Der Journalist im Kindercomic:
Wenn ich groß bin, mach ich was mit Medien

Konstanz, 28. Juli 2011, 16:49 | von Marcuccio

Lokomotivführer, Fußballer, Tierärztin … das war einmal! »Wenn ich groß bin, mach ich was mit Medien«, werden sich die sagen, die regelmäßig »Dein Spiegel«, »Geolino« oder die »Süddeutsche Zeitung für Kinder« zu lesen kriegen. Denn meine, nun ja, dreimonatige Testlesereihe in der Print-Bam-Bino-Szene hat ergeben:

Diese Zeitschriften bringen ständig Comics über Journalisten und solche, die es werden wollen. Ist das Zufall? Oder Strategie, im Sinne positiver Nachwuchs- und Imagewerbung für ein eigentlich ramponiertes Berufsbild? Selbst Rückschlüsse auf Journalismuskulturen in den jeweiligen Medienhäusern scheinen möglich, zum Teil sogar beabsichtigt.

Wo Journalisten noch Helden sind

Unter Erwachsenen zählt ›Journalist‹ seit Jahren zu den Jobs mit der miesesten Reputation überhaupt, den aktuellen News-of-the-World-Skandal noch nicht mal mit gerechnet. Da möchte und kann man doch wenigstens vor Kindern noch mal ganz ungestört Held sein.

Geeignete Comic-Helden geben Journalisten schon deshalb ab, weil ihr Job zwei klassische Kindergenres bedient: die Detektiv- und die Pfadfindergeschichte. Statt »Fünf Freunde« oder »TKKG« ermitteln dann eben:

Klara Argus und Ben Riecher bei »Geolino«

Sprechende Namen, oh ja bitte, sind natürlich seit Karla Kolumna ein Muss. Wer Klara Argus und Ben Riecher heißt, kann nur für eine Schülerzeitung namens »Wadenbeißer« arbeiten:

»Wenn die beiden Spürnasen eine gute Story wittern, lassen sie nicht locker, bis die Wahrheit ans Licht kommt. Was nicht immer einfach ist …«

Die ganz fiesen Murdoch-Machenschaften sind da selbstredend nicht vorgesehen. Schülerbrav und jugendfrei bleiben die journalistischen Ratekrimis. Wie geschaffen für »Geo«-Eltern, die ihren Kindern »Geolino« kaufen.

Das Netzwerk Recherche der Kinder-SZ

Mutiger, bissiger, investigativer geht’s in der »Süddeutschen Zeitung für Kinder« zu. Im Comic der aktuellen Pilot-Ausgabe ist der FC Dribbling pleite. »Die Reporter Anne, Bene und Franzi wollen der Sache auf den Grund gehen – und wählen eine ungewöhnliche Ermittlungsmethode.« Sie schleusen sich ins Fußballtraining ein und finden heraus, was herauszufinden ist:

»Reiseprospekte und Rechnungen von Luxusreisen … alle auf den Verein ausgestellt.«

Verdeckte Recherche also. Hier macht die SZ nun einerseits sehr geschicktes Role Model Branding für investigativen Journalismus, andererseits betreibt sie aber auch gewiefte Eigenmarkenpflege: Denn der Comicstrip endet bezeichnenderweise damit, dass die Enthüllung in der »Süddeutschen Zeitung« zu stehen kommt (die auch wirklich so heißt):

»Kinderreporter entlarven Vorstand. Vereinsgelder veruntreut«

Subtext: Journalisten, die sich was trauen und auch mal undercover ermitteln, arbeiten bei der SZ. Würde die Atomlobby Kinder mit ähnlichen Suggestiv-Cartoons bedienen – es hätte natürlich schon längst einen empört-kritischen SZ-Artikel gehagelt.

»Dein Spiegel«: Ferdinand und sein fieser Chef

Im Gegensatz zu seinen »Geolino«- und Kinder-SZ-Kollegen, die im Team arbeiten, ist Ferdinand klassischer Einzelkämpfer. Schon rein optisch-figürlich ein Antiheld, von Ralph Ruthe (Text) und Felix Görmann sympathisch als hundeähnliches Maskottchen überzeichnet: Die hohe Journalistenstirn hat die gleichen Längenmaße wie der ganze übrige Leib. Yess, ein Denkriese! Lustig, wenn er die investigative Taschenlampe zwischen seine beiden Lauscher klemmt.

Als Gegenspieler hat Ferdinand einen fiesen, schwergewichtigen Chef, der keinen Feierabend kennt, sondern immer nur skrupellos anordnet – gern auch Nachtschichten (wie in Nr. 6/2011, S. 74):

»Außer Ihnen ist keiner mehr da. Uns fehlt aber noch die Rezept-Kolumne für den Koch-Tipp! Los! Ab in die Haushaltsredaktion!!!«

Ratgeberjournalismus als wahre Sklavendisziplin – wer will, kann und wird das alles unbedingt als Parabel lesen. Es bleibt auch hübsch offen, was diesen Berufsstand eigentlich mehr peinigt: Der Leser – oder der Chefredakteur, der diesen Leser behauptet:

»Und nicht einfach was aus dem Internet kopieren. Unsere Leser erwarten exklusive Rezepte!«

Besonders gut kommen solche Chefansagen natürlich im Langzeitwiderspruch, sprich im Abgleich mit früheren Ferdinand-Folgen, in denen es auch schon hieß:

»Uns fehlt noch ein Artikel für die Wissenschaftsseite, Ferdinand. Schreiben Sie was! Irgendwas! Aber hopp, hopp!«

In Nr. 7/2011 sieht man, dass die Zeitung, bei der Ferdinand und sein Chef arbeiten, in einem Hochhaus residiert, das der Brandstwiete 19 in Hamburg dann aber doch arg ähnelt. Immerhin – soviel Anstand im Gegensatz zur Kinder-SZ hat man – heißt das Medium nicht »Der Spiegel«, sondern »Der Globus«.

Auch der »Globus« hat ein Archiv, das einer riesigen unterirdischen Festung gleicht. Hier sitzen scary Skelette an einer Riesenmaschine – von der Flut der Online-Anfragen zugrunde gerichtet. So bitteschön mochten wir uns die Innereien der »Spiegel«-Dokumentation doch immer vorstellen.

Wann schafft es Ferdinand vom kleinen in den großen »Spiegel«? Ein Comic im deutschen Nachrichtenmagazin, das wär doch noch mal was Neues.
 

9 Reaktionen zu “Der Journalist im Kindercomic:
Wenn ich groß bin, mach ich was mit Medien”

  1. Jeeves

    Solch‘ Blätter (»Dein Spiegel«, »Geolino« oder die »Süddeutsche Zeitung für Kinder«) gibt’s tatsächlich? … Seltsam, sehr seltsam. Ich kenn‘ nur die grünen Heftchen der Schuhladenkette SALAMANDER, und die waren toll.

  2. Hansi

    Ja, die gibt es, und ihr Einfluss auf das Berufsbild ist immens. Ich habe hier eine Horde Germanisten betreut, die gerne KMW studiert hätten, eben weil sie vom Aufregung versprechenden investigativen Teil des Berufs angefixt waren. Recherche war aber nicht so ihr Ding, wie ihre Hausarbeiten eindrucksvoll bewiesen. Es steht halt nicht alles bei Wikipedia…

  3. FF

    Wann hat das eigentlich angefangen, dieser omnipräsente Kinderkram? Überall „Kinderseiten“, selbst in der ZEIT, dann „Kinder-Unis“ etc.pp.

    Was mich daran stört:
    1) die Seiten sind, klar, von Erwachsenen gemacht. Der pädagogische Zeigefinger nervt furchtbar, das infantile Getue auch;
    2) wer soll das lesen? Erwachsene offenbar nicht, und Kinder? Als ich selber noch eins war, hab‘ ich nie irgendwas lesen wollen, wo „für Kinder“ draufstand, das fand ich langweilig, öde, kindisch halt; Kinder mögen auch keine „Kinderportionen“;
    3) es gibt doch kaum noch Kinder – wie ich heute der Zeitung entnehme, kommen auf 1000 Einwohner 8,2 Kinder… ich wüßte nun gern, wieviele von denen die Kinderseite der ZEIT lesen!
    4) noch ’ne Beobachtung am Rande: Schulbücher werden immer infantiler, Sprachlehrbücher für Erwachsene auch – überall bunte Bildchen, Comics, Sprechblasen, kaum noch Text, aarghh!

  4. Jeeves

    Ich bin selbst Vater eines Sohnes – die erwähnten Schriften waren und sind uns nie untergekommen, angeboten, völlig unbekannt und auch im Bekanntenkreis: nur ratloses Kopfschütteln. Ich frage also auch: seit wann gibt’s die?
    .
    Übrigens gab’s früher im STERN für Kinder das „Sternchen“ (mit „Jimmy das Gummipferd“ etc.) – leider bekam ich’s nie, weil (nun ja:) da war weder Geld noch Interesse für so’ne Illustrierte.

  5. Marcuccio

    @FF, @Jeeves: Bis auf »Geolino« (seit 2001) sind das alles Neugründungen der letzten ein, zwei Jahre. Wieso, weshalb, warum hab ich hier versucht zu erkunden.

    Wann der ganze »Kinderkram« an sich angefangen hat? Vielleicht ging es los mit der ZDF-Nachrichtensendung »logo« in den 1980ern. Schuldig sind im Zweifelsfall aber immer auch Janoschs Tigerente und Harry Potter. »All Age«-Stuff eben, der zeigt, das Kinderkram auch Erwachsenen gefällt.

    Die Kinderableger in der Publizistik ziehen nun den Umkehrschluss: Was für Erwachsene funktioniert, muss sich doch auch auf Kinderkonfektionsgröße runterbrechen lassen. Hintergrund ist, dass Medienmarken entdecken, dass sie alle Alterszielgruppen lukrativ bewirtschaften können. In ein paar Jahren kommt bestimmt auch noch der Senioren-»Spiegel« in Großdruck.

  6. FF

    @Maruccio, danke.
    Indes: „lukrativ bewirtschaften“? Gibt’s dafür belastbare Zahlen? Mir erscheint dieses Genre doch immer auch in seiner vordergründigen Anbiederung diskriminierend und herablassend, a’la „Seniorenteller“ und „Kinderportion“ eben. Furchtbar gewollt und berechnend, also das ganze Gegenteil vom Charme etwa eines Janosch.

    Und ich verstehe die Logik nicht: Kinder lesen die Kinder-„Zeit“ und wachsen dergestalt zu begeisterten Abonnenten heran? Kann ich mir nicht vorstellen. Eher schon, daß eingefleischte Zeitleser ihres Blattes überdrüssig werden. Mich nervt diese allgegenwärtige Infantilisierung jedenfalls gewaltig.

    PS: Vor Mittdreißigerinnnen mit Diddlmäusen im Regal, Stofftieren am Rucksack und Maikäfermagneten an der Kühlschranktür sei hiermit dringend gewarnt.

  7. Marcuccio

    @FF: Stimme dem PS 100% zu :-)

    Lukrativ ist das Segment vor allem wegen der hohen Abo-Raten. Medienmacher lieben Abonnenten, denn mit denen können sie fest rechnen! Wenn du bei IVW in der Sparte »Kinderzeitschriften« schaust: Allein »Geolino« hat in seiner 212.000er Auflage 160.000 Abonnenten. Das sind traumhaft hohe Quoten.

    Zwar sind die Zahlen im Langzeittrend rückläufig, aber das liegt zum einen an der hauseigenen Konkurrenz: weitere Spin-offs wie »Geolino extra« oder »Geomini« für die ganz Kleinen kamen dazu. Zum anderen eben daran, dass in den letzten Jahren so viele Mitbewerber in der Markt eingestiegen sind.

    Vielleicht funktioniert die Prägung »Zeitschriftenlesen« ähnlich wie beim Wandern. Als Kind wird man zu seinem Glück gezwungen, als Jugendlicher schert man aus, als Erwachsener macht man’s dann doch wieder ganz gern. Wenig Erwachsene wahrscheinlich, die ohne groß gewandert zu haben, plötzlich das Wandern entdecken.

  8. FF

    @Marcuccio

    Verstehe. Aber der Wandervergleich? Okay, beim Wandern mag es ja so sein, daß man irgendwann seiner frühkindlichen Prägung erliegt und sein Ränzlein schnürt.

    Was passiert dagegen, wenn diese Zeitschriften-„Kids“ ihre erste eigene „Kiste“ mit Internet im Zimmer stehen haben?

    Für die Elterngeneration dagegen, die heute ihren Plagen all die Kinderzeitschriften aufnötigt (pädagogisch wertvoll!) mag der eigene „Spiegel“-lesende Vater vielleicht noch eine handlungsleitende Rolle spielen. Aber dann: pfffft.

    Andererseits dachte ich ja mal, daß sich das „Bunte“- und das „Goldene-Blatt“-Problem in Bälde durch das Aussterben der Leser erledigen würde. Bislang sieht’s leider nicht danach aus.

  9. Gregor Keuschnig

    @Marcuccio
    Nicht zu vergessen: „Pfiff – das Sportstudio für Jugendliche„.

    Die von FF beklagte „allgegenwärtige Infantilisierung“ könnte ein roll-back auf das „Verschwinden der Kindheit“ sein?!

Einen Kommentar schreiben