Margin Call
Düsseldorf, 11. September 2018, 11:56 | von CharlemagneSeit der Veröffentlichung seines Docufiction-Meisterwerks, »Die Murau Identität«, vor vier Jahren habe ich einen Google Alert für Alexander Schimmelbusch am Laufen.
Nicht nur, weil der Autor mit dem schönen Nachnamen ein so unterhaltsames Buch geschrieben hat. Auch, weil sein Vater, Heinz Schimmelbusch, in den frühen 90er-Jahren als Vorstandsvorsitzender das Frankfurter Unternehmen, für dessen Nachfolger mit neuem Namen und Adresse ich heute arbeite, in finanzielle Schieflage gebracht hat und ich solche Zufälle, als Alternative zu den aktuell grassierenden Rezensionshomestories, ziemlich unterhaltsam finde.
Im Vorfeld der Veröffentlichung von »Hochdeutschland«, seinem jüngsten Roman, musste ich den Google Alert dann aber wieder dichtmachen. Natürlich habe ich das Buch ordnungsgemäß gekauft und an einem verregneten Wochenende durchgelesen, nur war ich diesmal nach der Lektüre eher verwundert als euphorisiert. Nicht, weil der Roman nicht gut wäre. Er war halt einfach für mich keine Neuerscheinung im klassischen Sinne, sondern eher eine Ausarbeitung der bisher von ihm veröffentlichten Texte auf waahr in einem etwas überdrehten Sound, die, verglichen mit den kurzen Texten oder dem perfekt komponierten Bernhard-Schocker, in ausufernden Sätzen daherkommt, denen dann auf halber Strecke die Luft aus den bis zum Bersten vollgepumpten Reifen des immerhin schön benannten Märchenfahrzeugs »Shere Kahn« ausgeht.
Die überall gefeierten Alltagsbeobachtungen aus dem Leben eines Investmentbankers, als klassischer Dreiakter mit Eintritt, Aufstieg und Entfremdung inszeniert? Alles bereits enthalten im großartigen Text »Kindersoldaten des Kapitals«, und das ganz ohne den gerade erwähnten empfunden künstlich aufgeblasenen Leerlauf.
Die schönste Stelle ist für mich daher eine kulinarische Anekdote, nämlich die Entstehungsgeschichte der Spaghetti Carbonara, ganz beiläufig und leise beschrieben als ein »Destillat eines Augenblicks der Weltgeschichte, nämlich der alchemistischen Verbindung der Eipulver- und Bacon-Rationen der GIs mit den Kochkünsten der Italienerinnen im Rom der Nachkriegsjahre« (ähnlich, aber nicht ganz so schön bereits auf Wikipedia formuliert).
Vielleicht liegt es aber auch einfach daran, dass der Autor, natürlich absolut schuldlos, an meinem Bias vorbeidichtet. Denn obwohl er beflissen wirklich sämtliche Getränkeoptionen und -klischees durchdekliniert, von high bis low und always over the top, schreibt er nicht einmal in der Romanvariante über Apfelwein!
Auch »Hysteria« habe ich inzwischen gelesen, und es ist übrigens recht speziell geraten.