100-Seiten-Bücher – Teil 165
Katja Kullmann: »Rasende Ruinen – Wie Detroit sich neu erfindet« (2012)
Düsseldorf, 23. August 2019, 13:16 | von Charlemagne
Das Buch von Katja Kullmann hat 90 Seiten und das passt natürlich ganz ausgezeichnet, da ich in den Neunzigern des letzten Jahrtausends in einem schmucken, im Gegensatz zu Detroit natürlich sehr sicheren, plüschig manikürten Vorort der Motor City in den Kindergarten ging. So viel zur Einleitung, oder, um den bekanntesten noch lebenden Sohn der Stadt zu zitieren: Welcome to Detroit.
Die zeitlose Idee, dass aus Ruinen irgendwann auch wieder etwas Neues aufersteht, lässt sich an Detroit tatsächlich sehr schön durchdeklinieren, und Katja Kullmann hat darüber ein schlaues kleines Buch geschrieben, trust me on that one (für interessierte Leser sei hierzu auch Jeffrey Eugenides‘ Roman »Middlesex« empfohlen, da werden die Geschichte der Stadt, der »white flight« und der Detroit Riot von 1967 sehr eindrücklich erzählt).
Die These allerdings, dass das bei Detroit irgendwann berlineske Züge annimmt, well, da war ich dann doch etwas skeptisch. Also hin, nachschauen, ohne Hoodie. Das war 2014, ich war zu Besuch aus der Windy City, und da sah downtown tatsächlich sehr nett aus, da saßen Menschen unter freiem Himmel und tranken überteuerten Kaffee, sehr zur Verwunderung meiner Mutter, die die Gegend von damals nur als forbidden inner city warzone kannte. Tja, was das ganze Geld von Dan Gilbert & Co. so angerichtet hat, Bilderbuchgentrifizierung halt.
Beim Verlassen der Stadt, vorbei am leuchtenden Comerica Park und auf dem Weg hinter die Fassade, denkt man dann aber doch rasend schnell wieder an den unsäglichen Begriff des »ruin porns«, der bringt das leider immer noch ganz gut auf den Punkt: die Stadt als ausgebranntes, trauriges Paradebeispiel für den Niedergang des American Dream, jetzt aber mit paar bunten Bildern an den Hauswänden.
Am 1. September 2019 um 14:06 Uhr
Detroit besitzt einen herrlichen Caravaggio und war so nett, ihn für die Caravaggio – Ausstellung hierhin zu schicken. Einsamer Höhepunkt, lange her… Wie gern besuchte ich ihn mal! Schöne Grüße aus Düsseldorf, Luisa