100-Seiten-Bücher – Teil 140
Marie von Ebner-Eschenbach: »Die Freiherren von Gemperlein« (1878)
München, 12. Januar 2019, 10:55 | von Josik
Seit Terézia Mora eine Figur in ihrem Roman »Das Ungeheuer« den Satz notieren ließ: »Marie von Ebner-Eschenbach ist eine selten dumme Plantschkuh«, hat die Literaturwissenschaft große Mühen aufgewandt, um nachzuweisen, dass Marie von Ebner-Eschenbach keine Plantschkuh war. Und niemand hat die Absicht, die Verdienste der Forschung zu schmälern, aber diese Arbeit hätte man sich sparen können, denn es ist einfach evident, dass Marie von Ebner-Eschenbach eine scharfsinnige, hochamüsante, superste Schriftstellerin ist.
Die Freiherren von Gemperlein, Bewohner des Gutes Wlastowitz, sind zwei etwas wunderliche Brüder: der konservativ-monarchistische Friedrich, Fan der »Wiener Zeitung«, und der liberal-republikanische Ludwig, Fan der »Augsburger Allgemeinen«. Beide streiten jeden Tag furchtbar miteinander, aus politischen Gründen, aber logo, auch das Private ist politisch. Da beide Freiherren das Gut Wlastowitz so gerne mögen, können sie freilich auch nicht ohne einander.
Friedrich möchte gerne Josephe von Einzelnau-Kwalnow heiraten, die er allerdings nur als Angabe aus dem Gothaischen genealogischen Hofkalender kennt. Ludwig hingegen möchte Lina Äpelblüh heiraten, eine Kaufmannstochter aus dem nächsten Städtchen. Dummerweise stellt sich heraus, dass Lina Äpelblüh inzwischen jemand anderes geheiratet hat und dass »Josephe« von Einzelnau-Kwalnow durch drei Jahrgänge des Gothaischen Hofkalenders hindurch ein Druckfehler war. Korrekt heißt es nämlich: »Joseph«.
Irgendwann lernen Friedrich und Ludwig dann Klara kennen, die Nichte ihrer Nachbarin, der Frau von Siebert. Und nun geht’s erst richtig rund! Hahahaha!
Marie von Ebner-Eschenbach: Die Freiherren von Gemperlein. Novelle. Nachwort und Anmerkungen von Fritz Böttger. Illustrationen von Gerhard Oschatz. Berlin: Verlag der Nation 1983. S. 3–74 (= 71 Textseiten).
(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)