Lost: 4. Staffel, 13. und 14. Folge
Rom, 9. Juni 2008, 17:43 | von PacoAchtung! Spoiler!
Episode Title: »There’s No Place Like Home (Parts 2+3)«
Episode Number: 4.13+14 (#84+#85)
First Aired: May 29, 2008 (Thursday)
Deutscher Titel: »Die Rückkehr, Teil 2+3« (EA 7./14. 9. 2008)
— Umblätterers Episodenführer (Staffeln 4, 5 und 6)
Mit diesem Doppelfolgenschlag endete vor gut zwei Wochen die episodenmäßig leicht verkürzte 4. »Lost«-Staffel. Hinsichtlich des großen Storybogens mischt sich das Zeitreisenthema mit dem Thema des Wegbeamens von eigentlich fest in der Gegenwart verankerter Materie. Diese Space-Komponente ist neu und kommt in dieser Folge als Versetzung der Insel daher, so wie sie Ben, Locke & Co. in Jacobs Hütte aufgetragen worden war: »We gotta move the island.« (Folge 11)
Es bleiben nur noch 2 Staffeln, um uns das Insel-Mysterium plausibel zu erklären, und in der 4. Staffel, vor allem in Folge 5 (»The Constant«), wurde alles Richtung SciFi-Hokuspokus verschoben. Was zu dem als Robinsonande mit psychologischer Tiefenwirkung gestarteten »Lost« nicht so recht zu passen scheint.
Bisher hatte ich die Mystery der Serie ganz anders interpretiert: Wenn gleich in Folge 1.02 der berühmte »Lost«-Eisbär durch den Jungle rast oder in Folge 1.05 Jacks eigentlich toter Vater auf der Insel erscheint, dann hielt ich das für magischen Realismus in der Tradition von García Márquez‘ »Hundert Jahre Einsamkeit«. Mittlerweile wird dieser magische Realismus durch waschechte Science-Fiction-Elemente übertönt, auf die wohl auch alles hinauslaufen wird. Wobei zunächst auch stimmt, was sablog zur Teleologie der Serie anmerkt:
»Das Wichtigste ist wohl, dass man als Zuschauer wieder das Gefühl hat, dass dies alles irgendwo hinführt und dass es wirklich einen größeren Gesamtzusammenhang gibt und die Autoren nicht planlos vor sich hin spinnen.«
So viel zum Gesamtkonzept. Noch kurz zum großen Cliffhanger, der die 4. Staffel beschlossen hat: Lockes Beerdigung im Flashforward, außerhalb der Inselwelt. Diese Szene, die uns bis Januar bei der Stange halten soll, ist freilich nicht so stark wie die Entdeckung des Hatch am Ende von Staffel 1 oder der erste Flashforward am Ende von Staffel 3.
Trotzdem wirft der Blick in den Sarg genügend Interpretationsspielraum auf, der wohl demnächst das Thema ›Auferstehung‹ auf den Plan rufen wird. Denn auch wenn »Lost« dafür bekannt ist, einfach mal ein paar Hauptcharaktere zu killen, wird keiner ernstlich glauben, dass auch Locke endgültig dem Drehbuch geopfert wurde.
Nun zu einigen Details, die auch die Episoden 13 und 14 wieder ein echtes »Lost«-Erlebnis haben werden lassen. Gleich der Beginn der Doppelfolge ist fulminant: Die Others überfallen den Keamy-Trupp. Kurz darauf kommt es zu einer der besten Kampfszenen bisher: Sayid rennt Keamy um, der Ben und Kate verfolgt. Es geht hin und her, bis Keamy hinterrücks von Richard abgeschossen wird.
Ben: Thank you for coming, Richard.
Richard: My pleasure.
Zum Dank lässt Ben, der Insel-Gentleman, Kate und Sayid gehen, »the helicopter is yours, … have a safe journey back!« Die beiden gabeln noch Jack und Sawyer auf und heben ab Richtung Frachter. Die Treibstoffanzeige bewegt sich schnell Richtung Null, und Chopper-Frank meint, dass man ein paar Dinge rauswerfen solle, damit die Chopper leichter werde. Ein paar Metallkoffer usw. klatschen ins Meer. Als ob das helfen würde, Gallonen an Benzin zu sparen.
Also muss sich jemand opfern und zwar – Sawyer, aber erst nach ein paar Flüsterworten, die er Kate zuraunt und mit einem »Just do it!« bekräftigt. Er springt hinaus in den Ozean, taucht wieder auf und schwimmt zurück zur Insel. Am Strand trifft er auf Juliet.
(Für Sawyers Flüsterworte kursiert inzwischen eine plausible Verständnisvariante. Wahrscheinlich sagt er zu Kate: »I have a daughter in Albuquerque, I need you to find her, tell her I’m sorry.« – Könnte durchaus so stimmen, denn in Folge 2.04 hatte Sawyer von der Existenz seiner Tochter Clementine erfahren, die er zusammen mit einem seiner Betrugsopfer gezeugt haben soll. Die Kleine und ihre Mutter leben angeblich dort, in Albuquerque, New Mexico.)
Nahe der neu entdeckten Dharma-Station ist es davor übrigens wieder zum Glaubenskampf gekommen: Jack vs. Locke. Es geht diesmal um die Möglichkeit von Wundern. »There’s no such thing as miracles«, sagt Jack. »Just wait till you see what I’m about to do«, antwortet ihm Locke.
Er hat dabei zwar schon einen Argumentationstrumpf in der Hand: seine eigene Heilung und Auferstehung aus dem Rollstuhl nach dem Flugzeugcrash. Aber diesmal meint er sicher das bevorstehende Wegbeamen der Insel. Also endlich mal ein Punkt für Locke, den notorischen Fehleinschätzer. So ist es später auch Jacks ungläubiges Gesicht, das wir als erstes sehen, nachdem die Insel dem Meeresspiegel gleich gemacht wurde.
Die auf der Insel verbliebenen Ben und Locke entern die Orchid-Station, wo wir endlich mal wieder das Interieur eines der finsteren Dharma-Bunker bestaunen können. Auch dieser hier habe für »silly experiences« der Dharma-Leute gedient, meint Ben lustigerweise. Es gibt qua Dharma-Lehrvideo ein Wiedersehen mit Dr. Edgar Halliwax (wie lange ist das her!). Er spricht von »experiments in both space and time«. Das wirkt erst mal lächerlich, und damit ist auch der befürchtete Moment da, im Klartext: Es geht irgendwie um time-travelling.
Ben bestätigt das so halb, nimmt dem SciFi-Kram gleichzeitig aber mit einem lustigen Kommentar glücklicherweise die Aura. Außerdem stopft er die geflieste Zeitreisenkammer, die von außen aussieht wie ein futuristischer Fahrstuhl, mit Metall voll, obwohl das Lehrvideo genau das explizit verbietet. Als Ben das Ding einschaltet, ist das Zeitreisenthema auch erst mal vom Tisch, denn die Kapsel explodiert – und gibt den Weg frei zum Schacht mit dem Bewegungsrad.
Unmittelbar bevor Ben dort tätig wird, übergibt er Locke die Führerschaft, denn: »Whoever moves the island can never come back.« Der alte Leader opfert sich für die Gemeinschaft und weiht den neuen Leader ganz persönlich. John wird zu den Others geschickt, die ihn mit verklärenden Augen anblicken und begrüßen. »Welcome home«, sagt Richard.
Ben gelingt es, die vereiste Drehkreuz-Kulisse zu bewegen. Die Szene wird wie bei vielen Atombomben-Filmen ins Weiße hin ausgeblendet. Die Insel verschwindet im Meer. In welcher Parallelwelt deren Bewohner landen, sehen wir vorerst noch nicht. Jedenfalls ist das schon ziemlich starker Tobak, den man für schlecht ausgedachten Proto-SciFi-Scheiß halten könnte. Andererseits wird dadurch das Zeit/Raum-Thema in neue Dimensionen getrieben.
Ach ja, Keamy hat die auf ihn abgegebenen Schüsse durch eine Schutzweste überlebt und ist Ben in die Dharma-Station gefolgt, wo er von diesem martialisch erstochen wird. Was nicht so gut ist, denn Keamys Puls hält über eine Fernsteuerung die Riesenbombe auf dem Frachter davon ab, in die Luft zu gehen.
Es wirkt übrigens sehr holzhammerartig, dass auf der Ansammlung von Sprengstoff ganz groß draufsteht: »C4 EXPLOSIVE!« Es könnte ja auch was ganz anderes darin sein, hehe. Und Desmond, Michael und Jin machen total auf MacGyver, wenn sie sich darüber unterhalten, welches Kabel durchzutrennen sei. Sie finden aber keine Lösung und können mit irgendwelchem kühlenden Sprühzeug die Explosion verzögern.
Da landet der Heli auf dem Frachter und wird wegen der akuten Gefahr sofort wieder weggeschickt, diesmal mit Sun und dem kleinen Aaron an Bord. Dann geht der Frachter hoch, BOOOM! Jin und Michael gehen dabei offensichtlich mit drauf.
Dann verschwindet ja die Insel, der Heli hat somit keinen Landeplatz, und das Ende des Treibstoffs zwingt ihn zur Bruchlandung im Meer. Die Besatzung findet komplett in das aufblasbare Rettungsboot, wobei es zunächst schlecht aussieht für Desmond, bis er von Jack reanimiert wird. Dann stößt ein Schiff auf die Notgelandeten, Penny Widmores Schiff. Es folgt ein kleines Happy End: das Wiedersehen von Penny und Desmond.
Statt einem Freudenfest gibt Jack aber an die anderen die Anweisung weiter, die ihm Locke zugesteckt hat: »We’re gonna have to lie!« Und zwar, um die auf der Insel Verbliebenen zu schützen. Deshalb schippern sie 3.000 Meilen weiter bis zur Insel Membata, wo sie aufgefunden werden. (Die falsche Verschollenheit wurde in Folge 12 der Öffentlichkeit präsentiert.)
Im Flashforward ist übrigens die ganze Doppelfolge lang von einem Jeremy Bentham die Rede. Es handelt sich um ein Pseudonym von John Locke, der auch irgendwie die Insel verlassen hat um die abtrünnigen Losties zurückzuholen. Jack in der Schlussszene zu Ben: »He told me that after I left the island some very bad things happened. And he told me that it was my fault for leaving. And he said that I had to come back.«
In der Lostpedia, die dem Benennungszinnober der »Lost«-Autoren ja immer weitschweifig Gründe unterlegt, wird die Kritik erwähnt, die der historische Bentham an der Gewaltherrschaft der Jakobiner geübt hat. Die Jacobins könnten dann subtextuell auf den mysteriösen Inseloberen Jacob verweisen. Vielleicht aber auch nicht, hehe.
Locke alias Bentham hat jedenfalls laut Sayid Selbstmord begangen, bzw.: »They said it was suicide.« Immer diese »they«!
Sun geht im Flashforward übrigens einen eigenen Weg. Sie darf vor einer bekannten touristischen Kulisse, der Londoner Tower Bridge, auftreten, wo sie als toughe Managerin der Firma ihres Vaters (Paik Industries) ein nicht näher erklärtes Kooperationsangebot an Widmore richtet. Die Schauspielerin der Sun (Yunjin Kim) ist mit ihrer Rolle übrigens nicht mitgewachsen: Man nimmt ihr das herrische Gebahren keine Sekunde lang ab.
Suns Geschichte ist ja überhaupt die eines verspäteten Coming of Age, das noch lange nicht abgeschlossen ist und das sicher nicht 3 Jahre nach dem Inselaufenthalt damit endet, dass sie mit einem wie Widmore auf Augenhöhe sprechen kann. »As you know, we’re not the only ones who left the island«, sagt sie zu ihm. Abgesehen davon, dass sie diesen Satz mit ihrer brüchigen Stimme absolut nicht ernst rüberbringen kann, ist das ziemlich schlechte Cliffhanger-Rhetorik.
Noch eine Kleinigkeit: Vor der Insel-Versetzung gab es zwischen Miles und Rose einen schönen Kurzdialog darüber, ob Miles jetzt die Dharma-Erdnüsse der Losties essen dürfe oder nicht. Das ist überhaupt das Problem dieser vollgestopften letzten Folgen gewesen: dass es viel zu wenig Interaktion gab zwischen den Nebenfiguren.
Dabei sorgt Miles etwas später für einen äußerst interessanten Cliffhanger. Er lässt gegenüber Charlotte durchscheinen, dass er weiß, dass sie schon mal auf der Insel gewesen ist. Charlotte stellt sich daraufhin dumm, aber wir sehen an ihrem Gesichtsausdruck: Da wird was dran sein. Im Gespräch mit Faraday erzählt sie kurz darauf, dass sie »still looking for where I was born« ist.
Es ist zur Abwechslung vielleicht auch mal ganz gut, dass es mehrere kleinere Cliffhanger gibt statt eines großen, der alle anderen übertönt. Wobei: Welche Informationslücke ist größer als diejenige, die den riesigen vierzehigen Statuenrest aus Folge 2.23 betrifft?
Am 10. Juni 2008 um 12:46 Uhr
aaach, und jetzt sooo lange warten auf neue analysen von p und d…. taugen delling und netzer wirklich als methadon? trauer.
Am 12. August 2008 um 11:01 Uhr
Gut geschrieben, auch wenn das pubertäre „he,he“ etwas nervt….
Am 7. April 2009 um 01:41 Uhr
wann gehts denn nun auf pro sieben weiter???????????