100-Seiten-Bücher – Teil 187
Hao Jingfang: »Peking falten« (2012)
München, 27. November 2019, 14:05 | von Josik
Was muss man tun, um im Jahr 2016 beim »Hugo Award«, dem wichtigsten Science-Fiction-Literaturpreis, in der Kategorie »Best Novelette« den Mitbewerber Stephen King aus dem Rennen zu werfen? Na ganz einfach: Man muss Hao Jingfang heißen, in Pekings Nachbarstadt Tianjin geboren worden sein, 32 Jahre alt sein, Physik studiert haben, in Wirtschaftswissenschaften promoviert worden sein, als Ökonomin für den Thinktank China Development Research Foundation arbeiten und die Science-Fiction-Novelette »Peking falten« geschrieben haben.
Darin beschreibt Hao Jingfang auf S. 46/47 das Auto der Zukunft: Es ist »[e]in einsitziger Wagen […]. Der schwarze Wagen besaß zwei Räder und ein baldachinartiges Dach, er ähnelte einer alten Kutsche oder einer Rikscha, wie man sie im Fernsehen sah, nur dass kein Pferd oder Mensch diesen Wagen zog. Das Fahrzeug hielt an und senkte sich nach vorn hin ab.« Jetzt muss man in den Wagen hineinklettern. »Dann richtete sich der Wagen wieder auf und rollte gemächlich davon, als zöge ihn ein unsichtbares Kutschpferd« (S. 46), denn es ist ein »fahrerloses Fahrzeug« (S. 47).
Nun, mir dünkt, das einzige Science-Fiction-hafte an dieser Schilderung ist, dass es in der Zukunft wieder Fernsehen geben wird, was man sich heutzutage, wo niemand mehr Fernsehen kuckt, ja in der Tat nur schwer vorstellen kann. Was das beschriebene Fahrzeug angeht, so erscheint vor dem geistigen Auge natürlich sofort eine Art Renault Twizy oder eine Art Seat Minimó. Abgesehen von ein paar Kleinigkeiten, entspricht das vorgebliche Science-Fiction-Fahrzeug eigentlich sogar ziemlich präzise dem Fiat 126, falls den noch jemand kennt.
Hao Jingfang: Peking falten. Erzählung. Übersetzung aus dem Englischen von Jakob Vandenberg. Mit einem Vorwort von Kai Strittmatter. Coesfeld: Elsinor Verlag 2017. S. 11–84 (= 74 Textseiten).
(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)