Die FAS vom 6. 7. 2008:
Die nackten Wandersleut

London, 9. Juli 2008, 01:18 | von Dique

Ich diskutiere noch immer mit Paco, inwieweit der Artikel »Raus aus den Klamotten, rein in den Wald« von Philip Eppelsheim in der letzten FAS (S. 58) zu ›Porno & Feuilleton‹ passen könnte. Paco meint: überhaupt nicht, und das stimmt eventuell auch.

In genanntem Artikel jedenfalls beschäftigt sich Eppelsheim mit dem zunehmenden Phänomen des Nacktwanderns und beschränkt sich dabei nicht auf die Befragung von Anhängern und Opfern (hehe) dieses Hobbys, sondern entscheidet sich knallhart für teilnehmendes Beobachten.

Er lässt also die Hosen runter und marschiert mit Socken, Schuhen, Rucksack und sonst nichts bekleidet mit einer Gruppe nackter Wandersleut durch den Wald.

»Nach zehn Minuten gibt Helmut das Kommando: ›Fertigmachen, es kann losgehen.‹ T-Shirt und Shorts fallen. Und Helmut steht da, wie Gott ihn schuf. Abgesehen von den Snoopy-Socken und den Turnschuhen.«

Die Rucksack tragenden Nackedeis auf dem zugehörigen Foto, welches der Autor selbst schoss, sehen auch einigermaßen bizarr aus.

Ich denke bei Wanderslust, im Allgemeinen nicht der nackten, an Schubert und die schöne Müllerin, aber schöne Müllerinnen scheinen dieser entblößten Lust eher selten zu frönen:

»Wobei ich mich allerdings frage, weshalb fast nur Männer jenseits der vierzig mitlaufen. Warum hat der Mann fortgeschrittenen Alters das Bedürfnis, sich zu zeigen, wie die Natur ihn schuf?«

Weil sie eben Individualisten seien und nicht 08/15, antwortet einer der Nacktwanderer.

Sechs Stunden hat Eppelsheim sich das angetan, Radfahrer und bekleidete Wanderer kamen über den Weg und sogar ein Hubschrauber zog seine Kreise über den Nackten. Eine Leidenschaft konnte er für dieses Hobby nicht entwickeln:

»›400 Meter noch.‹ Helmuts Worte – eine Erlösung. Schnell in die Klamotten. Helmut hat vorausgesagt, dass sie unangenehm zwicken werden. Tun sie nicht. ›Bist du nächste Woche wieder dabei?‹, fragt Helmut. Mein Blick verrät mich. Eher nicht.«

Von Feuilleton-Seite 1 (S. 23) strahlt ein wunderschönes Biedermeier-Familienporträt von August von der Embde (»Portrait der Familie von Ditfurth«, 1829). Die Besitztums­verhältnisse sind strittig, Johanna Adorján hat den Text zum Bild geschrieben, darin geht es weniger um das Bild selber, dessen Marktwert mit ca. 30.000 bis 40.000 Euro vergleichsweise gering ist. Es geht eher um die Geschichte drumherum, »eine deutsche Geschichte«, wie es im Untertitel heißt.

Öffentliche Nacktheit kommt mir auch immer wie eine deutsche Geschichte vor. Eine schwedische Freundin, die nur einmal in Deutschland war, in Hamburg, wurde dort von ihren Gastgebern angeblich zu einer Nacktparty in einem Schwimmbad mitgenommen. Es habe Drinks und Häppchen gegeben und alle seien nackt gewesen. Sie dachte, das sei in Deutschland normal.

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