Herrenlaunen

Konstanz, 13. Mai 2010, 22:08 | von Marcuccio

Früher (siehe auch Florian Illies: Generation Golf) war »Dany plus Sahne«. Heute ist »Dandy plus Käse«. Grund der neuen Milchverede­lungsstufe mit dem Extra-D ist Norma. Die Supermarktkette ediert neuerdings einen dreistückigen Formaggio-Sampler (Pecorino Sardo Maturo, Asiago Pressato, Provolone Valpadana) zum Zweitausendeins-Preis von 7,49 € und bewirbt das Ganze mit dem Oscar-Wilde-Ever­green: »Ich habe einen ganz einfachen Geschmack, ich bin immer mit dem Besten zufrieden.«

Normas neue Blurb-Offensive war schon Thema einer eigenen FAS-Expertise zu den neuen Deluxe-Linien der Discounter.

Discountmäßig nur im Doppelpack gab’s den Dandy zuletzt auch bei den Kritikern. Zunächst eine Sammelrezension in der Zeitschrift für Germanistik (2/2010), und zwar Isabelle Stauffer über

1. Melanie Grundmann (Hrsg.): Der Dandy. Wie er wurde, was er war. Eine Anthologie. Köln etc.: Böhlau 2007.
2. Fernand Hörner: Die Behauptung des Dandys. Eine Archäologie. Bielefeld: Transcript 2008.

Und dann noch ein Dandy-Duo in der FAZ (17. April 2010):

1. Alexandra Tacke und Björn Weyand (Hg.): Depressive Dandys. Spielformen der Dekadenz in der Pop-Moderne. Köln etc.: Böhlau 2009.
2. Ruth Sprenger: Die hohe Kunst der Herrenkleidermacher. Köln etc.: Böhlau 2009.

Böhlau etabliert sich mit diesem Doppelschlag als ultimativer Dandy-Verlag. So generiert man Sammelrezensionen, die man sich endlich nicht mehr mit anderen Verlagen teilen muss.

Ich hätte da aber auch noch ein Dandy-Trio:

»Dandy – Snob – Flaneur.«

Das rosarot-violette, aber ansonsten super solide Fischer-Taschenbuch von 1985 ist via Amazon zum Dandy-Discountpreis von 60 € erhältlich, hat aber all das drin, was der FAZ-Rezensent Felix Johannes Enzian im Band »Depressive Dandys« vermisst, also keywords wie Dandytum, Ästhetizismus, Snobismus, Camp, Pop- und Postmodernität nicht einfach nur synonym verwendet.

By the way feiert »Dandy – Snob – Flaneur« mit Primärtexten von Robert Walser (»Der Verfeinerte«) bis Adorno (»Herrenlaunen«) gerade 25. Die ganze Reihe (hg. von Gerd Stein), in die das Buch gehört, ist ein Kleinod – allein schon wegen der titelgebenden »Kulturfiguren und Sozialcharaktere des 19. und 20. Jahrhunderts«:

Band 1: Bohemien – Tramp – Sponti.
Band 2: Dandy – Snob – Flaneur.
Band 3: Femme fatale – Vamp – Blaustrumpf.
Band 4: Philister – Kleinbürger – Spießer.
Band 5: Lumpenproletarier – Bonze – Held der Arbeit.

Die möchte man sofort alle kennenlernen, kaufen, lesen. Also, wo bleibt die wiederaufgelegte Familiengroßpackung bei Norma oder Thalia?

2 Reaktionen zu “Herrenlaunen”

  1. Marion Fink

    Da möchte ich doch bitte Walter Benjamins Passagenwerk auch noch erwähnt wissen.

  2. Marcuccio

    Na, absolut. Das war hier sowieso als offenes Dandy-Sortiment gedacht. Und Benjamin selbstredend in dem erwähnten Fischer-TB vertreten.

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