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100-Seiten-Bücher – Teil 198
Urs Widmer: »Der blaue Siphon« (1992)

Moskau, 16. Dezember 2019, 21:32 | von Larissa

Manchmal fällt einem das Glück in den Schoß. In diesem Fall fiel mir das Glück in Form eines Softcover-Diogenes-Buchs von Urs Widmer zwischen die Beine, als ich in Moskau – tatsächlich ziemlich ruckelig – landete. Da hatte wohl jemand sein Glück beim Aufsetzen des Flugzeugs nicht gesichert und lief jetzt, danach suchend, durch die Reihen. Ich hielt es ihm entgegen, wir gründeten den »Urs Widmer Bookclub Moskau« und es gab ein Happy End.

Aber so einfach ist es mit dem Glück ja selten und »Der Geliebte der Mutter« ist das eine, aber »Der blaue Siphon« das andere. Wenn man sich ein Bild von einem Buch gemacht hat, ohne es gelesen zu haben, ist es eben nur ein Bild von einem Buch. Man nähert sich dem Buch nur durch ›gefühltes Lesen‹ und sitzt dabei möglicherweise einer Missinterpretation auf.

Ein wenig bittersüße Versöhnung gab es dann aber doch. Ich fand sie in folgenden Zeilen: »Allerdings erwog der Junge auch, daß diese [Weltenwand] eher so etwas wie ein himmelsgroßer Film, eine in die Landschaft geworfene Lichtmauer sein könnte, durch die ein jeder, erreichte er sie nur, hindurchzugehen vermöchte.« (S. 84)

Länge des Buches: ca. 195.000 Zeichen (dt.). – Ausgaben:

Urs Widmer: Der blaue Siphon. Erzählung. Zürich: Diogenes 1994. S. 3–102 (= 100 Textseiten).

(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)