Lost: 5. Staffel, 3. Folge

London, 6. Februar 2009, 11:12 | von Dique

Achtung! Spoiler!
Episode Title: »Jughead«
Episode Number: 5.03 (#88)
First Aired: January 28, 2009 (Wednesday)
Deutscher Titel: »Die Bombe« (EA 23. 4. 2009)
Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)

Es wurde ja schon in den ersten beiden Folgen amtlich, und Paco äußerte bereits unsere Zweifel an dieser narrativen Wende und dem langsam sichtbar werdenden Gesamtkonzept: »Lost«, das gute und schöne, ist nun eine Hardcore-Zeitreise-SciFi-Serie geworden.

In Folge 3 wird uns das nun noch einmal von Faraday persönlich klar und deutlich unter die Nase gerieben. Er und ein paar andere sind samt Insel im Jahr 1954 gelandet, dort findet sich eine Wasserstoffbombe (der titelgebende »Jughead«), und Faraday verklickert einer besorgten 1954erin angesichts dieser Bedrohung:

»50 years from now, this island is still here! (…) 50 years from now, me and my … me and my friends, that’s where we’re from, okay? And, here’s the key, everything’s fine! I’m not saying it’s perfectly fine, but there hasn’t been any atomic blast, all right?«

Diese Message enthält noch einmal die Quintessenz der Zeitreiserei in »Lost«, ausgesprochen von Faraday in Folge 1: »You cannot change anything. You can’t. Even if you tried to, it wouldn’t work.« Aber besser macht es das auch nicht.

Später in der Folge und immer noch im Jahr 1954 wird Locke den ewig gleichaltrigen Richard und die frühen Others treffen. Locke wird aus dieser Situation unfreiwillig durch einen lichtumkränzten Zeitsprung erlöst. Die Zeitreisegesellschaft steht plötzlich auf einer einsamen Wiese, auf der sich eben noch die Militärzelte der Others befanden. Hier wirkt auch die Tricktechnick überartifiziell. In diesem bitteren Moment wünscht man sich, noch mal in eine alte Staffel zurückzureisen, ohne diese Entwicklung erahnen zu können.

Aber wir wollen nicht so hart ins Gericht gehen, let’s face facts, also hin zum Anfang der Folge. Penny und Desmond bekommen ein Kind. Das passiert drei Jahre nachdem Desmond zusammen mit den Oceanic Six die Insel verlassen hat. Die 6 Außerinsularen bekommen wir in dieser Folge übrigens gar nicht zu Gesicht, und für Critik en séries funktioniert das auch sehr gut: »la série fonctionne parfaitement bien et même mieux sans la présence des Oceanic 6«. In der Off-the-Island-Handlung geht es also dieses Mal ausschließlich um Desmond und Penny.

Aber vor allem um Desmond, denn der hatte sich im Finale von Folge 1 in einem Traum daran erinnert, dass Faraday einst an die Tür vom Hatch klopfte. Desmond hatte in diesem gelben Schutzanzug geöffnet und Faraday ihn bekniet, dass er in der Zukunft seine, Faradays, Mutter finden müsse, in Oxford, um den Oceanics zu helfen. Er sagte das ohne Erklärung, mehr Zeit blieb nicht, denn auch hier kam dieser blöde Lichtstrahl, der die Zeit verschiebt.

Wir folgen dann Desmond bei seiner Suche und seinem Entschluss, auf die Insel zurückzukehren. Er muss es tun, er kann nicht anders, und das ist der alte Desmond, auch wenn er in Oxford mit einer ziemlich beknackten Sonnenbrille aufläuft und so aussieht, als wolle er unbedingt auf das Cover einer alten Bon-Jovi-Platte. Aber egal, das ist der Desmond mit einem Ziel, unaufhaltsam.

Doch so ähnlich hat er Penny schon einmal verlassen, auch da war es dieser karthatische Sturm und Drang, und ebenso unaufhaltsam muss er nun seinen Idealen folgen. Als Penny eingewendet hatte, dass es doch nur ein Traum gewesen sei, und fragte, warum das jetzt nach drei Jahren noch nötig sei, antwortete er diabolisch und mit der Kamera auf Close-up: »It wasn’t a dream, Pen, it was a memory!«

Solche Szenen gehören immer noch zu den Stärken der Serie, auch wenn diese wieder ein bisschen mit Schicksalhaftigkeit überzeichnet daherkommt. Die darin liegende Tragik ist aber spannend, denn wie Schillers »Taucher« fordert Desmond nun zum zweiten Mal sein Abenteuerglück heraus, und diesmal ist alles doch ein bisschen anders, denn die beiden haben ja einen kleinen Sohn.

Kurioserweise heißt eben dieser Sohn Charlie. Man fragt sich warum, heißt doch der Unsympath Widmore, Pennys Vater, auch Charles, und beide halten sich vor dem alten Stiesel ja versteckt, warum also geben sie ihrem Sohn seinen Namen. Allerdings entpuppt sich die Namensgebung dann doch eher als Hommage an Charlie, Rockmusiker-Charlie, welcher in der Looking-Glass-Station ertrinken musste. An den sich opfernden Charlie, dessen Ende Desmond immer wieder verzweifelt prophezeite und der dann in dem Moment starb, in dem Penny und Desmond zum ersten Mal wieder Kontakt aufgenommen hatten.

Zu Beginn jeder Staffel gibt es neue Figuren. In der 2. waren es die Überlebenden aus dem Heck, neben Ana Lucia natürlich der fabelhafte Mr. Eko. In der 3. waren es die sogenannten Others (warum werden die eigentlich immer noch Others genannt, jetzt wo sie eigentlich allen bekannt sein sollten; haben die keinen eigenen, anderen, other, hehe, Namen?). In der 4. Staffel waren es dann die Soldaten vom Freighter. Und nun, ganz Zeitreise, lernen wir zum Beispiel den jungen Charles Widmore kennen, welcher von John Locke im 1954er Others-Camp mit einem wissend grinsenden »Nice to meet you!« gegrüßt wird.

Und noch ein neues Pferd gibt es im Stall, eines, wie ich hörte, das für so einige auch als einziger Grund zum Weiterkucken ausreichen würde: Ellie. Wie aus dem Nichts taucht sie aus dem Inseldschungel auf, im Military-Chic, mit britischem Akzent und bösem Jungfernblick. Das mag alles ziemlich abgedroschen sein, aber das sind die verspielten Urmomente der Serie, und die sind immer noch sehr gut und sehr packend. Also ein bisschen back to the roots, Ur-»Lost«: Eine Dschungelszene, Gefahr droht, und plötzlich ist da wer, in diesem Fall jene Ellie, auf dem Kopf ein Aushilfs-Timoschenko-Flechtwerk.

Zur Abkühlung zurück in die Zukunft, aber ehrlicherweise ist es ziemlich egal, wie, wann und wo wir auf dem Zeitstrahl eingeklinkt werden. Wir sind mit Desmond in Oxford, und sein Besuch fällt etwas billig aus: Einen Faraday hat es dort angeblich nie gegeben (er wird totgeschwiegen), sein altes Büro ist mit einem billigen »Danger!«-Hinweis abgesperrt, einem verplombten Schloss, welches Desmond einfach aufknackt, und drinnen sieht er das alte Equipment, unter Planen versteckt.

Der neugierige Des wird dann aber vom Hausmeister gestellt, der ihm erzählt, dass er nicht der erste sei, der sich für Faradays Experimente (»to send rats‘ brains back in time«) interessiert. Er solle nun abhauen und seinen Kumpels erzählen, hier sei nur »rubbish left behind by a madman«. Außerdem wird erwähnt, dass Faraday irgendeinem »poor girl« etwas angetan hat. Desmond sucht sie auf, eine bettlägerige Theresa, die durch Faradays Experimente irgendwie zeitreisegeschädigt zu sein scheint.

Jedenfalls kann Desmond nicht wie verlangt Faradays Mutter ausfindig machen und sucht daher seinen ungeliebten Schwiegervater Widmore auf, der Faradays Experimente finanziert hat. Dort gibt es wieder eine kleine, nette Freakigkeit zu entdecken, nein, nicht die Türme des Barbican Centre, in dem ich erst letzte Woche das LSO »Death and Transfiguration« habe spielen sehen, sondern ein großes und breites »NAMASTE«, das in den oberen Bereich des abstrakten Gemäldes in Widmores Büro geschmiert ist.

NAMASTE! So wurden Ben und sein Vater, der es dann nur zum Workman brachte, bei ihrer Ankunft auf der Insel begrüßt. Namaste. Desmond erfährt nun von Widmore, dass Faradays Mutter in Los Angeles ist (was für ein Zufall, da sind auch die Oceanic Six), und er bekommt sogar ihre Adresse. Widmore warnt ihn auch, dass er sich und das Leben seiner Tochter Penny aufs Spiel setze. Desmond will daraufhin seine Idee begraben (wohl nicht wirklich), aber die einsichtige Penny weiß, dass es ihm keine Ruhe lassen wird, und will ihn begleiten. Ok, das wäre beschlossen.

Auf der Insel geht es derweil heiß her. Wie gesagt, wir hängen auf Kerbe 1954 auf dem Zeitstrahl und erleben die Begegnungen mehrerer versprengter Gruppen: Zunächst werden Faraday, Miles und Charlotte von Ellie und zwei anderen in Militäroutfit gefangen genommen. Sie werden ins Camp geführt und treffen dort Richard, welcher etwas von Angriffen von US-Soldaten erzählt und der oben erwähnten Atombombe, von welcher kurioserweise auch Faraday schon zu wissen vorgibt.

Er lässt sich von Ellie, Gewehr im Anschlag, dorthin führen. Die Bombe hängt in einer Holzvorrichtung und passt ganz wunderbar zum tiefen Inselgrün. Faraday stellt fest, dass die Bombe ein Leck hat und demzufolge Gefahr im Verzug ist. Faraday ist allein mit Ellie, welche ihn at gunpoint hält, doch dann tauchen Sawyer und Juliet auf und gewinnen die Oberhand.

Schon in der letzten Folge, direkt nach der Attacke mit den brennenden Pfeilen, waren Juliet, Saywer und schließlich Locke einer anderen Others-Truppe begegnet. Durch Lockes überraschendes Auftauchen hatten sie die Oberhand behalten und zwei Gefangene gemacht, welche sich allerdings wenig kooperativ zeigten und zeigen.

Sie unterhalten sich dann auch noch relativ munter auf Lateinisch, und da spricht Juliet einfach mal mit, auch in Lateinisch, denn anscheinend ist das große Latinum bei den Others eine Voraussetzung zum Beitritt, und Juliet ist bzw. war bzw. wird ja, wie verwirrend, auch eine Other. Das Latein hat natürlich trotz klassischen Einschlags (›c‹ als [k] gesprochen usw.) einen derben englischen Akzent und erinnert damit etwas an den Song »Momento Mori« von Mike Skinner:

Mementow morrei, mementow morrei
It’s latin and it says we must all die

Weil sich der eine Other (Cunningham) auf ein Gespräch mit Juliet einlässt, bricht ihm sein gestrenger Kamerad so aus der kalten Hinterhand heraus das Genick und flieht in den Dschungel. Später erfahren wir dann, wie gesagt, dass es sich bei dem Mörder um den jungen Charles Widmore handelt. Und dann eine herrliche Szene: Locke hat die Chance, auf den Fliehenden zu schießen, aber er setzt das Gewehr ab und antwortet auf Sawyers entrüstete Frage, warum er es denn nicht getan habe: »Because he’s one of my people.« Denn Locke wird ja ein paar Jahrzehnte später der Chef der Others, und diese Stellung verpflichtet, auch während einer Zeitreise.

Locke muss übrigens dringend mit Richard sprechen, da er ihm sagen muss, wie man von der Insel herunterkommt, aber das sei »privileged information«, und bevor sie warm werden und überein kommen, sind wir wieder am Anfang dieses Textes: Das Camp verschwindet im Lichtschein, übrig bleiben nur noch Locke, Juliet, Miles, Sawyer, Faraday und Charlotte (man könnte sie die Island Six nennen).

Locke ist wegen der verpassten Chance völlig verstört und schaut sich auf der leeren Wiese um, auf der sich eben noch das Camp der Others befand. Hoffentlich sind die 6 zeitlich nicht am Sankt-Nimmerleins-Tag gelandet! Charlotte jedenfalls bricht unter Nasenbluten zusammen, und hier endet Folge 3 der 5. Staffel.

Eine Reaktion zu “Lost: 5. Staffel, 3. Folge”

  1. MK

    Hoffentlich geht es dann mit LOST nicht weiter wie in Mike Skinner’s Track: „…I tried it for a while / it’s a load of boring shite / so bye-bye-bye“

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