100-Seiten-Bücher – Teil 36
Alan Bennett: »Die souveräne Leserin« (2007)
Solingen, 22. September 2012, 10:13 | von Bonaventura
Mit diesem Büchlein hatte der auf Kurzprosa spezialisierte englische Erfolgsautor, Schauspieler und Regisseur im Jahr 2008 seinen Durchbruch in Deutschland. Der Originaltitel »The Uncommon Reader« ist eine ironische Anspielung auf Virginia Woolfs in England sehr bekannte Essaysammlungen »The Common Reader«, deren Titel wiederum auf eine Wendung Dr. Johnsons zurückgehen.
Erzählt wird die Geschichte, wie Elizabeth II., Queen of England, eines Tages bei der Suche nach ihren Corgis auf der Rückseite von Buckingham Palace den Bücherbus der öffentlichen Bibliothek vorfindet, der dort die Bediensteten des Palastes versorgt. Volksnah, wie sie ist, betritt sie den Bus, trifft dort auf einen ihrer Küchenjungen und entleiht, weil sie sich an den Namen der Autorin erinnert, die sie in den Adelsstand erhoben hat, ein Buch von Ivy Compton-Burnett.
Das ist der Beginn ihrer Karriere als souveräne Leserin, die sich immer weniger für ihre repräsentativen Pflichten und dafür zunehmend für Bücher interessiert. Der Küchenjunge Hutchings wird königlicher Literaturreferent und die ganze Geschichte gipfelt in einer hübschen Pointe, die hier natürlich nicht verraten werden soll.
Was das Buch reizvoll macht, ist nicht nur das ironische und dennoch genaue Porträt der in sich abgeschlossenen Welt, in der die Königin mit ihrem Ehemann lebt, sondern auch, dass es ein Buch eines Lesers für Leser ist, das das Lesen als den Königsweg zur Freiheit weist.