Die neuen Comic Book Movies (Teil 2):
Iron Man

Hamburg, 21. August 2008, 07:30 | von San Andreas

(Agenda: PrologIron ManThe Incredible HulkThe Dark Knight.)

TS: What are you trying to get rid of me for? You got plans?
PP: As a matter of fact, I do.
TS: I don’t like it when you have plans.
PP: I’m allowed to have plans on my birthday.
TS: It’s your birthday?
PP: Yes.
TS: I knew that. Already?
PP: Yeah, isn’t that strange? It’s the same day as last year …
TS: Well, get yourself something nice from me.
PP: I already did.
TS: Yeah? Nice?
PP: Oh, it’s very nice, yes … very tasteful. Thank you, Mr. Stark.
TS: You’re welcome, Ms. Potts.

Iron Man? Als die Ankündigung des neuen Marvel-Films die Filmwelt erreichte, zuckte man mit den Schultern. Noch ein Superheld, noch dazu einer aus der B-Liga? Die Flaggschiffe der legendären Comic-Schmiede sind schließlich Spider-Man, der unglaubliche Hulk und die wackeren X-Men. Alle erfreuen sich in Sequels und Spin-Offs bester Gesundheit, und die Konkurrenz schiebt mit Super-, Bat- und Spider-Man ebenfalls unablässig neue Superhelden-Abenteuer ins Kino. Jetzt also noch dieser Eisenmann.

Damals ahnte noch niemand, dass der Film ein einziger Glücksfall werden würde, ein frischer Wind in Blockbuster-Gefilden, der selbst die zynischsten Kritiker reihenweise zu spitzen Schreien des Entzückens veranlassen würde: »Marvel-ous!« Sogar Roger Ebert würde sich die Höchstwertung abringen, und das will was heißen.

Wie hat es also dazu kommen können? Die Figur des Iron Man ist schließlich über 40 Jahre alt, aus welchem Grund würde sie 2008 die Leinwände im Sturm erobern? Weil sie sich wie kaum eine andere für ein Update eignet. Hatte Tony Stark im Comic seinerzeit einschneidende Erlebnisse in Vietnam, geschehen diese heute während einer Waffenvorführung im Hinterland Afghanistans.

Tony Stark ist Waffenproduzent und Genie, muss man wissen, ein Windhund, ein Titan, und ein Playboy dazu. Wer ›Howard Hughes‹ denkt, hat Recht: dessen industrielle wie gesellschaftliche Ausnahmestellung hatten Stan Lee und Larry Lieber im Sinn, als sie die Figur erfanden. Welch Klasse hat dann der Moment im Film, als der Kriegsprofiteur inmitten des detonationsreichen Überfalls auf das Label der sich bereits aufblähenden Granate vor seiner Nase starrt und lesen muss: Stark Industries. Und dann: Ka-Boom!

Die Verletzung reicht tief, ja sie bedroht – bezeichnenderweise – sein Herz, und setzt einen Prozess des Umdenkens in Gang. Vom Waffennarr zum Samariter, das klingt konstruiert, aber schließlich befinden wir uns in einem Comic Book Movie, und das Element ›Moral‹ ist hier durchaus eine Größe, über die andere Helden nicht in die Verlegenheit kommen nachzudenken. Natürlich wird Tony Stark den Teufel tun und den Terroristen, die ihn festhalten, ihre Superwaffe bauen. Stattdessen schmiedet er sich in dieser Höhle ein beeindruckendes, stählernes Exoskelett und marschiert, unverwundbar wie ein überdimensionierter Robocop, in die Freiheit.

Zurück im Konzern, setzt er umgehend bedeutende Veränderungen durch, die seinem Kompagnon, dem altgedienten Hardliner Obadiah Stane, gar nicht gefallen – womit sich der zentrale Konflikt des Films entzündet, der genre-gerecht in einem fulminanten Endkampf sein Ende finden wird. »Iron Man« unterscheidet sich jedoch von der Superhelden-Stangenware, die in der letzten halben Stunde ihr Publikum nur noch mit Effekten zu beballern pflegt, indem er die Geschichte trotz des hohen Spaß-Aufkommens unablässig und wendungsreich weiterlaufen lässt.

Hier schafft der Film das Unglaubliche: Er nimmt sich einerseits nicht besonders ernst, strotzt vor entwaffnender Ironie und herrlichem Slapstick, bewahrt andererseits aber zwischen den Zeilen eine Glaubwürdigkeit und Bodenständigkeit, die fantastischeren Stoffen wie Superman oder Spider-Man vollständig fremd ist. Hierbei hilfreich ist natürlich die Tatsache, dass Iron Man keiner übernatürlichen Begabungen bedarf, um seine Mission zu erfüllen. Geld und Grips, das ist alles, was er braucht.

Ebenso mit diesen beiden Ressourcen ausgestattet – wiewohl wahrscheinlich mit jeweils weitaus weniger – kann der Zuschauer eine unmittelbare Beziehung zu diesem ganz normalen Menschen Tony Stark aufbauen. Und der Mann ist auch noch ein echter Charakter. Den Wahnsinn immer in Reichweite, manövriert sich das Genie flapsig durch das Geschehen, gibt den gut aufgelegten Lebemann – denkt sich aber seinen Teil und hat allezeit einen sardonischen Kommentar auf den Lippen. Irony Man.

Robert Downey Jr. füllt die Rolle des Mr. Stark so perfekt aus wie derselbe seine Stahlmontur; selten hat ein Casting Director eine glücklichere Hand bewiesen als in diesem Fall. Für Downey ist Stark die folgerichtige Kulmination seiner über die Jahre entwickelten Leinwand-Persönlichkeit, man nimmt sie ihm postwendend ab, der ganze Film scheint in dieser vollkommenen Union aufzugehen.

Nicht zu schmälern sind allerdings die Leistungen des übrigen Personals: Jeff Bridges ist schlicht umwerfend als der glatzköpfige, so joviale wie verschlagene Machtmensch Stane. Seine raumgreifenden Gesten, seine PR-Grimassen, sein augenzwinkernder Duktus verschleiern die Skrupellosigkeit, die ihm innewohnt und die auch Pepper Potts in Gefahr bringt. Als Starks charmante rechte Hand entwickelt Gwyneth Paltrow eine berückende Chemie mit Downey Jr.

So wie »Iron Man« auf der Charakterebene funktioniert, klicken die übrigen Elemente des Films ineinander, dass es eine Freude ist. Es ist dies das Musterbeispiel einer ureigenen Sparte amerikanischer Filmkultur: überlebensgroßes, buntes, smartes Heldenkino, überbordend in der Optik, clever in der Dramaturgie.

Andere Kino-Nationen rühren gar nicht erst an der Vormacht­stellung Hollywoods in diesem Metier, und doch scheint das Kino fast für den Superheldenfilm erfunden. Er nimmt einen bei der Hand, führt einen in eine vorstellbare Fiktion, nur um die Realität dann aufs Vergnüglichste zu verbiegen, bedient dabei alle Sinne und lässt über profunde Doppelböden auch den Verstand nicht austrocknen. »Iron Man« zieht all diese Register und ist über weite Strecken einfach nur unfasslich cool.

Und der Schnauzbart auf dem roten Teppich, den Stark mit Hugh Hefner verwechselt? Das ist Stan Lee himself, in einem seiner lustigsten Cameos. Ein weiteres Schmankerl präsentiert sich dem geduldigen Fan erst nach den Credits: Ein knappes Rekrutierungs­gespräch zwischen Stark und S.H.I.E.L.D.-Agent Nick Fury (Samuel L. Jackson) winkt mit dem Zaunpfahl in Richtung 2011, wenn Marvels »The Avengers« in die Kinos kommen wird. Zu diesem Superheldenteam gehört neben Tony Stark auch ein gewisser Dr. Bruce Banner …

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