Tex Rubinowitz, der Guttenberg des Feuilletons
St. Petersburg, 1. Februar 2015, 20:13 | von PacoAlso eigentlich fanden wir Tex Rubinowitz immer ganz okay, schon seit er damals in diesem Linklater-Film auf einer Wiener Brücke herumstand, schön! Und letztes Jahr hat er den Ingeborg-Bachmann-Preis abgeräumt, auch super!
Rubinowitz ist ansonsten auch ein fleißiger Leser des »Umblätterers«. Und zwar wissen wir das deshalb so genau, weil er kürzlich mit der großen copy&paste-Schere durch unser Archiv vossianischer Antonomasien gegangen ist und aus unserem Material einen Artikel zusammengeschrieben hat, der dann letzten Freitag im SZ-Magazin drinstand (»Der Mozart unter den Texten«: Teil 1 – Teil 2).
Seit 2009 sammeln wir hier Best-of-Material zum Thema und haben auch selbst erst in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung einen längeren Essay zum Thema abgeliefert (»Jeder kann Napoleon sein«, Ausgabe vom 21. Dezember 2014, Seite 34). Und eigentlich finden wir es per se gut, wenn jemand was zu unserem Lieblingsthema ›Vossianische Antonomasien‹ bringt. Es wäre aber wahrscheinlich doch besser, wenn ein neuer Artikel zum Thema nicht nur unser altes Zeug klaut und dann nicht mal ordentlich journalistisch preisgibt, wer die ganzen höhö-Zitate zusammengestellt hat.
Damit das SZ-Magazin die Quellen nachliefern kann, hier mal der Überblick des Rubinowitz’schen Raubzugs. Alles in order of appearance mit Link in unsere Sammlung. Gezählt werden natürlich nur die geklauten Vossantos, nicht die paar, die Tex Rubinowitz sich dann doch woanders her geholt hat oder sich überraschenderweise selbst ausdenken konnte:
- der Woody Allen des Barock (VA 88)
- der Heino der [deutschen] Literatur (VA 45)
- der Brad Pitt des Saarlands (VA 37)
- der Mozart des Schachs (VA 35)
- der Mozart der Massenproteste (VA 21)
- der Mozart des 100-Meter-Laufens (VA 7)
- der Mozart der Theologie (VA 62)
- der Boris Entrup der Kuhpflege (VA 75)
- der Newton des Grashalms (VA 63)
- der Lionel Messi der Grill-Modelle (VA 74)
- der Günter Grass der Friseure (VA 30)
- die Leni Riefenstahl der Volksbefragung (VA 76)
- der Homer der Insekten (VA 24)
- der Justin Bieber der Kreidezeit (VA 22)
- der Helmut Kohl unter den Brotaufstrichen (VA 21)
- die bretonische Kuh der Literatur (VA 19)
- der Jon Bon Jovi der Schwabenschlichter (VA 18)
- die Nana Mouskouri der Inneren Sicherheit (VA 17)
- der Mount Everest der Masturbation (VA 16)
- die Tuberkulose des Digitalzeitalters (VA 11)
- der Porsche Cayenne unter den Schuhen (VA 8)
Tex Rubinowitz, der eifrigste Leser, den wir haben! Er hat sich wirklich sehr systematisch durch unsere Listen geklickt. Copy&paste hat er (hier noch mal geordnet) bei den Folgen 7, 8, 11, 16, 17, 18, 19, 21 (2×), 22, 24, 30, 35, 37, 45, 62, 63, 74, 75, 76, 88 gemacht. Und woher hat Rubinowitz das ganze Zeug noch mal: »das stand alles genauso in der Zeitung oder online«. Ziemlich dreiste Quellenverschleierung à la Guttenberg, ein besonders schöner Fall von »Quelle: Internet«. Rubinowitz gibt den lustigen Zitatearrangierer, sein Artikel besteht aber im Kern aus von uns über 5,5 Jahre kuratiertem Material. Unsere Sammlung macht quasi den halben Text aus.
Im Beitext des SZ-Magazins steht noch, dass sich Tex Rubinowitz grämt, noch nie vossianisch belegt worden zu sein, er warte »sehnsüchtig darauf, dass man ihn mit irgendwem vergleicht«. Easy!
So ist Tex Rubinowitz nun hochoffiziell und für alle Zeiten der Guttenberg des Feuilletons.
Am 2. Februar 2015 um 11:31 Uhr
Vergleiche auch den letzten Absatz hier:
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/42740/1/1
mit der Beschreibung hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Antonomasie#Beschreibung
Am 2. Februar 2015 um 12:11 Uhr
Sehr geehrte Damen und Herren, natürlich ist es unverzeihlich, dass ich mich an Ihrer Sammlung undeklariert schadlos gehalten habe, das tut mir wirklich leid, und jede Ausrede ist überflüssig, aber ich muss es aus hygienischen Gründen trotzdem versuchen, ich kam von diesen vielen Mozartvergleichen, die ich zuletzt gesammelt hatte, auf ihre Seite, und hab gesehen, dass Sie zum Teil selbst nicht deklarieren, wo sie herkommen, Mount Everest der Masturbation, das hat Georg Dietz im Spiegel mit Deutscher Literatur gemeint, und meine Überlegung war dann, wessen kreative Leistung ist das jetzt, die des Autors, oder die des Sammlers, wenn jetzt viele dieser Vergleiche nebeneinander stehen, muss ich jetzt die vielen Autoren fragen, oder die vielen Sammler? Ok, es wäre ein leichtes, das Dach zu benennen, unter denen das gesammelt wurde, aber so weit ging mein Spatzenhirn nicht, und dafür haben Sie mir ja jetzt den schönen Vergleich mit Guttenberg auf die Stirn tätowiert. Mit zerknitterten Grüßen, TR
Am 2. Februar 2015 um 12:22 Uhr
@Tex: Erst mal danke, dass du dich hier meldest. Und na ja, dein Kommentar zeigt eben, dass deine Aktion tatsächlich, äh, Raubzugcharakter hatte, fast & furious. Die Quellen stehen seit Anbeginn im Quelltext der Seiten, woraufhin wir und andere mehrmals hingewiesen haben (hier und hier und hier zum Beispiel). Da du dir die Seiten angekuckt hast, hätte dir das auffallen können. Außerdem liegen die Sachen in noch besser geeigneter Form für copy&paste (hehe) auf dieser Seite (dort auch noch mal der Hinweis auf die Quelltexte der Originalserie).
Zu guter Letzt stehen aber jetzt auch noch rauskopierte Wikipediasätze im Raum, how about that?
Am 2. Februar 2015 um 12:36 Uhr
Hallo Paco, ja, sicher es hat Raubzugcharakter, es hat auch gar keinen Sinn, mich da rauszuwinden, es macht alles nur noch schlimmer, aber wenn man sich die Liste Nr 16 anschaut, sieht man nur die Vergleiche, keine Quellen, ich bin nicht tiefer in Ihre Maschine gegangen, dann hätte ich sicher all die Quellen gefunden. Also was kann ich noch mehr tun, als mir den Aschenbecher über den Kopf zu kippen, ich müsste dafür mit dem Rauchen anfangen, in meinem Aschenbecher ist keine Asche mehrt, sondern sind nur Büroklammern. Ich könnte Ihnen aber etwas anbieten, Sie können etwas von mir klauen, so hab ich das früher immer mit Max Goldt gemacht, wir hatten ein Abkommen, jeder kann in moderaten Dosen Ideen des anderen verwenden, also ich biete Ihnen hier jetzt ebenfalls an: bedienen Sie sich, wenn Sie etwas brauchen, verwenden Sie es, Gruß, TR
Am 2. Februar 2015 um 12:46 Uhr
Not funny, Tex Rubinowitz. Und was ist mit der Wikipedia? Was ist noch alles in dem Text versteckt. RubinowitzPlag, übernehmen Sie!
Am 2. Februar 2015 um 13:03 Uhr
Das nimmt Herr Rubinowitz ja alles sehr lässig und jovial, fast pseudonaiv dreist. Irgendwie zeitgemäß, diese „Man-kann-es-ja-mal-versuchen“-Haltung. Aber egal, immerhin schweigt er nicht oder brüllt: „Abstrus!“. Was auch zeitgemäß ist, ist Dissens über Geld zu regeln. Rubinowitz ist kein Guttenberg, aber er kann ja einfach das SZ-Magazin-Honorar mit dem Umblätterer teilen. Damit würde die Bitte um Entschuldigung konkret.
Am 2. Februar 2015 um 13:05 Uhr
Tex-klaut-wie-nix stellt sich dumm. So wie er es tut, könnte es sein, dass es stimmt.
Am 2. Februar 2015 um 13:12 Uhr
@Gregor: Bitte Mäßigung im Ton, danke.
Am 2. Februar 2015 um 13:17 Uhr
ich nehme das überhaupt nicht lässig, und auch nicht jovial, naiv ja, aber nicht mal pseudonaiv, denn das würde ja implizieren, dass ich mich von Schuld reinzuwaschen versuche. Ich bin total geknickt, das ganze ist mir einfach passiert, wie, hab ich ja oben erklärt. Und den Vorschlag die Hälfte des Honorars dem Umblätterer zu geben, find ich gut und angemessen, entschuldigt zwar nicht mein Vergehen, aber vielleicht ist das eleganter als ein gegenseitiges Klauabkommen
Am 2. Februar 2015 um 13:24 Uhr
noch etwas zum Wikipediaraubzug: ich glaube das ganze Problem ist, dass ich in meinen Text, der ein bisschen wissenschaftlich tut, aber in Wirklichkeit ja gaga ist, auch wissenschaftlich unterfüttern wollte, also so zu tun, ich fand dann diese Passage der Erklärung über VA, es wäre so verdammt einfach, den umzuschreiben, aber hab das eben nicht gemacht, und das hängt ja nun praktischerweise auch noch gleich hier mit drin in der Anklage, und auch das ist gut, wenn es nicht so peinlich und armselig wäre, weiss ich zumindest jetzt, dass das alles unberührbare Texte sind (bei Wiki), und ich doch lieber beim fiktionalen Schreiben bleiben soll
Am 2. Februar 2015 um 13:42 Uhr
Also mein Anwalt plädiert auf den Tatbestand der groben Fahrlässigkeit, ein Raubzug in böser Absicht, Profitmaximierung und Umetikettierung einer kreativen Leistung kann nicht nachgewiesen werden, die Kosten für den Prozess trägt der Angeklagte
Am 2. Februar 2015 um 13:47 Uhr
Was auch immer aus dieser Debatte und dem Tribunal entstehen mag: Ich finde es gut, dass der Täter sich gestellt hat und hier vollumfänglich aussagt. Teilt das Honorar und bewegt das SZ Magazin zu einem Korrektur-Update unter dem Mozart-Text mit Link auf den Umblätterer.
Zu der Wikipedia-Geschichte kann ich wenig sagen, das mögen andere tun. Interessant wäre hier die Reaktion des SZ Magazins, immerhin ein gebranntes Kind auf dem Gebiet zusammengeklauter Texte und/oder erfundener Statements, die zu großen Interviews verarbeitet wurden.
Am 2. Februar 2015 um 14:11 Uhr
…bedienen wir uns doch einfach bei brecht, der sprach schon vor langer zeit von seiner (sinngemäß zitiert) grundsätzlichen laxheit in fragen geistigen eigentums. das muss als erklärung/entschuldigung reichen.
Am 2. Februar 2015 um 14:37 Uhr
Die Redaktion des SZ-Magazins hat den Text nun in der Onlineversion um einen Verweis auf die Sammlung des Umblätterers ergänzt. Wir entschuldigen uns für das Versäumnis.
Am 2. Februar 2015 um 15:14 Uhr
Hallo Herr Rubinowitz,
das nenne ich mal einen souveränen Umgang mit einer unangenehmen Sachlage. Sowas würde ich mir von vielen Menschen wünschen!
Von meiner Seite ein danke dafür
Am 2. Februar 2015 um 16:46 Uhr
@Tex: Danke für den Honorarbeteiligungsvorschlag, aber das wollen wir gar nicht. Wenn du trotzdem die Hälfte vom Honorar loswerden willst, spende es doch an die Electronic Frontier Foundation oder (was ja in diesem Fall sehr sinnig wäre) Wikipedia/Wikimedia.
@Michael Ebert: Danke!
Am 2. Februar 2015 um 16:53 Uhr
Paco, das mache ich, das ist eine perfekte symbolisch Lösung, Gruß, TR
Am 2. Februar 2015 um 19:06 Uhr
Und so nennen wir zur schließlichen Versöhnung und um eine der schönsten vossianischen Antonomasien zu lesen, den Schriftsteller Eckhard Henscheid mit seinem lustigen Opernführer „Verdi ist der Mozart Wagners“. (Erschienen 1979!)
Am 3. Februar 2015 um 08:34 Uhr
@ Jan Böhmermann:
Hier mal bitte lesen, wie man sich nach gebauter Scheiße zumindest ansatzweise professionell verhält.
Einfach nicht zu klauen wäre natürlich auch eine Möglichkeit.
Just sayin‘.
Am 6. Februar 2015 um 00:18 Uhr
Es ist schon alles gesagt (*) worden, nur nicht von jedem. (C) Karl Valentin.
(*) geschrieben (von mir ergänzt *g*)
Am 7. Februar 2015 um 11:40 Uhr
„das ganze ist mir einfach passiert,“
.
Wie geht das?
Fielen ihm die Sammlungen des Umblätterers zufällig vor die Füße? Fand er sie irgendwo ohne Absender im Mülleimer? Nein, er hat sie penibel aus den Websites des Umblätterers kopiert, einen Artikel drumherumgeschrieben, ihn sicherlich auch noch ein- zweimal durchgelesen, korrigiert, eingeschickt, Rechnung geschrieben, etc. pp.
Sowas „passiert“ nicht „einfach“. Solch‘ Aussage macht die öffentlich vorgezeigte Zerknirschtkeit (auch erst nach den öffentlichen Ertapptwerden) ein wenig, nun ja…
Schade, ich mochte seine „naiven“ Zeichnungen damals im RABEN ganz gerne.
So schnell geht’s, ein positives Image zu zerbröseln.
Obwohl — „naiv“ passt schon irgendwie; wie kann man so (hier: Zitat Gregor Keuschnig einfügen) sein, zu glauben, den Diebstahl würde niemand bemerken?
Am 7. Februar 2015 um 11:46 Uhr
…und dass die SZ-Redaktion das nicht bemerkt hat, also diese Umblätterer-Sammlung nicht kannte, obwohl diese netten Redakteure in ihren Artikeln doch immer so tun als wüssten sie alles (besser) und wenn der Großteil der Leser dagegenhalten, die Kommentare komplett rausfliegen …
Am 3. März 2015 um 17:12 Uhr
Inzwischen scheint den Rubinowitz seine Reue schon wieder zu reuen. Der „Kleinen Zeitung“ in Österreich, die ihn auf den Fall angesprochen hat, erklärte er am 19.2.: „Naja, das war ja kein richtiges Plagiieren, diese Vergleiche sind ja auch nicht auf dem Mist der Blogbetreiber gewachsen, sie haben sie sich ja auch zusammengeklaut.“
Am 6. März 2015 um 16:07 Uhr
natürlich reut mich meine Reue nicht, steht morgen auch in der SZ, ich hab nur so einen Presseschautext zitiert
Am 17. August 2015 um 23:49 Uhr
Gerade vorzüglichst amüsiert in der FAZ, Top-Umblätterer, gerne wieder (Gelegenheiten dazu scheint es ja in Hülle und Fülle zu geben, wenn man nur genau hinschaut)! Hehe :-)
Am 19. August 2015 um 07:44 Uhr
[…] war vom Feuilletonblog “Der Umblätterer” bereits Anfang des Jahres als “Tex Rubinowitz, der Guttenberg des Feuilletons” entlarvt worden, nachdem er einen Magazintext aus Stoff des “Umblätterers” und aus der […]