Autorenbranding 2.0:
Der Buchhändler Hanns-Josef Ortheil

Konstanz, 6. März 2009, 01:17 | von Marcuccio

Ich weiß, ich wollte nie mehr 2.0 sagen. Aber für Hanns-Josef Ortheil muss ich noch einmal eine Ausnahme machen.

HJO will in seinen beiden Wohnorten, in Stuttgart und Wissen an der Sieg, eigene Buchhandlungen eröffnen. Besondere Buchhand­lungen, denn gemäß Statuten wird/soll nur das in den Läden käuflich zu erwerben sein, was von HJO eigens zum Kaufen und Lesen ausgewählt wurde:

Andere Bücher gibt es in dieser Buchhandlung nicht, sie können auch nicht bestellt werden.

Für eine Branche, die sonst schon Angst hat, einen vor dem Erstverkaufstag nachgefragten Kehlmann nicht bedienen zu können, klingt das ziemlich radikal. Letztlich setzt HJO aber auch nur fort, was andere längst vormachen, MRR packt bekanntlich jeden Kanon-Koffer mit seinem Konterfei ein.

HJO als Flagship-Store

Wenn mit HJO nun erstmals ein richtig gediegener Autor seinen Marken-Shop eröffnet, lässt das eigentlich nur die ganzheitliche Assoziation von Buch und Tuch zu, die sein Kollege Hans-Ulrich Treichel im »Börsenblatt« postete:

Werter Kollege!
Von Herzen alles Gute für Ihr Projekt!
Führen Sie auch zufällig senfgelbe Hosen?

Herzlichst

Ihr
Ulli

Ich aber sage: Wenn HJO es wirklich ernst meint, dann wird er neben der Hosenabteilung vor allem auch im Gastro-Konzept neue Maßstäbe setzen – und hoffentlich keine weitere Buchhandlung mit Espresso-Bar eröffnen. Vielmehr sollte der Kalbsbratwurst-Erzähler Ortheil vielleicht die erste Buchhandlung mit Grilltheke einrichten. Das dazugehörige Event sehe ich buchstäblich schon auf der Kreidetafel vor mir (und für sowas kommen die Leute, die sonst Bodo Kirchhoff am Gardasee besuchen, auch nach Wissen an der Sieg!):

Heute

12–13 Uhr
Hanns-Josef Ortheil grillt die Wurst zu und aus
seinem Buch »Das Verlangen nach Liebe«.
In senfgelber Hose, versteht sich.

4 Reaktionen zu “Autorenbranding 2.0:
Der Buchhändler Hanns-Josef Ortheil”

  1. Gregor Keuschnig

    Herrlich diese Reaktionen! Herr Ortheil möchte eine Buchhandlung eröffnen und Herr Treichel fragt nach Hosen. Also muss es eine Buchhandlung geben, in der Herr Treichel seine Hosen kauft. Oder einen Hosenladen, der auch Belletristik führt. Bei den Manchesterhosen das Gesamtwerk von Grass. Und die „Outdoor“-Kleidung von Chatwin und Jack London flankiert. Ich stelle mir gerade Herrn Treichel beim Einkaufen in der Metzgerei vor: Da fragt er dann nach Briefpapier. Oder in der Sauna nach Himbeereis.

    Die Ortheil-Buchhandlung würde ich begrüssen. Sie wächst natürlich stetig, denn der Autor und Kaufmann würde bemüht sein, immer mehr Bücher einzugliedern. Bitte auch noch zur besseren Orientierung auf dem Schmutztitel noch eine Note aufführen (z. B. „1,6“ oder „2,3“).

  2. Ingeborg

    Lieber Herr Ortheil,

    DAS geht schief – mit Bomben und Granaten!!!!! Wie oft habe ich mich in 50 Jahren Buchhandel in einem Titel geirrt.

    Und dann nicht mal bestellen wollen.

    mfg iho

  3. der flaneur

    ach bitte, laßt uns doch ein bißchen dekadent sein!
    ein spiel! nur für uns sowieso abseitige… stil! eleganz!
    grad wenn’s jemand uns schenken will, dem’s nicht arg weh wird, falls es danebengeht…

  4. Fritz Brett

    Nette Idee. Ich könnte mir vorstellen, dass es weitere Regale im Laden gibt, wo Bücher stehen, die von anderen Leser-Schriftstellern empfohlen werden. Das wäre dann eine „Autorenbuchhandlung“ im neuen Sinne. Ortheil könnte von Zeit zu Zeit andere Schriftsteller anschreiben und um eine entsprechende Liste bitten. Letztlich eine Buchhandlung mit einem anderen Gliederungsprinzip. Was die wirtschaftliche Seite angeht, ist es leicht, das Desaster zu prophezeien. Aber mal abwarten.
    Übrigens könnten „normale“ Buchhandlungen die „Ortheil-Ecke“ einrichten und so die Auswahl bei sich spiegeln.

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