Ganz viele Filme:
Das Kinojahr 2011

Hamburg, 31. Januar 2012, 01:55 | von San Andreas

Kinojahr 2011 Einklinker 494 Filme sind in Deutschland im letzten Jahr gestartet. Alle konnte man nicht sehen, alle musste man nicht sehen. Hier unser alljährliches Kompendium mit den allerbesten und den allerenttäuschendsten Werken, so wie in den Vorjahren (2010, 2009, 2008, 2007).

Eine kleine, gefühlte Spitzengruppe hat sich abgesetzt, in ihr die Produktionen aus Hollywood und England, die künstlerischen mit kommerziellem Erfolg verbinden konnten (zusammen 994 Mio. $), aber auch Beiträge aus Dänemark, Spanien und Kanada, die im Vergleich viel größere thematische Bögen schlugen – nach Afrika, nach Bolivien, in den Libanon – und so mehr Resonanz mit der Welt da draußen aufbauten. Der Erfolg dieser durchaus wichtiger und wertvoller er­scheinenden Filme hielt sich freilich in Grenzen (zusammen 19 Mio. $).

Der Rest der Liste versammelt zweieinhalb Dutzend gute und/oder bedeutende Werke, plus eine Handvoll derjenigen Filme, die leider nicht so toll ausfielen wie gedacht. Zur ausführlichen Fassung geht es hier bzw. direkt über die einzelnen Titel:

5 Sterne
»También la lluvia« (Icíar Bollaín)
»True Grit« (Ethan & Joel Coen)
»Incendies« (Denis Villeneuve)
»Black Swan« (Darren Aronofsky)
»Jodaeiye Nader az Simin« (Asghar Farhadi)
»The King’s Speech« (Tom Hooper)
»Hævnen« (Susanne Bier)

4 Sterne
»Melancholia« (Lars von Trier)
»Super 8« (J. J. Abrams)
»Carnage« (Roman Polanski)
»Tyrannosaur« (Paddy Considine)
»The Ides of March« (George Clooney)
»The Guard« (John Michael McDonagh)
»Halt auf freier Strecke« (Andreas Dresen)
»Rise of the Planet of the Apes« (Rupert Wyatt)
»Cave of Forgotten Dreams« (Werner Herzog)
»Another Year« (Mike Leigh)
»This Must Be the Place« (Paolo Sorrentino)
»Mission: Impossible – Ghost Protocol« (Brad Bird)
»Winter’s Bone« (Debra Granik)
»La piel que habito« (Pedro Almodóvar)
»The Tree of Life« (Terrence Malick)
»127 Hours« (Danny Boyle)
»The Adventures of Tintin« (Steven Spielberg)
»Pina« (Wim Wenders)
»Biutiful« (Alejandro González Iñárritu)
»Let Me In« (Matt Reeves)
»Margin Call« (J. C. Chandor)
»Rango« (Gore Verbinski)
»Contagion« (Steven Soderbergh)
»The Fighter« (David O. Russell)
»Attack the Block« (Joe Cornish)
»Four Lions« (Christopher Morris)
»Inside Job« (Charles Ferguson)
»Blue Valentine« (Derek Cianfrance)
»Midnight in Paris« (Woody Allen)
»The Thing« (Matthijs van Heijningen Jr.)

1 Stern
»Sanctum« (Alister Grierson)
»Kokowääh« (Til Schweiger)
»Cowboys & Aliens« (Jon Favreau)
»Sucker Punch« (Zack Snyder)
»Battle Los Angeles« (Jonathan Liebesman)

*

Und wie immer ist Vollständigkeit kein realistisches Kriterium für die Liste. Um einen Teil der wütenden Proteste im Vorhinein abzufangen, folgt hier noch eine kleine Sammlung von Filmen, die auf jeden Fall auch kuckbar waren, es aber aus irgendeinem Grund nicht auf die Liste geschafft haben:

»Beginners« (Mike Mills) – Coming-Out mit 75, warum nicht. »Crazy, Stupid, Love.« (Glenn Ficarra, John Requa) – die Konsenskomödie des Jahres. »Hanna« (Joe Wright) – stylischer Rachethriller mit Powermädel. »Trolljegeren« (André Øvredal) – eine norwegische Monster-Mockumen­tary, wer hätte das gedacht. »Never Let Me Go« (Mark Romanek) – traurige, anmutige Dystopie über Sterblichkeit und Repression. »Tucker and Dale vs Evil« (Eli Craig) – selten ein lustigeres Blutbad gesehen. »Win Win« (Tom McCarthy) – einnehmende, amüsante Indie-Perle. »Kokuhaku« (Tetsuya Nakashima) – ausgekochtes Psychospielchen mit viel Zeitlupe. »Senna« (Asif Kapadia) – die definitive Doku über die F1-Legende. »Harry Potter and the Deathly Hallows: Part 2« (David Yates) – ein würdiger, fulminanter Abschluss der Zauberburschen-Saga. »Somos lo que hay« (Jorge Michel Grau) – Kannibalen haben’s auch nicht leicht. »Howl« (Rob Epstein, Jeffrey Friedman) – Ode an ein Gedicht: mal was anderes.

Und ach so, der Film »Let Me In« war bereits auf der 2010er Liste erschienen, kein Mensch weiß warum. Er startete in Deutschland erst Mitte Dezember 2011, über ein Jahr nach seiner Weltpremiere im September 2010, auch ein Skandal eigentlich. Der Text ist noch mal derselbe wie letztes Jahr.

Soweit jetzt also das Kinojahr 2011. Bis nächstes Jahr,
San Andreas
 

22 Reaktionen zu “Ganz viele Filme:
Das Kinojahr 2011”

  1. Ekkehard Knörer

    Interessante Liste. Der Abschaum schwimmt oben. (Naja, „Black Swan“ und „Nader und Simin“ sind immerhin okay.)

  2. Bob

    „J. J. Abrams spricht fließend Spielberg“, ich hau‘ mich weg. Das Beste dieser Hitliste ist weniger in der genauen Wahl aller Einzeltitel zu finden, als in der soliden Grundlage für eine Vervollständigung des Jahresprogramms. Und das per genialer Kurzbeschreibung!

    Den fehlenden Film darf ich ja dieses Jahr nicht mehr suchen…

  3. creamhilled

    Bei den 5fach besternten vermisse ich besonders Kaurismäkis „Le Havre“ sehr.

  4. Jürgen

    Der Film von Susanne Bier „In einer besseren Welt“ ist, trotz kleiner Einschränkungen, berechtigterweise mit auf der Liste. „Le Havre“, obwohl mehr ein schönes Märchen, gehört tatsächlich hinein. „Halt auf freier Strecke“ von Andreas Dresen habe ich bisher leider nicht gesehen. Aber Dresen macht immer gute Sachen! Der letzte wirklich großartige und absolut überzeugende Film, den ich gesehen habe, ist „Das weiße Band“ von Michael Haneke. Nur stammt dieser Streifen ja bereits aus 2009.

  5. Bob

    Le Havre, pah. Wer liebevoll zusammengestellte Dioramen sehen will, kann doch ins Zinnfigurenkabinett gehen.

  6. Paco

    @Ekkehard: Ein echter Knörer! Einfach Hits wie "True Grit" und "Tb. la lluvia" zu übergehen, als ob es sich um Filmrollen von Helmut Dietl handelt, Wahnsinn, hehe.

  7. Ekkehard Knörer

    Nun, es gibt eine auffällige Häufung des dümmlichen, verlogenen und kitschigen Message-Films. Der Schlimmste von denen ist „Haevnen“, aber „Tambien La Lluvia“ und „Incendies“ kommen recht knapp dahinter. Alle drei gehören definitiv zu meinen „worst films“ des vergangenen Jahres. „King’s Speech“ ist immerhin nur lächerlich, „True Grit“ eine sinnlose und uninteressante Veranstaltung.

    (Aber fast ist der Kommentar sowieso unsinnig, denn da gibt es ganz offensichtlich keinen gemeinsamen Boden, auf dem man darüber auch nur diskutieren könnte.)

  8. San Andreas

    Richtig, Ekkehard, man muss sich schon ein bissel für Film interessieren, wenn man hier mitreden will, hehe. Kino ist irgendwo ein Konsensmedium: als gut gilt halt, was viele gut finden. Derlei Ihr-habt-ja-alle-keine-Ahnung-Grätschen aus dem elitären Abseits sind da allenfalls Grund zur Belustigung. Aber keep ’em coming ;-)

  9. Ekkehard Knörer

    Den Kommentar verstehe ich nicht recht. Ums Mitreden geht es nicht, sondern nur um die ganz oben gelisteten Filme. Meine Klammer war sehr schlicht und in keinem mir begreiflichen Sinn elitär gemeint: Es gibt offensichtlich keine gemeinsame Grundlage an Kriterien und Wertschätzungen und Reaktionen mit San Andreas. Das geht dann weit in die letzte Instanz hinein, in der Geschmacksurteile eben so subjektiv sind, dass die Diskussion uninteressant wird. Hätt‘ ich mir natürlich den Kommentar verkneifen sollen, aber manchmal reg‘ ich mich halt auf.

  10. San Andreas

    Aufregen ist erlaubt. Der gemeinsame Boden ist hier aber vielleicht nicht mit San Andreas zu suchen, sondern mit all den Feuilletonisten, Kinogängern, Rezensenten, Filmliebhabern, bei denen die genannten Filme ziemlich gut ankamen. Insofern ist die Liste kein subjektiver Hitlisten-Krampf, sondern eher der Versuch eines Abbilds des gelebten Kinojahres 2011, zum Nachlesen oder zum Finden vergessener Perlen. Und wenn es da wirklich null Übereinstimmung gibt, ja sogar nur umgekehrte Vorzeichen… puh, keine Ahnung…

  11. Ekkehard Knörer

    Nun, wir leben da in unterschiedlichen Universen. Kein Kritiker, dem ich traue (und davon gibt es so wenige nicht), kein Filmliebhaber, mit dem ich befreundet bin, fand „Incendies“, „Tambien la lluvia“, „The King’s Speech“ oder „Haevnen“ wirklich gut. Cargo ist ja auch aus dem Wunsch heraus entstanden, diesem anderen Universum ein Magazin und eine Stimme zu geben. „Tambien la lluvia“ hat bei uns einen Schnitt von 35/100, „Incendies“ von 46, „The King’s Speech“ von 43 und „Haevnen“ von 5 Punkten. Vor allem haben viele von uns die aber gar nicht gesehen, weil sie alle für den Stand des Kinos komplett irrelevantes Middlebrowzeug sind. Nur zum Vergleich: http://www.cargo-film.de/ratings/2011/

  12. Stefan

    „Intouchables – Ziemlich beste Freunde“ schafft es dann erst auf die 2012er-Liste?

  13. Paco

    @Ekkehard: Eure Mittelwertidee ist im Prinzip sehr toll, wenn auch pseudoobjektiv, aber das sind die IMDb Top 250, RotTom usw. letztlich auch alle. Du hast schon Recht, de gustibus non est usw. Aber! »Copie conforme« als dein höchstbewertetster Film im letzten Jahr, DAS ist ja nun wirklich Kitsch.

  14. San Andreas

    @Ekkehard: Man gewinnt bei Euch ein wenig den Eindruck, dass Filme mit irgendeiner Art von Message oder Problembewusstsein von vornherein – und gerne unbesehen, wie Du sagst – als Bevormundung wahrgenommen werden. Da gelangen dann formlose Interpretationsspielwiesen (Schlafkrankheit, Meek’s Cutoff) und harmlose Komödchen (Bridesmaids, Cedar Rapids) zu höchsten Ehren. Im Mittelfeld gibt’s dann aber genügend Übereinstimmungen (als Rango-Liebhaber kannst Du schonmal kein ganz schlechter Mensch sein). Nun ja, jedem das seine Universum, und Eure Highbrow-Liste ist ja nun wirklich nicht schlecht. Man muss sie nur von unten lesen. Ha!

    @Stefan: Jawoll, der startete bei uns erst am 5. Januar.

  15. Ekkehard Knörer

    „Message“ ist einfach kein entscheidendes Kriterium, weder in die eine noch die andere Richtung. Immerhin steht „Le Havre“ ganz oben und wenn der keine Message hat, dann weiß ich auch nicht. Entscheidend ist die Form der Message und wenn die Form die Message ist, dann ist das nicht mehr und weniger recht, solange sie überzeugt. Wie ausgerechnet „Schlafkrankheit“ formlos sein soll, das geht ehrlich gesagt über mein Begreifen.

    @Paco: Copie Conforme ist natürlich das Gegenteil von Kitsch, und zwar in Vollendung.

  16. Ekkehard Knörer

    „nicht mehr und nicht weniger“ sollte das heißen

  17. Jürgen

    @Bob: Für alle, die ihn nicht gesehen haben: „Le Havre“ ist realitätsfremd. Daher ein Märchen: Über das einfache Leben, Menschlichkeit und Solidarität. Aber sind Märchen nicht zu allen Zeiten nötig?
    Aber der Film bietet noch mehr: Die Kamera lässt sich Zeit und zeigt Stillleben, wie niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts sie hervorbrachte, Bilder jenseits von Hektik und Beliebigkeit, und sie führt Altmodisches, scheinbar Aussterbendes vor. Einiges davon wäre wert, erhalten zu werden. Und der Film bietet Ironie, die ja bekanntlich einer der Hauptfeinde der Deutschen ist.

  18. Jeeves

    Ganze drei Filme aus der Liste haben mich interessiert und die hab ich gesehen, davon hat mir nur einer gefallen: Woody Allens Paris-Film.
    Die beiden anderen: Tintin war mir zu „amerikanisch“, und der neue Mission Impossible hab ich nur gesehen, weil nix anderes da war um die Langeweile abzuschalten: nette, spannende Unterhaltung.
    .
    Die BBC-Sherlock- Serie fällt wohl hier nicht unter „Filme“? Season 2, der dritte Film, „Reichenbach Falls“: Das beste, was ich seit den Siebziger Jahren sah…
    .
    PS: Dass jemand Wim Wenders-Filme toll finden kann, werd‘ ich wohl nie verstehen.

  19. San Andreas

    @Ekkehard: Natürlich steht Le Havre bei Euch ganz oben, auf ihn kann man sich gefahrlos kaprizieren – weil seine Message schwächer nicht hätte ausfallen können. Es ist ein hübsch retro-stilisiertes, erhebendes, aber völlig unverfängliches Sozialmärchen, das nicht viel zu sagen hat zu dem brisanten Problem, das es anschneidet – zu beschäftigt ist der Film damit, das Kaurismäki-Genre zu bedienen. Und das ist sein Glück, denn hätte der Film die Stirn, Euch die Welt erklären zu wollen, würde er womöglich sofort in der Schublade landen, in der Hævnen & Co. ihr Dasein fristen. Polemisch gesagt jetzt. Es ist ein wirklich schöner, gutmenschelnder Film, nur knapp nicht auf der Liste, und die Ananas war der Hammer – aber als „für den Stand des Kinos relevant“ (Euer Kriterium) erscheint er nur mit großer Mühe: weder bedeutet seine Form eine künstlerische Weiterentwicklung, noch trägt sein Inhalt nebst der zeitlosen Moral ‚Habt Mitgefühl und helft den Schwächeren.‘ große originelle Kraft oder Prägnanz. Muss ja auch nicht. Aber es gab besseres/wichtigeres in 2011.

    @Jeeves: Filme sind die BBC-Sherlocks schon, gute sogar, aber keine, die im deutschen Kino liefen oder jemals laufen werden. Von daher…

  20. Ekkehard Knörer

    Ich bin sicher nicht der Richtige, „Le Havre“ emphatisch zu verteidigen (70cp hat er von mir), nur: dass er die Welt nicht erklärt, sondern ganz selbstverständlich ein in sich ruhendes Gegenbild hinstellt, das ist gerade das Schöne daran. Dass Kaurismäki etwas „bedient“, scheint mir Quatsch: Er ist wie kaum jemand sonst einfach der, der er ist. Insofern sind Innovationswünsche ebenso wie jedes Realismusbegehren fehladressiert. (Zugleich: Ja, ich kann mich dafür dann halt doch auch nicht recht begeistern. Ja, es gab Wichtigeres in 2011. Allerdings ist keiner der Fünfsternefilme darunter.)

  21. San Andreas

    Ich mag den Film ja auch, wie er ist. Du hattest ihn nur als beinharten Message-Film hingestellt, wobei es gerade die Milde und Zeitlosigkeit seiner Botschaft ist, die ihn ausmacht, als bescheidene, warmherzige Parabel eben. Mit dem Innovationswunsch (den ich persönlich gar nicht hege) hatte ich den Kommentar aufgegriffen, mit dem Du unsere Favoriten als „für den Stand des Kinos komplett irrelevant“ abkanzeltest. Das könnten die natürlich sein, aber dazu müssten sämtliche Feuilletons, Festivals und Foren, wo diese Filme positives Echo fanden, völlig verpeilt sein. Jenes Echo möchte unser kleines Kompendium abbilden, das ist alles. Die Werke an einem hochgestochenen, kinofremden Anspruch scheitern zu lassen, den sie niemals aus waren zu erfüllen, erscheint irgendwo unfair. Aber gut. Wir müssen das nicht zerreden. ☺

  22. Adelina Horn

    Coole Zusammenstellung. Die werde ich mir mal in ruhe zu Gemüte führen, wenn ich das nächste mal unentschlossen vorm Videotheksregal sitze! Besten Dank :)

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