100-Seiten-Bücher – Teil 192
Eva Illouz: »Die neue Liebesordnung« (2013)
München, 2. Dezember 2019, 11:20 | von Josik
Das Problem an Primärliteratur ist, dass sie oft viel zu lang ist. Die »Shades of Grey«-Trilogie z. B. erstreckt sich auf über 1.800 Seiten. Ich habe deshalb lieber auf kurze Sekundärliteratur zurückgegriffen, auf ein weniger als 100 Seiten umfassendes Buch über »Shades of Grey«, das eine sehr gute Zusammenfassung dessen enthält, was in der Primärliteratur geschieht. Im Folgenden schreibe ich also nicht über die Primärliteratur »Shades of Grey«, sondern über Sekundärliteratur zu »Shades of Grey«, mithin handelt es sich bei diesem meinem Textlein hier um Tertiärliteratur.
An der zentralen Stelle in ihrem Buch stellt Eva Illouz sinngemäß fest, dass Bestseller deshalb Bestseller sind, weil sie von vielen Leuten gut gefunden werden. Sie räumt zwar selbst ein, dass dies »tautologisch klingen mag« (S. 11), nennt ihre hochsympathische Tautologie aber trotzdem: »meine These« (ebd.). Tatsächlich ist diese These durchweg überzeugend, denn wie der sehr guten Inhaltsangabe von »Shades of Grey« (auf S. 33) zu entnehmen ist, ist der unfassbar reiche und smarte Christian Grey als Adoptivkind in einer liebevollen und gutsituierten Familie aufgewachsen, sein leiblicher Vater jedoch war gewalttätig, seine leibliche Mutter war eine kokainabhängige Prostituierte, und wer läse nicht gerne, wie sich das Sexleben von so jemandem entwickelt!
Völlig unerwartet lautet der vorletzte Satz in diesem Buch: »Shades of Grey ist schlechte Literatur« (S. 77). Doch warum sollte man über schlechte Literatur etwas schreiben? Das wäre ja Vergeudung wertvoller Lebenszeit.
Eva Illouz’ »Die neue Liebesordnung« ist gute Literatur.
Eva Illouz: Die neue Liebesordnung. Frauen, Männer und Shades of Grey. Aus dem Englischen von Michael Adrian. Berlin: edition suhrkamp digital 2013. S. 3–89 (= 87 Textseiten).
(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)