100-Seiten-Bücher – Teil 228
Constanze Hallgarten: »Als Pazifistin in Deutschland« (1956)
München, 18. November 2021, 09:45 | von Josik
Es geht los mit einer Widmung: »Ich widme / dieses erinnerungsschwere kleine Buch / meinem großen personifizierten Erfolg, / meinem Sohn G. W. F. H.« Damit Constanze Hallgartens
Nach Constanze Hallgartens Widmung und Vorwort beginnen ihre eigentlichen Berichte, oder kurz gesagt: eine der außerordentlichsten Autobiographien des 20. Jahrhunderts und darüber hinaus ein eminentes Zeugnis der Frauenfriedensbewegung. Schon die ersten beiden Sätze des Buches sind grandios: »Ich gehöre zu den wenigen bürgerlichen Frauen in Deutschland, die die Gefahr des Hakenkreuzkultes, die da heraufkam, früh erkannten und bekämpften. Mein Wohnsitz München war die Wiege des Nationalsozialismus und die Stätte, da Herr Hitler seit 1920, noch verkannt und sehr gering, angetan mit einer schäbigen grauen Windjacke, meist ohne Hut, in der Hand eine Reitpeitsche – er ritt nie, hatte auch keinen Hund – in Versammlungen als Redner auftrat und fleißig hetzte« (S. 9).
Eindrucksvoll auch der Bericht, wie eine von Anita Augspurg, Lida Gustava Heymann und Ellen Ammann geführte Frauendelegation aller Parteien und Richtungen, nachdem Hitler Weihnachten 1924 aus der Haft in Landsberg am Lech entlassen worden war, auf den bayerischen Justizminister Dr. Schweyer aufs dringendste einzuwirken versuchte, er solle ihn außer Landes weisen, also zurück nach Österreich abschieben: »Der Minister zuckte die Achseln, und die Unterredung endigte nach eineinhalb Stunden – ohne Erfolg. – Wie oft wird Dr. Schweyer, dem später, unter der Herrschaft Hitlers, übel mitgespielt wurde, an diese Warnung der Frauen gedacht haben …« (S. 76).
Aus der unerschöpflichen Quelle, die Constanze Hallgartens »biographische Skizze« darstellt, sei nur noch eine kleine, aber feine Begebenheit herausgegriffen: Als Alfred Hermann Fried, der Friedensnobelpreisträger des Jahres 1911, starb, gab es in Wien noch kein Krematorium, »so kam Fried’s Leiche zur Einäscherung nach München« (S. 48). Eine der Grabreden schließlich hielt Constanze Hallgarten.