Listen-Archäologie (Teil 12):
Erlebnisbücher von Auslandsjournalisten

Leipzig, 9. Februar 2014, 13:27 | von Marcuccio

Kann auch eine Infografik Liste sein? Ja, wenn sie ein Bücherregal baut, das lauter Paratexte anzeigt, die sich eben so ansammeln, wenn Journalisten ins Ausland gehen und darüber ein Buch schreiben. Gut gehortet, liebes SZ-Magazin (»Ich war da mal weg« – online sieht es leider nur halb so gut aus wie auf der Doppelseite im Print)! Aber die Leute sammeln schon weiter. Im Zweifel hilft auch immer ein guter Amazon-Empfehlungsalgorithmus.

Ich empfehle jedenfalls die Seiten 14/15 des aktuellen SZ-Magazins schon jetzt für einen Genre-Award beim Wettbewerb »Oddest Book Titles«. Und nominiere sie für den Spezial-Preis der Jury in der Sparte Infografik-Feuilleton.

Unten, von mir einfach mal alphabetisch für die Nachwelt sortiert, das Kalauer-Kompendium der Maria-ihm-schmeckt’s-nicht-Abkömmlinge. Völkerverständigungsliteratur light.

Das Buchtitel-Pendant zum Einmarsch der Nationen bei Olympia. Völker der Welt! Vergesst Sotschi! Lasst die Journalisten-abroad-Literatur sprechen. Ihr Zwang zur Alliteration geht sogar soweit, dass Calvin wie Cottbus in Berlin geschrieben sein muss: mit K.

Werbephilologen werden noch lange mit diesem SZ-Schatz sympathisieren; Statistiker können (ebenso wie sie die häufigsten Talkshowgäste auszählen) eruieren, welche Journalisten Genrekönige sind. Es ist Wolfgang Koydl von der SZ mit drei Treffern. So schnappt das SZ- dem Philososphie-Magazin (Wolfram Ellenberger: zwei Treffer) die Ideen weg! Statistisch könnte man auch sagen: Die erste Silbe des Vornamens muss auf »Wolf-« lauten, um besonders erfolgreich lautmalerische Bücher zu schreiben wie …

  1. Alles Azzurro. Unter deutschen Campern in Italien (Markus Götting)
  2. Alles Neisse, oder? Meine Geschichten aus dem Osten (Petra Nadolny)
  3. Alles wegen Dänen! Überleben mit Smørrebrød (Elmar Jung)
  4. Alter Schwede! Zwei Hochzeiten und ein Elchgeweih (Gunnar Herrmann & Susanne Schulz)
  5. Auf Heineken können wir uns eineken. Mein fabelhaftes Jahr zwischen Kiffern und Kalvinisten (Kerstin Schweighöfer)
  6. Avanti Amore. Mein Sommer unter Italienern (Dana Phillips)
  7. Bitte ein Brit! Neue Abenteuer auf der Insel (Wolfgang Koydl)
  8. Das kommt mir Spanisch vor. Madrid für Anfänger (Andrea Parr)
  9. Die Spinnen, die Finnen. Mein Leben im hohen Norden (Dieter Hermann Schmitz)
  10. Elchtest. Ein Jahr in Bullerbü (Gunnar Herrmann)
  11. Finne dich selbst! Mit den Eltern auf dem Rücksitz ins Land der Rentiere (Bernd Giesking)
  12. Finnen von Sinnen. Von einem, der auszog, eine finnische Frau zu heiraten (Wolfram Ellenberger)
  13. Fish and Fritz. Als Deutscher auf der Insel (Wolfgang Koydl)
  14. Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück im wilden Westen (Oliver Tappe)
  15. In Brasilien geht’s ohne Textilien. Ein Deutscher in Rio de Janeiro (Andreas Wimm)
  16. Kanada kann mich mal. Von einem, der mit seinen Kindern in die Ferne zog (Wolfram Ellenberger)
  17. Kann denn Fado fade sein? Meine Abenteuer in Portugal (Christina Zacker)
  18. Le Fettnapf. Wie ich lernte, mich in Frankreich nicht zum Horst zu machen (Anja Kuchenbecker)
  19. Madonna, ein Blonder! Ganz und gar nicht alltägliche Geschichten aus Rom (Martin Zöller)
  20. Mordsgouda. Als Deutsche unter Holländern (Annette Birschel)
  21. My dear Krauts. Wie ich die Deutschen entdeckte (Roger Boyes)
  22. Papa ante Palma. Mallorca für Fortgeschrittene (Stefan Keller)
  23. Pizza alla famiglia. Ein turbulentes Familienleben zwischen Deutschland und Italien (Michael Weirether & Adriana Falcieri)
  24. Queenig & Spleenig? Wie die Engländer ticken (Nina Puri)
  25. Russki Extrem. Wie ich lernte, Moskau zu lieben (Boris Reitschuster)
  26. Sitzen vier Polen im Auto. Teutonische Abenteuer (Alexandra Tobor)
  27. Spaghetti in Flagranti. Überleben in Italien (Angela Troni)
  28. Spätzle al dente. Neue Geschichten von meiner sizilianischen Familie (Luigi Brogna)
  29. Unter Galliern. Pariser Leben (Sascha Lehnartz)
  30. Werft die Gläser an die Wand! Meine russische Familie und ich (Juliane Inozemstev)
  31. Wer hat’s erfunden? Unter Schweizern (Wolfgang Koydl)
  32. Zwischen Boule und Bettenmachen. Mein Leben in einem südfranzösischen Dorf (Christiane Dreher)


 

6 Reaktionen zu “Listen-Archäologie (Teil 12):
Erlebnisbücher von Auslandsjournalisten”

  1. Gachmuret

    Nun,

    dass Frau Tobor in der Liste auftaucht, nährt für mich den Verdacht, dass da jemand sich ein paar Cover angeschaut hat, bestenfalls noch eine Vorschau durchgeblättert. Denn richtig ist, dass Ullstein das Buch genau in dem Segment platziert hat, das durch Jan Weilers »Maria, ihm schmeckts nicht« begründet wurde. Falsch ist allerdings, dass es dort hingehört. Aber möglicherweise ist das nur meine Einschätzung und im SZ-Magazin wird für solche Listen gründlich gearbeitet und der Autor kommt schlicht zu einer anderen Beurteilung.

    Woran ich allerdings so meine Zweifel habe, da es sich bei »Sitzen vier Polen im Auto« um ein Buch handelt, das auf den Kindheitserfahrungen einer jungen Frau handelt, die in den Achtzigern aus Polen in die BRD auswanderten. Und das in die Kategorie »Journlaisten, die längere Zeit im Ausland leben« einzusortieren, erscheint mir doch zumindest fraglich.

  2. Marcuccio

    @Gachmuret: Das mit dem Tobor-Buch, das ich übrigens selbst gelesen habe (es handelt von polnischen Aussiedlern in Deutschland) stimmt. Allerdings ist die überwältigende Mehrheit der vom SZ-Magazin aufgelisteten Bücher und das Genre als solches ein sehr beliebtes bei Journalisten. Abgesehen davon, zählt in diesem Fall tatsächlich: Bücher allein an ihren Titeln packen…

  3. Richard Deiss

    Statt nur alphabetisch zu sortieren, wäre die Frage interessant, welcher als der beste Titelkalauer empfunden wird. Könnte der Umblätterer hier nicht eine Auswahl der Top 3 vornehmen oder jeden der 32 Einträge mit Punkten versehen? Mein persönlicher Favorit: die Nummer 13. Bei manchen Titeln ist der Wortwitz zudem nicht evident und welches ist eigentlich der Topseller unter den 32?

  4. Gachmuret

    @Marcuccio Ohne Zweifel gilt es für die überwältigende Mehrheit, aber ist es nicht trotzdem eine zulässige Anforderung für ein Mindestmaß an Sorgfalt? Für Frau Nadolnys Buch gilt ja ähnliches wie für Frau Tobor. Ich finde, wenigstens mal den Beschreibungstext lesen, sollte doch kein zu hoher Anspruch sein, zumal im Lande des angeblich™ besten Feuilletons der Welt.
    Wenigstens weiß ich jetzt, bei welchem Journalisten ich Gift und Galle spucken kann, wenn er sienen allfälligen Text über die Inkompetenz von Buchhändlern verfasst… ;)

  5. Klaus

    Ich kenne keins dieser Bücher und auch die Namen der Büchervollschreiber sind mir ALLE völlig unbekannt.
    Dabei lese ich viel und ich verschlinge auch seit den Sixties regelmäßig die Feuilletons der „Qualitätspresse“ – aber wie gesagt: alles völlig Unbekannte. Und das ist höchstswahrscheinlich auch gut so.
    .
    Oder ist das alles nur gut erfunden?

  6. Marcuccio

    @Klaus: Gut erfunden? Dafür behauptet der Buchmarkt schon zu Recht und zu lange: „Ich habe Dinge gesehen, die ihr Feuilletonisten nie glauben würdet…“

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