100-Seiten-Bücher – Teil 143
Jo Kyung Ran: »Zeit zum Toastbacken« (1996)
Eutin, 13. Februar 2019, 13:35 | von Josik
Die Autorin Jo Kyung Ran (sprich: Tscho Kjong-Nan; Jo ist der Nachname) erzählte in ihrer Dankesrede für den Literaturpreis Munhak Dongnae Sang, wie sie zu der Zeit, als sie an diesem Roman arbeitete, von Seoul aus für zwei Monate nach Jeju flog. Die Insel Jeju im Süden Südkoreas wird von der Tourismusindustrie als »das koreanische Hawaii« vermarktet. Ich kann mir gut vorstellen, dass Jo Kyung Ran auf Jeju ziemlich abgelenkt war, denn dort sind, wie ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe, unaufzählbar viele Sehenswürdigkeiten zu bestaunen.
Um wahllos irgendeine herauszugreifen: Auf Jeju gibt es z. B. das beste Museum der Welt, nämlich das Teddybärmuseum. In diesem Museum werden die wichtigsten Ereignisse der Geschichte des 20. Jahrhunderts von Teddybären nachgestellt. Neben der Mondlandung, dem Fall der Berliner Mauer und vielen weiteren historischen Events wird auch der D-Day von Teddybären rekonstruiert, und es ist sooo niedlich mitanzusehen, wie die Teddybären sich da gegenseitig abschlachten und zerfetzen. Zu Ende geschrieben hat Jo Kyung Ran ihren supersten, hochoriginellen, tiefgründigen Roman dann logischerweise nicht auf Jeju, sondern in Seoul.
Besonders gut finde ich die Szene, in der ein Taxifahrer über seine Wehwehchen klagt und daraufhin der Fahrgast zu ihm sagt: »Sie müssen einfach vegetarisch leben« (S. 36f.). Wie man bei den imposanten Fleischbergen, die in Südkorea wirklich immer und wirklich überall serviert werden, einfach vegetarisch leben soll, ist ein fast metaphysisches Rätsel. Also, Leute, wenn ihr in Korea wohnt und Euch ausschließlich von Restaurantbesuchen ernährt und hundertprozentige Vegetarier*innen seid, dann schreibt dazu hier unten in die Kommentare, checkt die Infobox und gebt mir unbedingt einen Daumen nach oben. Peace!
Jo Kyung Ran: Zeit zum Toastbacken. Roman. Übersetzt und mit einem Nachwort von Jung Young-Sun und Herbert Jaumann. Bielefeld: Pendragon Verlag 2005. S. 9–132 (= 124 Textseiten).
(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)