100-Seiten-Bücher – Teil 146
Marie NDiaye: »Selbstporträt in Grün« (2005)
Eutin, 18. Februar 2019, 11:25 | von Josik
Der Vater der Ich-Erzählerin ist inzwischen mit deren »ex-besten Freundin« (S. 38) verheiratet; Cristina ist eine »Freundin« (S. 19) der Ich-Erzählerin; Marie-Gabrielle und Alison hingegen sind »nur gute Bekannte« (S. 20). Okay, bis hierhin haben wir also Bekannte, Freund*innen und ex-beste Freund*innen. Man könnte die ganze Umgebung sicherlich noch weiter ausdifferenzieren: »entfernte Bekannte«, »zweitbeste Freund*innen« usw. usw. Ein Problem aber bleibt: Wie nennt man Leute, mit denen man irgendwann mal befreundet/bekannt war, zu denen man aber schon seit langer Zeit überhaupt keinen Kontakt mehr hat?
Manchmal ergibt es sich ja, dass man über genau solche Leute irgend was erzählt, und wenn man grade im Flow der Erzählung ist, möchte man diese Leute doch nur ungern als »Leute, mit denen ich mal befreundet/bekannt war, zu denen aber schon vor langer Zeit aus Gründen, die ich jetzt nicht ausführen kann, weil das sonst zu weit führen würde, der Kontakt abgerissen ist« titulieren? Das würde den Redeflow doch erheblich stören.
Hier ein Vorschlag: Ich selber nenne solche Leute »ehemalige Bekannte«. Für diese widersinnige Bezeichnung werde ich zwar oft ausgelacht, aber von allen kompakten Bezeichnungen für das betreffende Problem scheint mir diese doch die beste zu sein. In Marie NDiayes »Selbstporträt in Grün« geht es eigentlich um was völlig anderes, aber die oben zitierten Stellen boten sich eben an für diese kleine Meditation.
Zum »Selbstporträt in Grün« möchte ich noch sagen, dass ich schon lange nicht mehr ein dermaßen superstes Buch durchgeschmökert habe. Lest es!