Schiffsmeldungen
München, 14. April 2012, 10:10 | von Guest Star(Gastbeitrag von cehaem)
Lange Zeit dachte man ja, die Zeitung sei dazu erfunden worden, Dinge aufzuschreiben, die irgendwo in der Welt vorgefallen sind. Mittlerweile wissen wir, dass es auch darum geht, über sich selbst zu berichten.
Ein (letztens beim Aufräumen wiederentdecktes) Schmuckstück in dieser Hinsicht ist die »Chronik 2011« der F.A.Z. vom 24. Dezember 2011, die das Jahr anhand ausgewählter Seite-eins-Abbildungen nacherzählt. Der Eintrag zum bzw. das Titelbild vom 9. Juni (in der »Chronik« auf Seite J8) zeigt, wie Angela Merkel der US-Außenministerin Hillary Clinton eine eingerahmte Titelseite der F.A.Z. vom 15. April als Geschenk überreicht. Diese hatte mit einem Bild der zufällig synchron gespreizten Hände der beiden Politikerinnen aufgemacht, das bei Clintons Berlin-Besuch entstanden war.
Anders gesagt: Die F.A.Z. erinnerte am 24. Dezember daran, dass die F.A.Z. am 9. Juni darüber berichtet hatte, dass Frau Merkel am 8. Juni Frau Clinton gezeigt hatte, dass die F.A.Z. am 15. April darüber berichtet hatte, dass Frau Merkel und Frau Clinton am 14. April ihre Hände irgendwie merkelsch gehalten hatten.
Die Clinton-Merkel-Story scheint erst mal an ihr Ende gekommen zu sein. Am vorletzten Mittwoch, 4. April 2012, war auf Seite eins der F.A.Z. nun immerhin dies zu sehen: Schiffe. Genauer gesagt, drei Schiffsmodelle. Sie stammen aus dem Bestand eines gewissen »Berliner Sammlers Günter Bannas«, der sich mit einem gewissen »einfachen Abgeordneten Peer Steinbrück« getroffen hatte, um ausgiebig über Modellbau und Schifffahrt zu fachsimpeln, wie in derselben Ausgabe auf Seite neun in absolut fabelhafter Anlasslosigkeit nachzulesen ist.
Dass der Hauptstadtbüroleiter der F.A.Z. eine Leidenschaft für Schiffsmodelle besitzt, ebenso wie Herr Steinbrück – ein wunderbares Zusammentreffen, und vielleicht der Beginn einer neuen F.A.Z.-Telenovela? Denn Angelas Hände sind Peers Schiffe, und sollte letzterer erstere tatsächlich im Kanzleramt beerben, ahnen wir schon, mit welcher Ikonografie die Frankfurter Titelredaktion ihn von nun an regelmäßig bedenken wird. Wie auch anders: Das Schachbrett haben sich schließlich schon die Kollegen von der »Zeit« gesichert.