Sergej Lochthofen: »Schwarzes Eis«
Berlin, 12. März 2010, 08:45 | von PacoHeute 18 Uhr Eröffnung der Galerien in der Heidestraße Berlin. Unser partner-in-crime, die ZERN Gallery, präsentiert Zeichnungen, Temperas und Collagen von Sergej Lochthofen (bis 20. März 2010):
Schwarzes Eis
Gestern wurde gehängt, hier schön weltexklusiv ein zugehöriges Panoramafoto (Klicken zum Vergrößern):
Sergej Lochthofen wurde 1953 in der Straflagerstadt Workuta im Nordosten Russlands als Sohn eines inhaftierten deutschen Emigranten und der Tochter eines verbannten russischen Revolutionskommissars geboren. Er studierte Anfang der siebziger Jahre Malerei an der Kunsthochschule in Simferopol auf der Krim. Nach der Rückkehr nach Deutschland arbeitete er als Journalist in der DDR.
Einem breiteren Publikum ist Lochthofen aus seiner langjährigen Zeit als Chefredakteur der Zeitung Thüringer Allgemeine bekannt. Lochthofen führte die ehemalige Parteizeitung 1990 in die Unabhängigkeit und profilierte das Blatt als eine der wenigen wahrnehmbaren Stimmen Ostdeutschlands in der gesamtdeutschen Öffentlichkeit. Im späten November 2009 erregten die Umstände seiner Demission einiges Aufsehen, als sich der 1990 von den Mitarbeitern der Zeitung gewählte Chefredakteur unter großer Anteilnahme der Leser heftig gegen seine Abberufung wehrte. In Lochthofens Zeit als Chefredakteur gewann die Zeitung mehrfach internationale Auszeichnungen für ihren grafischen Anspruch und für die herausragende optische Umsetzung von Politikthemen.
Parallel zu seiner Arbeit als Journalist hat Lochthofen kontinuierlich malerisch und zeichnerisch gearbeitet. Das zwanzigste Jahrhundert mit seinen Exzessen und der Entwurzelung von Millionen Menschen in den Bürgerkriegen Russlands liefert die Themen, die Lochthofen aus der Historie des Familienschicksals heraus publizistisch und künstlerisch fortwährend beschäftigen. Seine Sujets haben ihren Ursprung in der Weite von Lochthofens russischer Kindheit. Sie erzählen von den Reisen durch die Endlosigkeit der Steppen, von wiederkehrenden Abschieden und von Sehnsucht. Lochthofens Personal sind die Archetypen des russischen Dorfs; streunende Hunde, rasputineske Popen, verlorene Seelen im Matrosenanzug.
Die Ausstellung »Schwarzes Eis« bei ZERN in Berlin zeigt einen Aufriss der Arbeiten Lochthofens von den frühen siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis heute. Eingeordnet in einen Kontext familiärer Artefakte aus den Lagern des russischen Nordens und der südrussischen Revolutionsarmee seines Großvaters erzählen und illustrieren sie das Abenteuer und den Wahnwitz der ideologischen Modernisierung, die Lochthofens Familie aus Westeuropa in den Nordural und zurück nach Deutschland führte – eine Geschichte, die Sergej Lochthofen derzeit für ein Buchprojekt des Rowohlt Verlages aufschreibt.
Bis heute Abend,
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