Was dem Dique seine RoRoRo-Monografien, sind mir ja die Suhrkamp-Prachtbände »Sein Leben in Bildern und Texten«. Okay, sie passen eher auf Tische als in Taschen, und hinein kommt auch nur, wer zwingend altgedienter Suhrkamp-Backlist-Autor ist: Also Hesse. Brecht. Und natürlich Walser, Robert, nicht (mehr) Martin.
Doch schon mit diesen wenigen Großkalibern haben sich mir ganze Ikonografien deutscher Literaturgeschichte ins Gehirn gefräst: Hesse mit Strohhut und Gartenfeuer, Brecht auf Frischs Letzibad-Baustelle in Zürich – und eben Robert Walser mit Schirm und Hut am Rand der langen, leeren Straße.
Es ist DAS Bild des Spaziergängers Robert Walser, oder muss man sagen: des von seinem Vormund zum Spazierengehen abgeholten Anstalts-Insassen Robert Walser? Das Foto, aufgenommen von Carl Seelig am 23. April 1939, wurde dieser Tage 70 Jahre alt. Aber was macht das sonst so jubiläumsgeile Feuilleton? Es schwänzt diesen Wandertag.
Dabei war es doch ein großer Tag: »Wir machen den Weg Herisau–Wil, ständig plaudernd, in dreieinhalb Stunden«, schreibt Seelig, und weiter: »Er läßt sich auch ohne Widerstand fotografieren. Ich bin baff. Es macht ihn glücklich und lustig, daß wir die 26 Kilometer so schnell hinter uns gebracht haben, nur mit einem Vermouth als ›Benzin‹.«
Und naja, in Wil wurde natürlich, wie immer bei solchen Gelegenheiten, noch zünftig eingekehrt: »Wir essen ›Im Hof‹, haben gewaltigen Hunger und kehren nachher von einer Wirtschaft zur anderen ein. Im ganzen waren es fünf.« So halb stolz, halb betreten konnte es nur ein Carl Seelig protokollieren, wahlweise auch mit Speisenfolge, Rotweinsorten, Walsers Worten zu den Serviertöchtern.
Solange »Der Vormund und sein Dichter« nicht endlich mal wieder gesendet wird, bleibt »Robert Walser. Sein Leben in Bildern und Texten« die einzige Alternative zum Nachwandern durch Text und Bild, herausgegeben und gestaltet von dem wie immer unermüdlichen Bernhard Echte.