Fußball-Feuilleton (Teil 3):
Die Nazis der Schweiz
Konstanz, 1. Juni 2008, 10:57 | von Marcuccio
Die taz hat vor allem bundesdeutsche Leser, und also musste Tobi Müller die Sache in der Eurokolumne (I) schon mal kurz erwähnen: Die Sache ist nämlich die, dass Helvetien bei internationalen Turnieren, sowohl neulich beim Eishockey wie auch jetzt zur Fußball-EM, ganz offiziell von Nazi-Spielern vertreten wird.
In der eidgenössisch-landschaftlichen Koseform wird »Nationalmannschaft« nämlich »Nati« geschrieben und »Nazi« gesprochen (jedoch mit kurzem –a–, also »Nazzi«). Und so gibt es, zumindest mündlich, einen Nazi-Sturm, Nazi-Verteidiger, einen Nazi-Trainer (der ja bald Ottmar Hitzfeld heißt) usw. Schriftlich macht das –t– anstelle des –z– im schriftlichen Nachrichtenverkehr also Sinn, sonst blieben Schlagzeilen wie diese ja wirklich grenzwertig:
Und dann fällt mir in diesem Zusammenhang auch immer dieses Stück Schweizer Fernsehgeschichte ein (ich transkribiere aus »Stuckrad bei den Schweizern«, Folge 7):
BENJAMIN VON STUCKRAD-BARRE im Zug (blättert Zeitungen, schnellt von seinem Sitz hoch und fragt): Gibt’s hier eigentlich ne Fußball-Nationalmannschaft?
Schweizer antworten spontan längst nicht auf alles, schon gar nicht auf pöbelnde Deutsche im Zug.
STUCKRAD-BARRE (zu einer Mitreisenden am gegenüberliegenden Fenster): Sagt man hier Nati zur Nationalmannschaft?
DIE MITREISENDE: Nazi.
STUCKRAD-BARRE: Nazi? Also, das ginge bei uns nich‘. Das ginge nicht bei uns in Deutschland. Da könnte man nicht sagen: Die Nazis haben heut gewonnen … Sagt man wirklich Nazi hier. Die Nazi?
DIE MITREISENDE: Jaja, das ist einfach Dialekt.
STUCKRAD-BARRE: Bei uns sagt man: Nazis raus. Is ja lustig.
Er blättert weiter Zeitungen, bleibt auf einer Seite hängen und liest laut vor:
STUCKRAD-BARRE: Polizei hebt Bande junger Neonazis aus. Hier, sind ja auch Nazis. Neonazis. (Er zeigt auf einschlägige Szene-Outfits.) Die U21 mit ihren Trikots.
Usw. usf.
Am 3. Januar 2010 um 11:40 Uhr
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