Moskau vor der Weltmeisterschaft

Moskau, 13. Juni 2018, 11:49 | von Paco

Der 12. Juni, der Tag, an dem Johan Nilsen Nagel in seinem gelben Kostüm in der kleinen norwegischen Hafenstadt anlegt und damit die Handlung in Knut Hamsuns Roman »Mysterien« in Gang setzt, ist nunmehr auch russischer Nationalfeiertag, das Unigebäude ist geschlossen, also bleibe ich erst mal zu Hause und sehe den Film »Relatos salvajes«, lange vor mir hergeschoben, und meine Güte, ich liebe ihn.

Nachmittags machen wir uns auf den Weg zum ВДНХ-Komplex, zur Majakowski-Ausstellung im Pavillon »Arbeiter und Kolchosbäuerin«. Hier noch mal chronologisch das ganze Majakowski-Projekt recappen, dem Wladimir Wladimirowitsch dann durch Selbstmord ein Ende setzte, mit dem genau richtigen Gespür für das Verhältnis zwischen Todeszeitpunkt und Vermächtnis.

In der Metro zeigen sich die ersten WM-Touristen, leicht zu erkennen an ihren leuchtenden Outdoorrucksackmodellen und an den neugierigen Blicken, etwas, das man sonst in Moskau niemals sieht, niemand schaut interessiert einfach so in der Gegend umher, in Moskau herrscht das abgeklärt-desinteressierte Verhalten.

Abends zu einer Geburtstagsfeier in einem Weinlokal in der Nähe der Belorusskaja. Wir bleiben bis Kassenschluss und spazieren dann die paar Kilometer nach Hause, frühsommerliche Nacht, Moskau vor der Weltmeisterschaft. Am Kasaner Bahnhof geht um 3 Uhr morgens die Straßenbeleuchtung aus, der Job wird weitergegeben an die Morgenwolken, die zuckerwatterosa leuchten. Ein paar Schlachtenbummler stehen in ihre ägyptischen Fahnen gewickelt in der Gegend herum. Straßenbahnschaffner mit den typischen Alkoholikeraktentaschen überqueren Straßen. Ein Hotel mit ausladend beflaggter Eingangskuppel zeigt die Nationalfarben aller Teilnehmerländer sowie Indiens.
 

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