In der Buchhandlung Thye in Oldenburg
Hamburg, 7. September 2010, 18:30 | von DiqueWir fahren von Stade über Hamburg-Harburg nach Oldenburg und werden uns dort dann gleich weiter zur Buchhandlung A. Thye begeben. Das wird dann wieder maximal zehn Minuten dauern. Die Besichtigungen gehen schnell und insgesamt wird sich Richard Deiss an diesem Wochenende 12 Buchläden angesehen haben, bei drei Besuchen werde ich dabei gewesen sein.
Deiss ist ein Enigma in seiner Liebe zu Details von allem Möglichen, zum Beispiel Bahnhöfen (Buch 1, 2, 3, 4) oder der Binnenschifffahrt. Dabei bleibt er bewusst und gern an der Oberfläche, trägt lieber zusammen als tief zu bohren und ist deshalb ja auch Geograf geworden, sagt er.
Deiss war noch nicht in der Buchhandlung Thye, kennt aber den Oldenburger Bahnhof. Eines der wenigen Gebäude der Neuen Sachlichkeit und es gibt dort noch eine altmodische Bahnhofswirtschaft in eben diesem Stil, die schönerweise Klinkerburg heißt, und vielleicht ist dafür nachher noch Zeit. Wobei gerade die Idee zu gären beginnt, neben den beiden geplanten Buchläden in Stade und Oldenburg noch einen auf dem Bremer Flughafen einzuschieben, den Space-Shop, obwohl der eigentlich keine Buchhandlung im engeren Sinn ist.
Zwischendurch hat sich keine Gelegenheit zum Essen gefunden, in Stade fehlte die Zeit, ein belegtes Brot aus der Bahnhofsbäckerei in Hamburg-Harburg wollte ich mir nicht antun, und im überfüllten Speisewagen im Zug war zeitlich auch nichts zu machen vor Oldenburg. Aber Deiss‘ Sportsgeist hält mich am Laufen, es muss weitergehen, auch ohne Nahrung.
Mir knurrt also der Magen, als wir Oldenburg vom Bahnhof bis zum Marktplatz durchmessen, wo sich die Buchhandlung Thye befindet. Auf dem Markt ist heute wirklich Markt, an Ständen werden Töpferware und Steingut feilgeboten. Wir schauen uns aber unbeirrt die Fassade unseres Zielortes an, welche wirklich sehr schön ist, beeindruckende große und wunderbar eingefasste Fenster.
Getrübt wird der Blick durch einige Scheibenaufkleber im oberen Segment des rechten Flügels. Es handelt sich um weiße Aufkleber mit roter Schrift, die darauf hinweisen, dass es auch eine Webpräsenz und digitale Medien im Laden gibt. Thye wurde 2007 von Kamloth + Schweitzer übernommen, die zwar am Stil des Ladens nichts geändert, aber für diesen Hinweis in eben dieser Form gesorgt haben.
Im Geschäft selbst ist dann alles rot. Jedenfalls sind die Holzregale rot getüncht, und das unterstreicht den bunten Eindruck moderner Buchrücken. Nur in der Rechtsabteilung sieht das charmant aus, ansonsten ist das eigentlich eher nicht so schön. Die Regale sind auch wieder nicht komplett aufgefüllt und auch hier gibt es dafür, wie schon bei Schaumburg in Stade, einige dann auch tatsächlich einleuchtende Ausreden.
Der Fußboden gestaltet sich in baumarktgrauem Filz, Holzfußboden sei gar nicht möglich hier, sagt uns eine Angestellte, und tatsächlich ist der Boden ungeheuer wellig. Der hintere Bereich des Ladens ist ein Anbau und sieht mit seiner schwachen Bestückung wie eine Weltbild-Abteilung bei Karstadt aus, auch hier die rotlackierten Regale, kaum gefüllt, bunte Frontalpräsentation.
In diesem Bereich gibt es eine Kaffeemaschine auf einem kleinen Tisch mit zwei Stühlen dran. Das ist zwar toll, aber so richtig einladend nicht, die Kaffeemaschine arbeitet sicher mit diesen schrecklichen Kaffeepads und sieht aus wie eine Stereokompaktanlage der frühen Neunziger. Der Tisch ist an der Wand befestigt und wird vorn von einem Bein gehalten, eines dieser dicken lackierten Metallbeine, auf dem eine kunststofffurnierte Tischplatte in schwarz liegt.
Richard Deiss ist viel versöhnlicher mit der Buchhandlung Thye, ich leider nicht, sicher zu Unrecht, aber wachsende Hungergefühle beeinträchtigen meine Gutmütigkeit, ich hätte vielleicht, wie der Hamsun’sche »Hunger«-Charakter, auf Holzspänen kauen sollen, hatte aber in dieser Hinsicht nicht vorgesorgt.
Die Hoffnung auf ein spätes Mittag- bzw. frühes Abendessen zerschlägt sich dann auch noch, denn der Space-Shop auf dem Bremer Flughafen ist zeitlich tatsächlich noch möglich. Also schnell ein Ginger Ale in der schönen Klinkerburg und hinein in den Zug nach Bremen.
Am 8. September 2010 um 15:51 Uhr
Ich kann mit diesem negativen Eindruck der Buchhandlung Thye nicht übereinstimmen. Ich kenne Thye schon lange und habe die deckenhohen (und das ist in dem alten vorderen Teil des Gebäudes wirklich hoch) roten Regale immer als einladend empfunden. War ich im Laden, waren diese auch immer richtig voll.
Bezüglich des weniger einladenden hinteren Teils des Ladens muss ich dem Autor allerdings zustimmen; besonders die religiös-esoterische Abteilung ist nicht so schön, dafür aber immerhin in der hintersten Ecke versteckt.
Die Kinder- und Jugendbuchecke davor ist hingegen einladender und vor allem so arrangiert, dass das Zielpublikum auch wirklich selbst stöbern kann.
Was mich bei diesem Artikel zu Thye vor allem umtreibt ist Folgendes: Wie kann man eine Buchhandlung bewerten, ohne auf die Beratung einzugehen? Und dies ist -ob fehlender gemütlicher Leseecken- Thyes große Stärke; das Personal ist immer freundlich und ausgesprochen gut ausgebildet.
In Zeiten von Weltbild, Jokers und Thalia, kann man nur hoffen, dass Buchhandlungen wie Thye weiter bestehen, auch wenn selbst die leider nicht um den Großinvestor herumgekommen ist.
Am 9. September 2010 um 07:10 Uhr
Sehe ich auch so. Allerdings hatte ich es so verstanden, daß Richard Deiss keine ausführliche Buchladenbesprechung im Sinn hatte, sondern ledeglich eine Zusammenfassung der, seiner Meinung nach 222 interessantesten Buchhandlungen bieten wollte. Das ihm dabei das ein oder andere entgeht, kann nicht verwundern und 10 Minuten sind nicht eben viel.
Seis drum, A. Thye hat es in die Charts geschafft und das ist gut so.
Übrigens: Falls man, nach ausgiebiger Bücherstöberei noch ein wenig müßig gehen möchte: ein paar Häuser weiter gibt es vom dort ansässigen Konditor den vermutlich besten Kuchen in Oldenburg ;-)
Am 14. September 2010 um 01:16 Uhr
Lange nicht bei Thye gewesen, da zu einem anderen Buchhändler abgewandert. Wollte aber vor allem etwas zu dem sagen, was Achwas oben schreibt: Der Kuchen ist gut, vor allem der Pflaumenkuchen. Schade nur, daß der KOnditor einen gerade zu zwingt, den Kuchen mit nach Hause zu nehmen, weil das Café so gar keine Aufenthaltsqualität hat. Mit einer Berücksichtigung in der Kategorie „Kaffeehaus des Monats“ dürfte es jedenfalls so bald nicht beehrt werden.