Tarzan und das deutsche Feuilleton
Paris, 24. August 2009, 10:56 | von PacoNachdem ich mehrfach dazu aufgefordert wurde, war ich nun endlich einmal im Musée du Quai Branly, um mir die »Tarzan!«-Ausstellung anzusehen. Ich mäanderte den verschlungenen Eingangspfad nach oben und ging immer dem Gejodel nach: Iaaaiaiaaaiaiaaa!
Alles begann 1912 mit E. R. Burroughs‘ Roman »Tarzan of the Apes«. Es folgten 25 weitere Bände mit immer absurderen Plots. In »Tarzan and the Lost Empire« (1929) etwa findet der Lendenschurzträger mitten im afrikanischen Urwald einen alten Außenposten des Römischen Reichs, der dort die Jahrtausende überdauert hat, und wird sofort in die Arena geschubst, wo er allerlei wildes Getier bewältigen muss.
Die künstlerische Verarbeitung der Figur übernahmen die Filmstudios und Comic-Zeichner, mit deren Produkten die Pariser Ausstellung dann auch vor allem bestückt ist. Überall flimmern Filmausschnitte und prangen flächenweise Originalzeichnungen. Soweit die Sachlage, die auch vom tarzanbegeisterten deutschen Feuilleton aufs Genauste geschildert wurde, denn es gab (mindestens) fünf hauptamtliche Rezensionen:
Sascha Lehnartz: »Tarzan hangelt sich von der Liane in die Vitrine«, WELT, 26. Juni 2009
Werner Spies: »Ich Tarzan, du Leser«, FAZ, 6. Juli 2009
Johannes Willms: »Sexprotz im Dschungel«, SZ, 11. Juli 2009
Martina Meister: »Der Schrei des Menschenaffen«, FR, 14. Juli 2009
Samuel Herzog: »Jungfer im Grünen«, NZZ, 25. Juli 2009
Der persönlichste und sprachgewaltigste Artikel ist der in der NZZ. Unter all den eindrucksvollen Jugenderinnerungen, schönen Metaphern und Wortfindungen (»tarzanös«) kommt sogar ein Kalauer ziemlich gut, nämlich wenn der Autor rhetorisch fragt, ob an den Affenmensch-Storys nicht womöglich der »Tarzahn der Zeit« genagt habe.
In der FAZ gibt es einen veritablen Essay zum Thema, der sich gut wegliest. Werner Spies zieht erwartungsgemäß auch ein paar überraschende kunsthistorische Vergleiche. Zur »Haken schlagenden Strichführung« der Comics schreibt er: »Die Lianen, grafische Lassos, lassen an die ›écriture automatique‹ der Surrealisten denken.«
Martina Meister in der FR findet die Schau zu kuschelig. Die tarzanischen Abenteuer seien beispielsweise an keiner Stelle mit Burroughs‘ Eugenik-Interesse abgeglichen worden. Am Mythos habe man eben nicht kratzen wollen, ganz im Gegenteil: Am Ende des Parcours wird Tarzan als Öko-Held aktualisiert, der auf den Urwald aufpasst und ihn vor äußeren Gefahren schützt.
Sascha Lehnartz in der WELT hat einen sehr, sehr schönen Satz gefunden, um seine Gelangweiltheit auszudrücken: »Das Ganze wirkt wie ein mit Requisiten ausstaffierter Schulaufsatz.«
Johannes Willms sieht das genauso. Die SZ hat wie so oft die beste Überschrift (»Sexprotz im Dschungel« – superst!), dabei aber den schlechtesten Artikel. Denn Willms doziert vor sich hin und kommt erst im vorletzten Absatz auf die Ausstellung selbst zu sprechen, die er für »harmlos« und »reichlich unspektakulär« hält. Was letztlich auch stimmt.
Noch bis 27. September.
Bild: Wikimedia Commons.