Die FAS vom 20. Juni 2010:
Die Sportteil-Aussortierung

Hamburg, 20. Juni 2010, 21:43 | von Dique

Beginn der Rahmenhandlung

Ich konnte die FAS nicht gleich morgens lesen bzw. nur einen kleinen Teil, denn ich musste zum Spanischkurs. Dort fragte mich meine Banknachbarin in der Pause, ob denn etwas über die HSH Nordbank in der Zeitung stehe. Sie blätterte kurz in meine Sonntagszeitung hinein und fand nichts, und als ich sie fragte, was sie denn für einen Artikel über die HSH Nordbank erwarte, verstand ich dann nicht so genau, worum es ihr ging.

Später am U-Bahnsteig begann ich mit dem Aussortieren der Zeitungs­teile. Auch während der WM bin und bleibe ich FAS-Sportteil-Aussor­tierer, obwohl ich schon mehrfach, auch von vertrauenswürdigen Bekannten, darauf hingewiesen wurde, wie gut doch die Artikel im Sportteil oft seien, besonders am Wochenende, besonders in der FAZ und in der FAS.

Die U-Bahn traf ein, ich konnte gerade noch den Sportteil herausziehen und hinter mir auf der Bank ablegen. Während der Fahrt begann ich mit dem dramatischen Wirtschaftsteil, den ich dann auch erst im Café beendete.

Der Wirtschaftsteil

Die Dramatik startet gleich im obligatorischen Interview auf Ressortseite 3 (= Seite 33), wo sich Jagdish Bhagwati zur aktuellen Finanzmarktproblematik äußert. Er hebt sich dabei angenehm ab vom viel zu populären Bankerbashing und bleibt dabei so logisch und freundlich, man hört ihn beim Lesen fast laut reden. Auf dem Foto zum Interview wirkt Bhagwati auch ungeheuer sympathisch, die beiden Zeigefinger in die Luft gestreckt, ohne Krawatte und bescheiden lächelnd sitzt er vor einer Bücherwand, deren buntgemischte Buch­rücken auf eine moderne Wirtschaftsbibliothek schließen lassen.

Ansonsten hat diese Ausgabe einen ziemlichen Benzingeruch, es geht um Autos und Öl, gleich von der FAS-Frontseite wird man in den Wirtschafts­teil hineingeteast. Die S-Klasse von Mercedes muss wieder in Sonderschichten hergestellt werden, weil immer mehr Chinesen ihre stetig wachsende Infrastruktur damit befahren möchten. Die Krise ist vorbei, ade Kurzarbeit, jetzt wird auch am Samstag geschraubt, montiert und lackiert.

Dagegen reißen bei BP die Probleme einfach nicht ab, statt der üblichen sechs rechnet man in diesem Jahr zur kommenden Hurrikanzeit mit vierzehn Wirbelstürmen. Dann wird es historisch, mit einem Gang durch die Geschichte des BP-Konzerns. Das Unternehmen wurde vor über hundert Jahren von einem spekulierenden Glücksritter begründet, der sich persische Bohrlizenzen besorgte und kurz vor der eigenen Pleite endlich Öl fand.

Bewegt ging es weiter, und dazu gibt es dann eine Menge Fotos, angefangen beim Schreibtischporträt des Gründers William Knox D’Arcy über die englische Königin bei der Einweihung des Forties-Ölfeldes in der Nordsee bis hin zum Schutzhelmfoto des unglücklichen Tony Hayward, des aktuellen Bosses des Konzerns. Gerade wurde er als Krisenmanager suspendiert und tritt gleich ins nächste Fettnäpfchen. Er entspannt wohl erst mal auf einem Segeltörn, und SPON zitiert dazu Obamas Stabschef, Rahm Emanuel: »Ich glaube, wir kommen alle zu dem Schluss, das Tony Hayward nicht vor einer Zweitkarriere als PR-Berater steht.«

Eine Umblätterung weiter geht es abermals mehr oder weniger um Treibstoff, denn der Industrielle Herbert Quandt wurde vor ca. 100 Jahren geboren und hat sich vor ca. 50 Jahren für die Sanierung von BMW engagiert, indem er sein Aktienpaket aufstockte usw., und vielleicht geht es sogar im Rückseitenportrait irgendwie um Treibstoff, um das Zaubermittel, das die 32-jährige Kristina Schröder, Mini fahrende und twitternde Familienministerin, immer wieder antreibt. Herausfinden wollte ich das aber nicht, der Ritt bis dahin war dramatisch genug, Ressortwechsel.

Schluss der Rahmenhandlung

Nun suchte ich das Feuilleton und konnte es nicht finden. Mehrfach blätterte ich hin und her, ordnete die Bücher neu – nada. Sofort verdächtigte ich die HSH-Nordbank-Interessierte aus dem Spanisch­kurs! Hatte sie sich mit ihrem Taschenspielertrick Zugang zu meiner Zeitung verschafft, um sich das Feuilleton anzueignen? Aber so was ist ja unter allen möglichen Geschehnissen auf dieser Welt nicht vorgesehen und konnte eigentlich nicht sein.

Wahrscheinlicher ist, dass das Feuilleton eben zusammen mit dem Sport auf der Bahnsteigbank gelandet ist, denn beide Ressorts werden ja in der FAS genau hintereinander gelegt. Mir war der Sportteil auch ungewöhnlich dick erschienen, aber ich hatte das auf die zusätzliche WM-Berichterstattung geschoben, irgendwelche Extras, Fußballer­figuren zum Ausschneiden und Aufstellen oder Luftballons. Nun hoffte ich, dass der Finder nicht enttäuscht war, wenn er statt Luftballons und Fußballspielern zum Basteln nur ein ungelesenes Feuilleton fand.

Soweit die Rahmenhandlung, und falls ich irgendetwas im verlorenen Feuilleton verpasst haben sollte, bitte ich um kurze Mitteilung.

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