungen ist. Das Ende der Staffel wird zu einer Anti-RomCom, die alte Liebe zu Pamela wird nach ihrer Rückkehr aus Paris rethematisiert (Pamela Adlon, schon in »Lucky Louie« seine Frau), und da auch Louie CK nicht am Lena-Dunham-Hype vorbeigehen kann, zieht er am Ende sein T-Shirt aus und schwabbelt in die Badewanne zu Pam. Ganz wunderbar ist auch Folge 4×03, »So Did the Fat Lady«, die hab ich dann sogar gleich noch mal angeschaut.
4. Boardwalk Empire (4. Staffel, HBO)
Gut, Staffel 4 ist jetzt schon eine ganze Weile her, aber ich muss sagen, dass das bisher die beste Staffel war. Einfach weil der neue Ekelbösewicht Dr. Valentin Narcisse wieder so interessant und fast noch besser ist als einst Gyp Rosetti. Und der bisher anstrengend dumpfe Chalky White kriegt eine richtig gute Storyline verpasst. Und so weiter! Staffel 5 läuft bereit und ist die letzte, was jetzt wirklich ein bisschen schade ist.
5. Game of Thrones (4. Staffel, HBO)
Ok, in Folge 2 treten Sigur Rós auf mit ihrer Coverversion des Westeros-Chartbreakers »The Rains of Castamere«. In der selben Folge passiert auch etwas mit Joffrey, er endet mit so blutiger Kotze unter der Gesichtshaut. An viel mehr kann ich mich grad nicht erinnern, aber in Folge 4×10 unternimmt Tyrion seinen ganz persönlichen Rachefeldzug und dann hat man tatsächlich direkt Lust, mit Staffel 5 weiterzumachen, was aber erst ab April 2015 gehen wird.
6. House of Cards (2. Staffel, Netflix)
Nachdem in Folge 9 die Freundschaft zum BBQ-Joint-Betreiber Freddy wegen medialer Rachefeldzüge von Frank Underwoods Gegnern in die Brüche geht, heißt es: »The road to power is paved with hypocrisy. And casualties. Never regret.« Laut dem sanften Verriss, den salon.com gebracht hat, ist es etwas enttäuschend, wie hier politische Pseudothemen durchgehechelt werden, nur um wieder auf das alte Stammtischding hinzuweisen: Dass Politik ab einem gewissen Level nicht mehr von Inhalten, sondern von Macht und Karriere handelt. Aber »House of Cards« ist wenigstens kurzweilig. Schon in Folge 1 der neuen Staffel gibt es einen saftigen main character kill. Und in Folge 7 kommt es zu einem Double Date zwischen Präsidenten- und Vizepräsidentenpaar. Und es wird mit Plastesoldaten gespielt, was natürlich sofort an Horst Seehofer und seine Modelleisenbahn im Keller erinnert.
7. Mad Men (7. Staffel/erste Hälfte, amc)
Da kann man auch nur froh sein, dass MM endlich zu Ende geht. Nach Staffel 6 wäre eigentlich perfekt gewesen. In der bisher gesendeten ersten Hälfte von Staffel 7 kommt Don aber nach der erzwungenen Auszeit ins Büro zurück und muss persönlichen Restriktionen zustimmen, die sich die anderen Partner für ihn ausgedacht haben: »Outside of client hospitality, there will be no drinking in the office.« Wissen schon, eine Ära geht zu Ende. Und eine neue beginnt: Die Agency schafft sich einen Mainframe-Computer an (einen IBM System/360). Thematisiert wird das auch als Bedrohung, denn der Coypwriter Ginsberg wird wegen des Computers paranoid und tut sich Gewalt an (nipple multilation). In Folge 6 gibt es im Office wieder so ein schönes one-on-one mit Peggy und Don, so wie damals in Staffel 4, diesmal aber inkl. Tanzeinlage zu Sinatras »My Way«. In der vorerst letzten Folge 7×07 wird am Ende mondgelandet und Bert Cooper stirbt (20. Juli 1969). In der Folge lässt sich die Agency von McCann kaufen. Und nun warten bis Frühjahr 2015 und dann ist Schluss, Schluss, Schluss, dann sind endlich alle Werbemänner vom Hochhaus auf die Straße hinuntergefallen.
8. 24 (9. Staffel: »Live Another Day«, Fox)
Das wuchtige Uhrengeticke kam kurz zurück und mit ihm Jack Bauer, wieder aufgetaucht unter den fadenscheinigsten Drehbuchwendungen, na schön. Die diesmal nur 12-episodige Zusatzstaffel zu »24« trägt den Untertitel »Live Another Day«, die 12. Folge spielt von 10 pm bis 11 am, inkl. einem Zeitsprung von 10:46 pm auf 10:50 am. Worum geht es: Also, die ganze Staffel hindurch reden alle über dieses herrlich bekloppt ausgedachte »Override Device«, ein Gerät, mit dem man amerikanische/westliche Drohnen fremdsteuern und bevorzugt gegen zivile Ziele richten kann. Im Zuge der Irrungen und Wirrungen steht dann in Folge 8 der amerikanische Präsident himself in der Mitte des Wembley-Stadions, um sich von einer dieser fremdgesteuerten Drohnen abschießen zu lassen und sich für die britische Bevölkerung zu opfern! (Nicht!) Ansonsten wieder diese unfassbaren gelaberten Versatzstücke: »Sorry, I gotta take this.« »Put him on speaker!« »I can explain later, but you need to leave now before it’s too late.« »I think you wanna see this.« »At this point, I think I’m the only friend you have left.« »Where is the override device!!!«
9. Episodes (3. Staffel, Showtime)
Die UK/US-Crossover-Serie »Episodes« geht einfach weiter, mit Sean und Beverly, mit Carol und Merc und Jamie und natürlich Matt LeBlanc. Nach Mercs Abtritt kommt ein neuer Executive (über die abgrundtief langweilige Rolle des Castor lieber nichts). Die gemeinsame TV-Serie »Pucks« soll aus dem Programm genommen werden, darum also geht es diesmal. Ein bisschen zu viel langwieriges Hin und Her, viel Luft ist in der Story nicht mehr drin, aber es kommt Anfang 2015 tatsächlich Staffel 4. Eigentlich hätte ich es lieber gesehen, wenn Stephen Merchants schöne neue HBO-Sitcom »Hello Ladies« eine zweite Staffel bekommen hätte, hat sie aber leider nicht.
10. Homeland (3. Staffel, Showtime)
Spätestens jetzt nach Snowden fällt richtig auf, um was für eine Mickey-Mouse-Serie es sich bei »Homeland« handelt. Dieser Pseudo-CIA-Slang: »I’m gonna play you back into Iran«, Agentensätze zum Kaputtlachen. Das Drehbuch ist mit dem ganzen Iran-Thema auch etwas spät dran, diese Diskussion ist ja ziemlich over, aber was soll man machen, wenn man eine Serie mit reichlich dünner Story am Leben halten will, da passiert so was eben. Die thematische Exploitation zeigt sich auch am Anfang der Staffel im Venezuela-Plot um den irgendwie dort gestrandeten Brody. Und gerade den Hauptverdächtigen des Langley-Attentats vom Ende der 2. Staffel holt man dann, um ihn im Iran den Kopf der Revolutionsgarde fraggen zu lassen. Das Bootcamp-Training des zugedrogten Brody, um ihn wieder auf Vordermann zu kriegen, ist dann »Rocky« für ganz Arme (Folge 9). Also, wer rein systematisch das Gesamtwerk von Claire Danes seit »My So-Called Life« verfolgt, hat eine gute Ausrede für den weiteren »Homeland«-Konsum, die anderen eher nicht. Ansonsten könnte man noch mal den maßgeblichen »Homeland«-Artikel von Michael Cohen im »Guardian« lesen und dann für immer lieber andere Sachen kucken. Ach so, zur beginnenden 4. Staffel ist neulich noch ein herrlicher Artikel in der »Washington Post« erschienen: »›Homeland‹ is the most bigoted show on television«.
11. True Detective (1. Staffel, HBO)
Woody Harrelson kann man in »True Detective« sekundenlang dabei zusehen, wie er zum Sprechen den Mund öffnet und ihn nach seiner Ansage wieder sekundenlang schließt. Und Matthew McConaughey lassen die Autoren einen Gedankenproll spielen, der vor allem diejenigen Zuschauer begeistert hat, die auch Kalendersprüche für Kantphilosopheme halten. Und dann nervt da noch die viel zu ausgestellte Unzuverlässigkeit des jeweiligen Erzählers, das instagrammige Zeitkolorit, das behäbig-verschlossene Louisianabildschirmtreiben. Aber! Ab dem Ende der fünften (von acht) Folgen, also nach nicht einmal zwei Dritteln der arg gestreckten Handlung, wird es sogar noch spannend. Ein längerer Film mit solider Rotten-Tomatoes-Wertung um die 60% hätte es also wahrscheinlich auch getan.
Diese Sarah-Palin-Verschnitt-Serie ist leider schon länger nicht mehr lustig. Denn das einzige Stilmittel, der dauernde Zynismus überengagierter Imwegsteher, ist nur noch nervtötend. Okay, ein guter Witz ist drin in der Staffel, in Folge 3×10, der letzte Dialog nach der verlorenen Primary in New Hampshire. Amy: »Don’t get too concerned about New Hampshire, ma’am.« Selina: »I came in third, Amy. Okay? Even the Nazis came in second!«
13. Silicon Valley (1. Staffel, HBO)
Eigentlich herrschen momentan gute Voraussetzungen für so eine Serie, die im Herzen des Silicon Valley spielt, wo ja grad unsere Gegenwart programmiert wird, of sorts. Aber schon der zuckerbergige Hauptdarsteller ist auf so himmelschreiende Weise fehlbesetzt, dass es als genau richtig verkauft wird. So stotternd wie strubbelhaarig, ein kaum mehr als mittelmäßiger Coder, der einen Kompressionsalgorithmus für Musikdaten geschrieben hat, um den herum die Company Pied Piper gegründet werden soll. Könnte man sich auch als Alan-Sorkin-Drama vorstellen, ist aber als Comedy eher ein »Big Bang Theory« in schlecht geworden. Bei den angeblichen Insiderwitzen fühlt man sich wie Timm Thaler, der Junge, der sein Lachen verkauft hat. Die Sprache, die Dialoge, die das Produktionsteam in jedem Zeitungsinterview selbst so abfeiert, wirken wie Beispielsätze von Sprachforschern. Von den wenigen Ausnahmen ist eine in Folge 7: »Just face it, Dinesh, you’re gay for my code, you’re code gay. (…) You’d like to fuck my code, wouldn’t you? Hey, would you like to masturbate to the subroutine I just wrote?«
14. Kirstie (1. Staffel, TV Land)
»Fat Actress« war ja damals, 2005, wirklich nicht schlecht, wurde aber leider nach 7 Folgen abgesetzt. Und diese neue Serie um Kirstie Alley schien so ein bisschen daran anzuknüpfen. Was sie dann in keiner Weise tat. Es ist einfach eine Lachsack-Sitcom von der Stange, aber immerhin spielt auch »Seinfeld«-Veteran Michael Richards mit. Wobei er wieder nur mit Slapstick-Einlagen à la Kramer hantieren muss. Man sieht richtig, wie er in den ersten Folgen unterfordert ist und sich beinahe schämt, so eine armselig funktionale Nebenrolle zu spielen, aber das wird im Lauf der ersten (und allerdings auch letzten) Staffel ein bisschen besser. Und immerhin, das Season und Series Finale endet mit einem der wohl schönsten Hitler-Zitate ever, hehe.
15. Dexter (8. Staffel, Showtime)
OMFG, was für ein schlechter Abgang, siehe die IMDb-Bewertungen für die letzte »Dexter«-Folge. Aber gut, dass das vorbei ist, about effing time!
Am 9. Oktober 2014 um 19:14 Uhr
Was für ein Finale! TD wird hier also kaputtgelottmannt. Und dann noch die Platzierung an der Elf. Ominös, ominös.
Besten Dank für eure bildgewaltigen Bestenlisten. Aber seid ehrlich: Ihr habt doch damit HuffPo und BuzzDings listig den Weg geebnet. Also eigentlich eher vierspurig asphaltiert. Und der arme Maulwurf. Ist jetzt ganz allein.