»Das einzige, was man überhaupt noch lesen kann«

Hamburg, 3. Februar 2022, 10:43 | von Dique

Irgendein Redakteur erzählte mir neulich, dass Christian Kracht seine Zeitung gelobt habe, und insbesondere das Feuilleton darin. Das sei das einzige, was man überhaupt noch lesen könne. Und ich sagte nichts und freute mich aber sehr, weil es mich an eine ähnliche Geschichte erinnerte.

Und zwar lebt Christian Kracht ja immer irgendwo anders, einmal aber wohnte er ganz konkret in Italien, genauer in Florenz. Das hatte damals irgendjemand erzählt oder ich hatte es irgendwo gelesen, jedenfalls hatte ich es irgendwie im Hinterkopf, als ich dann selbst in Florenz war.

Wir übernachteten in einem Apartment mit Blick über die Piazza della Repubblica vis à vis zum Caffè Gilli. Diese Nähe nutzten wir aus und tranken jeden Morgen einen Kaffee an der dortigen Bar. Meine spanische Begleiterin hatte natürlich keine Ahnung, wer Christian Kracht ist, als ich ihr beiläufig, ein bisschen verträumt in die Gegend schauend, von dem »autor suizo« erzählte, den ich so gern lese und der gerade in Florenz lebt, supuestamente.

Denn manchmal spürt man ja, dass man etwas Nebensächliches doch kurz erzählen sollte, weil es gleich noch eine Rolle spielen könnte. So auch hier.

Neuer Morgen, neuer Trip an die Bar des Gilli. Und dann trat die berühmte Regisseurin Frauke Finsterwalder, die Ehefrau von Christian Kracht, ins Café, stellte sich neben uns und gab eine Bestellung auf. Ich war weder ihr noch ihrem Mann je persönlich begegnet, doch erkannte sie sofort, und da sie zwei Getränke bestellt hatte, war mit einem weiteren Gast zu rechnen.

Zu meiner Begleiterin sagte ich leise, believe it or not, aber neben dir, das ist die Frau des »autor suizo«, den ich neulich erwähnt habe, »ya sabes, el que se mudó a Florencia hace poco«.

Kurz darauf trat dann auch tatsächlich Christian Kracht hinzu. Wir hatten in einer unwichtigen Sache einmal korrespondiert, und ich wusste, dass er Paco kannte, und als dessen Freund stellte ich mich kurz vor, nachdem ich zwei Schritte in Richtung der Kracht-Finsterwalders unternommen hatte.

»Oh ja, Paco vom ›Umblätterer‹«, sagte Kracht, »ganz wunderbar. ›Der Umblätterer‹ ist ja das einzige, was man überhaupt noch lesen kann.«

Wir lachten alle sehr laut, ein Lachen, das ich meiner Begleiterin später nicht wirklich erklären konnte, und unterhielten uns noch einen Moment. Die Tochter der beiden war wohl gerade im Kindergarten und spielte eine Biene in einer Kinderaufführung oder so ähnlich, und da wir auf dem »Umblätterer« gerade unser Panorama des Hundertseitigen Buches angestoßen hatten, erwähnte Kracht, dass »Faserland« ja quasi auch nichts anderes als ein Hundertseiter sei.

Na ja, und so zieht Christian Kracht nun durch die Lande und erzählt allen, dass ihre Publikationen und Schreibereien ja überhaupt die einzigen seien, die man noch lesen könne, und hält sich damit die Welt vom Hals.
 

2 Reaktionen zu “»Das einzige, was man überhaupt noch lesen kann«”

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  2. Facebookuser

    Christian Kracht auf Facebook über Der Umblätterer (2022)

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