Abenteuer mit Koni

Moskau, 10. Juli 2017, 21:59 | von Josik

Wir hatten uns an der Metrostation Baumanskaja mit Baumanski verabredet, dessen Nom de guerre ja von eben jenem revolutionären Bauman inspiriert ist, nach dem hier im Moskauer Osten viele Dinge benannt sind, etwa auch der Bauman-Garten, und in den gingen wir dann. Baumanski war ziemlich überrascht, dort einen Basler Springbrunnen vorzufinden, den die Stadt Basel den Moskauern geschenkt hatte. Dann aber, wie immer wenn man sich mit Baumanski trifft, kam die Rede irgendwie wieder ziemlich schnell auf Koni und auf die Frage, ob man ein literaturwissenschaftliches Instrumentarium entwickeln könnte, das die literarische Qualität von Schriftstellern direkt proportional zu ihrer persönlichen Hundeliebe misst. Der Gedankengang ist so:

Putins (1999 geborene und 2014 verstorbene) Hündin hieß Koni. Im Februar 2004 schenkte Putin dann dem damaligen österreichischen Bundespräsidenten Thomas Klestil und seiner Gattin Margot Klestil-Löffler zwei von Konis Kindern, nämlich Olga und Orchidea. Völkerverständigung at her best! Margot Klestil-Löfflers Landsfrau Elfriede Jelinek veröffentlichte auf ihrer Homepage zwei schöne Texte über ihre (am 17. Juni 2006 verstorbene) Hündin Floppy. Karl Kraus schreibt in der Fackel Nr. 376 auf Seite 25: »Woodie, ein kleiner Hund mit langen Haaren, den ich persönlich gekannt habe, er lachte, wenn die Menschen zu ihm sprachen, und weinte, weil er mit ihnen nicht sprechen konnte, und sein Blick war für sich und sie der Dank der Kreatur: ist von einem Automobil getötet worden.« In der Fackel Nr. 454 auf Seite 63 veröffentlicht Karl Kraus das berühmte Gedicht: »Als Bobby starb (22. Februar 1917)«, das mit den Worten beginnt: »Der große Hund ist tot.« In Kraus’ letztem Lebensjahr war sein Lieblingshund Rover, ein schwarzer Neufundländer, den er Sidonie Nádherný geschenkt hat (Rover, Sandy, Flock und Pyri waren ein »Hundeviergespann«). 1991 erschien bei de Gruyter eine Studie mit dem Untertitel »Zur Bedeutung der Neufundländer in Fontanes Romanen«. Auch die Hundeliebe Schopenhauers, des bedeutendsten philosophischen Literaten aller Zeiten, ist sprichwörtlich. Friedrich Theodor Vischer hat den Hunden in seiner 600-seitigen Novelle »Auch Einer« ein Denkmal gesetzt. Salomon Maimon brachte seine Lieblingshündin Belline in die Berliner Salons mit und wollte ihr seine Bibliothek vermachen. Praktisch alle der erwähnten Personen sind superste Schriftsteller, und sie alle zeichnen sich durch ihre Hundeliebe aus – aber wie bringt man das theoretisch zusammen?

Darüber diskutierten wir endlos, und über dieser Diskussion waren wir mittlerweile aus dem Bauman-Garten heraus- und vor dem Club-Café Koni in der Novaya Basmannaya angekommen, das nur einen Knochenwurf entfernt liegt. Das Club-Café Koni war allerdings nicht nach Putins verstorbener Labradorhündin benannt, sondern nach dem Juristen Anatolij Fjodorowitsch Koni, der selber ein großer Hundefreund war, wie man gut an dem Foto sehen kann, das in Sergej Vysockijs Koni-Biografie aus dem Jahr 1988 zwischen den Seiten 64 und 65 abgebildet ist und auf dem Koni sich zusammen mit dem Hund Mirsa hat ablichten lassen. Leider hatte das Club-Café Koni geschlossen.

Man konnte aber durch die Fensterscheiben des Club-Cafés Koni kucken und erkennen, dass es innen sehr gut aussah, auf einem der Tische stand sogar eine noch nicht vollständig ausgelöffelte Tasse Tee. Wir aßen schnell woanders zu Mittag, und zwar auf der Terrasse eines nahen ukrainischen Restaurants. Und fuhren dann schließlich mit einem Yandex-Taxi zum weltweit einzigen Koni-Denkmal, vor der soziologischen Fakultät der Lomonossow-Universität.

Wir ließen das Taxi etwas zu früh halten, um der grässlichen russischen Popmusik zu entfliehen, die im Taxi lief und die gefährliche Ohrwurmqualitäten hatte. In einem Fußgängertunnel kauften wir ein paar frische Erdbeeren und aßen sie alle auf, während wir in die Richtung gingen, wo wir das Koni-Denkmal vermuteten, bis wir plötzlich da waren. Koni wurde in seinem Denkmal allerdings ohne Hund gebildhauert (dafür aber mit einem Gesetzbuch).

So verging dieser herrliche Tag, mein letzter vor der Rückreise nach München. Am nächsten Vormittag gab’s noch Frühstück bei Paco zuhause, und weil Paco zum Frühstück immer leise Ö1 hört, hörte auch ich leise Ö1 mit. Unmittelbar nachdem Paco das Internetradio angeknipst hatte, hörten wir als erstes einen merkwürdigen Satz, der ungefähr wie folgt lautete: »Ich finde Bürgerkrieg gut.« Ich nahm mir vor, zuhause noch mal nachzuhören, worum es hier eigentlich ging, habe das dann aber natürlich nicht getan.

Paco bestellte mir ein Yandex-Taxi, das mich zum Edward-Snowden-Flughafen Scheremetjewo bringen sollte. Fünf Minuten später stand das Taxi vor der Tür. Der Taxifahrer war anfangs leicht überfordert und meinte, er sei bisher noch nie nach Scheremetjewo gefahren, dafür brauche man eigentlich erfahrene Chauffeure, aber er habe die Anfrage ja nicht ablehnen können. Ich sagte in bestem Merkel-Russisch: »Успеем« (»Wir schaffen das«), da war er irgendwie beruhigt. Er fragte mich, ob ich Radiomusik wünsche, ich sagte: »Как хотите« (»Wie Sie mögen«). Er sagte, er möge lieber Ruhe, also lauschten wir weder schlimmem russischem Ohrwurmpop noch Ö1, womit ich als Bürgerkriegsgegner sehr einverstanden war, ich finde Bürgerkrieg nämlich wirklich nicht gut.
 

Einen Kommentar schreiben