Moritz Baßler und der Schoko-Igel
Konstanz, 13. Dezember 2008, 09:00 | von MarcuccioDass Kracht seine S.S.R. als grandiose Spielzeug- und Modelleisenbahn-Kulisse aufbaut, ist das eine. Das andere ist der Schoko-Igel auf S. 46! Der ist natürlich ganz große Deko in Krachts Suisse en miniature.
Ich habe mich, nun ja, tierisch gefreut, dass wenigstens Moritz Baßler das Utensil in seiner Kracht-Besprechung für die letzte »Literaturen« erwähnte. Unter anderem wegen Baßler kann und soll man ja mindestens immer dann, wenn ein neues Kracht-Buch erscheint, mal in die »Literaturen« schauen. Baßler spricht von einem »Roman für Spurensucher«, der eine akribische Lektüre lohnt:
»Viele Anspielungen (…) sind wahrscheinlich nur für Schweizer zu decodieren.«
Und als wollte er genau das beweisen, nennt er im nächsten Satz »die Schoko-Igel aus ›Es geschah am hellichten Tag‹«. Aber versteht sich der eine Igel, den der einbeinige Soldat an den Kommissär verkauft, nicht vielmehr als Reminiszenz an die Expo 1964 in Lausanne?
Damals präsentierte sich die wehrhafte Schweiz als Nation, die sich im Ernstfall nach innen zusammenrollt wie ein Igel. Was für ein Symbol für den Mythos Réduit!
Dass das Einigeln als Verteidigungsstrategie im wirklichen militärischen Klammergriff mindestens so zusammengeschmolzen wäre wie ein Schokoladen-Igel in der Hand, ist natürlich so »niedlich« wie das gleichnamige Klischee, das von den Schoggi-Beuteln der Migros bis zur Swissminiatur in Melide schweizweit verkauft wird.
Dass die Verteidigung der Schweiz zudem auf Black Power setzt, macht den Kracht-Schoko-Igel zur zartesten Versuchung, seit es Cover-Versionen literarischer Symbole gibt.