100-Seiten-Bücher – Teil 69
Alfred Andersch: »Der Vater eines Mörders« (1980)
Berlin, 25. Mai 2013, 15:58 | von Josik
»Eine Schulgeschichte« verspricht der Untertitel, und trotz dieses furchtbaren Themas geht’s ulkig los: Gleich auf den ersten Seiten taucht nämlich der Klassenbeste auf und man fragt sich, ob Alfred Andersch sich hier einen grotesken Scherz erlaubt hat, denn dieser Primus heißt doch tatsächlich Werner Schröter. Der Name dieses Werner Schröter klingt wirklich haargenau so wie der Name des berühmten Regisseurs Werner Schroeter. Andersch und Schroeter waren ja halbe Zeitgenossen, und als Schriftsteller benennt man seine Figuren doch wohl nicht ohne Grund nach einem Promi? Das gleiche kann man sich übrigens auch bei Vladimir Nabokov fragen, der in »Ada« an zwei Stellen eine Figur namens Norbert von Miller herumgeistern lässt – hier ist der Name also ebenfalls so gut wie gar nicht verfremdet, denn womöglich ist diese Figur nach Norbert Miller benannt. Norbert Miller selbst wiederum publizierte auch unter diversen Pseudonymen, etwa unter dem Namen Roderich Fuëß. Ein prominenter Namensvetter ist Roderich Reifenrath, der ehemalige Chefredakteur der »Frankfurter Rundschau«, also just jener Zeitung, die den größten Feuilletonskandal des Jahres 1976 entfachte. Damals nämlich ließ Alfred Andersch dort sein Gedicht »artikel 3 (3)« abdrucken, mit den berühmten Versen: »dem geht der / arsch mit grundeis«.
Am 25. Mai 2013 um 17:57 Uhr
Und Eis – das sollte hier nicht unerwähnt belieben – hat der Rezensent auch schon mal gegessen!