100-Seiten-Bücher – Teil 204
Hermynia zur Mühlen: »Eine Flasche Parfum« (1947)
München, 20. August 2020, 10:00 | von Josik
Manche russische Romanciers haben ihren dicken Schinken ja ein Personenverzeichnis vorangestellt, damit man bei den zahllosen Figuren, die auf den nachfolgenden tausend Seiten herumschwirren, nicht den Überblick verliert und, sobald man sich fragt, wer jetzt gleich noch mal wer ist, einfach kurz nachschlagen kann. Dem kleinen humoristischen Roman »Eine Flasche Parfum« von Hermynia zur Mühlen ist kein Personenverzeichnis vorangestellt, was bei einem so kurzen Buch vielleicht auch ein bisschen prätentiös wäre, aber es empfiehlt sich trotzdem, ein Blatt Papier (really, es muss nicht gleich ein Whiteboard sein) und einen Stift bereitzuhalten und während der Lektüre selber ein Personenverzeichnis anzufertigen, denn dieses Buch spielt in einer prototypischen Kleinstadt, da kennt natürlich jeder jeden, jede jede und jede jeden, und die spielen hier auch allesamt mit. Das Parfum, das bei den Leuten in dieser Kleinstadt solche Verwicklungen auslöst, ist übrigens kein Eau de Cologne, denn wie es hier so treffend heißt: »Eau de Cologne ist höchstens ein Waschmittel« (S. 33). Und absolut superst ist, wie die Personen in diesem Buch gezeichnet werden – etwa Frieda, um nur eines von vielen möglichen Beispielen herauszugreifen: »Frieda hob die Hände hoch und erstarrte. In dieser Stellung glich sie einer rundlichen, etwas kleinen Statue des Schmerzes, geschaffen von einem extrem modernen Bildhauer« (S. 37). Hehe!