100-Seiten-Bücher – Teil 171
Paulina Chiziane: »Liebeslied an den Wind« (1990)
München, 5. Oktober 2019, 10:00 | von Josik
Sarnau verliebt sich in Mwando, den Priesterseminaristen, äh, sagt man das so? Oder heißt das Priesteramtskandidat? Wie auch immer, Mwando wird dann eh aus dem Priesterseminar rausgeschmissen. Nun findet das Christentum die Institution Ehe zwar eigentlich gut, nur eben leider nicht mit einem Priester oder Priesteranwärter, aber noch dazu ist hier in Mosambik die Liebe zwischen Sarnau und Mwando ein besonders problematisches Problem, denn hier ist Polygamie noch weit verbreitet, und die wiederum findet Mwando als Christ nicht gut. Von Sarnau, deren ungeheuer turbulente Lebensgeschichte in diesem Roman erzählt wird, kann man nun lernen, dass Polygamie alle möglichen schlechten Seiten hat, »doch eines ist wundervoll: Es gibt keine unehelichen Kinder« (S. 124). So geht es zwischen Sarnau und Mwando auf und ab und hin und her, und als die beiden wieder einmal miteinander herumturteln, verwendet die Autorin Paulina Chiziane dafür ein Bild, das leider so verdammt gut ist, dass ich in meiner Funktion als Menschenfreund ausdrücklich davor warnen muss, sich die folgende Szene vorzustellen, weil man dieses Bild sonst nie wieder aus dem Kopf rauskriegen wird und weil es einfach jegliche Romantik für immer zerstört: »Wir entkleideten uns hastig, wie jemand, der von Durchfall überrascht wird« (S. 73).
Paulina Chiziane: Liebeslied an den Wind. Roman. Aus dem mosambikanischen Portugiesisch von Claudia Stein und Michael Kegler. Nachwort von Michael Kegler. Frankfurt/M.: Brandes und Apsel 2001. S. 3–134 (= 132 Textseiten).
(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)