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»Bin ich schön, schreib ich schön«

Konstanz, 6. September 2007, 00:08 | von Marcuccio

»Also kann der KulturSPIEGEL vom August ins Altpapier?«, frage ich Palma, seit Ferragosto und noch 2 Wochen in Apulien, am Telefon.

»Per carità, meinen schönen Franzosen bitte nicht!«

Richtig, ihr schöner Franzose. Nicolas Fargues auf S. 32, von dem sie meint, er müsse ins Archiv. Immerhin habe er die KulturSPIEGEL-Redakteurin zu der Frage veranlasst, »ob auch männliche Autoren zu schön sein können, um sie als Schriftsteller ernst zu nehmen«.

Und laut Palma ist diese Frage so zum ersten Mal im deutschen Feuilleton gestellt worden – wo sie doch traditionell den Autorinnen vorbehalten war, namentlich denen, die vor einigen Jahren unter dem Label »Fräuleinwunder« für Furore sorgten. Zum Beispiel Tanja Dückers, die das Kundenjournal ihres Aufbau-Verlags noch 2001 im sexy Minirock bestückte.

»Hast du …?«, setzt Palma an, die noch nie gut auf Tanja Dückers zu sprechen war (dies aber niemals offen zugeben würde). »Ja«, sage ich, »ich habe den Artikel aus der Berliner Zeitung vom Juni endlich gelesen.« Die Besprechung von Dückers‘ Essayband Morgen nach Utopia mit diesem Hammersatz:

»Vielleicht hätte die Schriftstellerin einfach noch ein paar Fotos mehr von sich ins Buch nehmen sollen und dafür auf den Nachdruck einiger Artikel verzichten sollen […].«

»Ganz schön fies«, sage ich zu Palma.

»Was heißt hier fies? Endlich mal einer, der auf das Gesamtprodukt Tanja Dückers eingeht, ohne Werk und Beiwerk zu vermengen.« Palma klingt, wie immer in solchen Momenten, latent zickig.

»Ja, aber hat nicht gerade Dückers dieses ›Bin ich schön, schreib ich schön‹ in Umlauf gebracht«, werfe ich ein. »Eben diese Gleichung, die es als Beyond.Book-Strategie bis in die Ratgeberliteratur für Autoren geschafft hat?«

»A punto«, sagt Palma. »Und genau das ist das Thema.«

»Welches Thema?«

»Na DAS Thema im Watch-your-Feuilleton-Zeitalter: Wie sieht der denn eigentlich aus? Und der erst! Aber auch die (wow!) und überhaupt: Wie sehen die alle aus? Und hätte sich ein »Spiegel«-Kulturchef ante Matusseks Kulturtipp die Frage gestellt, ob er ein Sex-Symbol ist?«

»Nein, aber das Video, musst du zugeben, Palma, ist funny …«

»Si, è simpatico: Der Schweizer Blog-Irrwisch zu Besuch bei Matussek im Büro. Und zwischendrin die Sekretärin mit dem Rolling Stone.«


Ist Deutschland zu flach für schönere Flachbauten?

nach Reisen, 3. September 2007, 00:23 | von Marcuccio

Geht Euch das auch so? Man fährt durch Deutschland mit der Bahn und sieht, egal ob in Saalfeld (Saale) oder Singen (Hohentwiel), die immergleiche Aldi-Lidl-Netto-Architektur in Bahnhofsnähe.

Vielleicht ist Deutschland aber auch einfach zu flach für schönere und bessere Supermärkte? Das zumindest wäre die These, mit der letzte Woche ein NZZ-Beitrag über »Neues Bauen in den Alpen« aufmachte:

»Anders als das flache Land, wo schlechte Bauten kaum auffallen, verzeihen Bergregionen aufgrund ihrer Topografie baukünstlerische Fehler nicht.«

Wohl wahr! Und als wäre so manches als Chalet verkleidete Touristensilo wieder wettzumachen, gibt es seit einigen Jahren eine richtig gute, moderne alpenländische Architektur – was den »Observer« schon mal zu der Bemerkung veranlasste:

»Heidi wouldn’t recognise the place – today even Alpine supermarkets are at the cutting egde of design.«

Gemeint ist in diesem Fall die auch von mir sehr gemochte Supermarktkette MPREIS, durch deren Filialen Aficionados schon mal eine extra Tirol-Tour (»Seeing MPreis«) unternehmen. Und so simpel die MPREIS-Philosophie klingen mag, so sophisticated ist sie (PDF):

»Lebensmittelgeschäfte sind die meistfrequentierten öffentlichen Räume, da kann es doch nicht egal sein, wie diese Räume aussehen.«

Dass gleich nicht überall gleich ist, zeigen (ausgerechnet) die Gebrüder Albrecht, deren »Aldi Suisse«- und »Hofer«-Filialen viel besser aussehen als ihre deutschen Pendants. Leider interessierte das im deutschen Feuilleton bislang nur die taz.

Dabei wären Supermarkt-Kritiken in zivilisierten Kulturen mindestens so wichtig wie Software-Reviews. Aber vielleicht nimmt sich ja mal ein Peter Richter der Sache an. Oder wer schreibt sonst noch (fähig) über welke und blühende Architekturlandschaften?


KulturSPIEGEL XXL und CCC

Konstanz, 30. August 2007, 01:11 | von Marcuccio

A. R., Diplom-Ingenieur (60), hat nach 28 Jahren abbestellt. H. F., Oberstudienrat i. R. (71), sein Abo im 46. Bezugsjahrgang gekündigt. Und O. G., Austologe (39), sagt: »Hallo liebe Zielgruppe! Bitte auch nicht am Kiosk kaufen!«

So hätte es kommen können, nach der hier so treffend benannten »längsten Spiegelsommerpause ever«. Aber es ist »Goldrausch« angesagt, zumindest beim KulturSPIEGEL: 96 Seiten – soviel Abo-Beilage gab’s noch nie.

Wie ein zu groß gewordenes Kälbchen flutscht einem das Sabblemong für September aus dem aktuellen Mutterheft entgegen. Viele Storys, opulente Fotostrecken, Damien Hursts Diamanten-Schädel funkelt auf 1/1-Größe, und 38 Anzeigenseiten stellen 12 Jahre stabiler Heftumfänge à 48 Seiten in den Schatten.

Ich suche nach einer Hausmitteilung, die mir die voluminöse Verdopplung von einem Monat auf den nächsten erklärt. Fehlanzeige.

Stattdessen stechen die ebenfalls neuen, seitenlangen Kleinanzeigenmärkte im Terminteil ins Auge. Neben die gewohnte KulturSPIEGEL-Champions-League der Redaktion darf und soll sich jetzt also auch die Regionalliga ins Heft buchen.

Sinnbildlich sichtbar wird das in der Anzeige für das Panoramamuseum am Kyffhäuser, das sich mit seinem Werner-Tübke-Rundgemälde als »Sixtina des Nordens« empfiehlt. Na dann. Aber ob die durch den KulturSPIEGEL angetickten Massen dann auch noch die Sehenswürdigkeit im Museumscafé (hehe) zu Gesicht bekommen?

Eigentlich kann so eine Anzeigen- und Seiten-Expansion ja nur mit der Auflage zusammenhängen, und tatsächlich: Dem Impressum ist zu entnehmen, dass es diesmal statt der üblichen 460.000 doch glatt 1.051.000 KulturSPIEGEL gibt. Wörtlich steht da natürlich nur:

»Dieser KulturSPIEGEL liegt der Abonnenten- und Inlands-Einzelverkaufsauflage von 35/2007 bei. Sie erreichen den Abo-Service unter …« usw.

Auch wenn es vermutlich nur eine einmalige Aktion zur Abonnentenwerbung ist, so ist es die Erklärung für das Anzeigenwunder. Und ein printener KulturSPIEGEL für alle. Okay, fast alle. Damit aber auch dem Spiegel-Ausland nichts vorenthalten bleibt, zitieren wir hier mal aus der Schlusspassage des Interviews mit Produzenten-Legende Dino De Laurentiis:

»An Ruhestand denken Sie also nicht?

Ich gehe in den Ruhestand, wenn ich sterbe. Wissen Sie, in Italien sagt man, dass es auf die drei »C« ankommt: cuore, das Herz, cervello, das Hirn, und coglioni, die Eier. Bei mir funktioniert alles noch ganz gut.«

Na bitte. Und der »Spiegel« funktioniert ab dieser Woche auch wieder ganz gut, wobei ich finde, dass man neben Alexander Osang auch ruhig mal Namensvetter Smoltczyk erwähnen darf, und zwar sowohl aktuell (Roberto Saviano) wie generell (»Global Village« darf ja keiner so oft wie er).


Darf man das lesen? (Teil 6: »Börsenblatt für den deutschen Buchhandel«)

Konstanz, 24. August 2007, 21:59 | von Marcuccio

Es führt die böse Börse nur im Namen und ist nicht mit (schl)echten Börsenblättern wie etwa dem »Effecten Spiegel« zu verwechseln.

Von dem war dieser Tage zu lesen, weil Bolko Hoffmann gestorben ist: der Mann, der vor allem durch seine Anzeigen gegen den Euro bekannt wurde. Sein Vorname lebt im Hund Bolko von PR-Berater Moritz Hunzinger weiter, wie Hans Leyendecker in der S-Zeitung schreibt. Doch das nur nebenbei.

Und dann also dieses Börsenblatt für den Buchhandel: Wieso eigentlich Börse, haben die nicht Ladenpreisbindung, also quasi Planwirtschaft fürs gute Buch? Schon. Aber Buch-Börsianer funktionieren eben anders … Wer wissen will wie, wirft donnerstags einen Klickblick [PDF] in die Gutenberg-Galaxis hinein (oder freitags in die Perlentaucher-Rubrik Die Buchmacher).

Meistens merkt’s natürlich keiner, wenn das Börsenblatt ein bisschen Feuilleton spielt und Schiffsschreiber Matthias Politicky nach seiner Weltumrundung exklusivinterviewt [PDF]. Oder den Mann unter die Lupe nimmt, der uns als »Karlmann« einen guten Bücherherbst bereiten könnte.

Und dann gibt es sogar einen Börsenblatt-Korrespondenten: Nils Kahlefendt, der immer Schönes über die Buchmesse und andere Dinge (zuletzt: das Kunstbuch zum Kunstboom [PDF]) aus Leipzig zu berichten weiß.


»Die kleinen Prousts beim Duschen«

Konstanz, 14. August 2007, 23:02 | von Marcuccio

Schöner Artikel heute in der taz und bester Beweis für den immer wieder geraunten, manchmal merklichen und letztlich doch selten geglückten body turn im Feuilleton.


Pimp My Parsifal

Konstanz, 14. August 2007, 00:41 | von Marcuccio

Palma findet, dass Endrik Wottrich – so für einen Operntenor – erstaunlich getunte Oberarme aufweise. »Bodybuilding für Bayreuth hat der doch gar nicht mehr nötig«, sagt sie und spielt wohl darauf an, dass Wottrich mit Katharina Wagner, der mutmaßlichen Festspiel-Erbin, zusammen ist: »Da muss er doch nicht noch den Arnie unter den Tenören markieren.«

Ich kann das mit dem Arnie noch gar nicht so ganz nachvollziehen: Wottrich hat auf dem Foto zum aktuellen FAS-Interview ein schwarzes Hemd an – und auf das wirft Palma gerade jetzt ihren Schatten. Naja. Sowieso schweift mein Blick schon die ganze Zeit eine Seite weiter, ins Bad von Brangelina. Ein perfektes Paparazzi-Fake.

Palma hat mein Abdriften natürlich längst bemerkt. »Nun gib mal her«, drängt sie ungeduldig, entreißt mir die FAS und stimmt schon wieder ihren Wottrich an:

»Heute ist weniger die Stimme gefragt als das so genannte ›Gesamtpaket‹, und mit der ersten Falte ist die Karriere zu Ende.«

Das sei doch mal ein wahrer Satz, sagt Palma und redet plötzlich von den so genannten Paratexten und davon, dass der Kulturbetrieb seine Artefakte »nicht anders aufmotzt« als Wottrich seine Oberarme.

– »Ach Palma«, sage ich jetzt mal dazwischen. »Nun lass ihm doch sein Fitness-Studio, wenn er Spaß dran hat. Ist doch sein Ding.«

– »Ist per niente sein Ding«, ereifert sich Palma, jetzt ganz aufgeregt: »Schau ihn dir doch an! Und schau dir genauso Lang Langs Turnschuhe oder das fältchenlose Anna-Netrebko-Gesicht an, das sich ›Mimik schon aus kosmetischen Erwägungen nicht leisten kann‹. Du kannst Anhänger oder Gegner all dieser Äußerlichkeiten sein – doch du kannst 2007 nicht mehr sagen, dass diese werkbegleitenden Dinge bedeutungslos seien. Denn genau sie formen die mediale und damit unsere Wahrnehmung«, schließt Palma.

Und noch bevor ich etwas sagen kann, hält sie mir wie zum Beweis den Schluss von Wottrichs Interview unter die Nase. Da wird er wahrhaftig gefragt, wie es denn um seine Produkterweiterung in eigener Sache stehe (»Sind Sie deshalb passionierter Bodybuilder?«).

Seine lapidare Antwort (»Das hilft ja auch nicht.«) gefällt sogar Palma: »Bei so einem Paket hilft wirklich nichts mehr«, meint sie und lacht. Apropos: Ich solle sie vor ihrer Abreise nach Apulien unbedingt noch daran erinnern, dass sie mir diesen Artikel zu Tanja Dückers rauslegt.


Stadelmeiers Theaterstadel

Konstanz, 7. August 2007, 19:23 | von Marcuccio

Grundsätzlich finde ich die Idee ja gar nicht schlecht, dass da irgendwo im deutschen Feuilleton jemand sitzt, der auf einem Spiralblock ausrechnet, auf wieviel verschiedenen Bühnen Yasmina Rezas »Gott des Gemetzels« in der kommenden Spielzeit zu sehen sein wird (auf 15) und was generell so angesagt ist auf dem Theater. Denn dafür ist das Feuilleton ja auch da, dass man nicht immer gleich »Theater heute« studieren muss, wenn man solche Dinge mal en bloc wissen will.

Nur: Wenn man sich so durch Stadelmeiers Nicht-Pointen vom letzten Samstag kämpft (Diagnose: fortschreitende »Selbstauflösung der Theater«, massive Repertoire-Vermüllung durch Roman- und Kino-Adaptionen, und erst das »Laienbeitragswesen«!), fragt man sich schon, ob es nicht unverschämt und mindestens mal wieder ein Kündigungsgrund für das F-Zeitungsabo ist, wenn einem der Spiral-Blogwart (haha) dann auch noch diese Blogging-Definition diktiert:

»Leute also, die im Internet zu allem Beliebigen beliebig was zu sagen haben«. Und dass die »Internet-Ergüsse« auch noch »aus Ostblockländern« kommen, ist ja wirklich billigste Kaltkriegsrhetorik gegen die Blogosphäre.

Gibt es denn wirklich niemanden, der das anderswo im Feuilleton nicht noch ein bisschen besser könnte? So eine Schauspiel-Saisonvorschau, meine ich? Und wo bleiben Stücke-Rankings, Bühnen-Charts, tabellarische Aufbereitungen von Theater-Trends, wie sie in anderen Feuilletonsparten längst gang und gäbe sind? Die Literaturkritik macht Buchtipps, Bestseller- und Bestenlisten, die Filmkritik kennt die besten Filme der Woche, der Saison, aller Zeiten. Sogar die Kunstkritik sortiert sich zur Grand Tour 2007. Warum nur klinkt sich die Theaterberichterstattung nicht in die Listen-Formate ein und wartet stattdessen, bis »G.St.« auch den letzten Leser vergrault hat?


Das »Me, Myself & I«-Workout

Konstanz, 6. August 2007, 14:37 | von Marcuccio

Weiterbildung statt Urlaub: So lautete die Sommerloch-Forderung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), die letzte Woche, gelinde gesagt, Empörung auslöste. Als Exklusivausrichter der Exzellenzinitiative »Best of Feuilleton« steht der Umblätterer dem Fortbildungsgedanken erst mal grundsätzlich positiv gegenüber. Und er weiß zwar nicht, wo und wie Kristina Maidt-Zinke ihren Urlaub verbringt, aber er meint:

Das Seminar »Ich-Strategien entwickeln« von und mit Stephan Porombka wäre durchaus eine Option. Der Hildesheimer Juniorprofessor für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus hat da nämlich ein Workout erarbeitet, das helfen soll, mit der subjektiven Anwesenheit in der Kritik umzugehen. Die Urlaubsverbesserungskommission (UVK) des deutschen Feuilletons hat es in ihr Fortbildungsprogramm aufgenommen und sieht laut Trainingskatalog (S. 155 ff.) u. a. folgende Coaching-Einheiten vor:

Aufgabe 1: Das ›ich‹ finden. Schauen, wie es andere Autoren machen, ob sie ›ich‹, ›man‹, ›wir‹ o. ä. schreiben.

Aufgabe 2: Eine Ich-Typologie entwerfen. Funktionen des ›Ich‹-Sagens und des Nicht-›Ich‹-Sagens in den Texten charakterisieren und etikettieren.

Aufgabe 3: Möglichkeiten und Grenzen der Personalisierung (also der verschiedenen Arten, ›Ich‹ zu sagen) identifizieren, nach dem Motto: Der Ich-Sager muss immer ›ich‹ sagen; der Wir-Sager mag nie alleine sein; der Man-Sager bleibt am liebsten unerkannt etc.

Aufgabe 4: Die eigene Kritik mit Hilfe verschiedener Ich-Typologien verwandeln, etwa in den Reich-Ranicki-Stil, in den Wir-Stil von Hubert Winkels, in die deutlich Ich-bezogenen Man-Version von Ulrich Greiner, in die kaum merkliche, aber trotzdem anwesende Detering-Ich-Version usw. usw.

Die so genannte »Me, Myself & I«-Methode nach Porombka könnte sich schon bald zum echten Fortbildungsschlager fürs deutsche Feuilleton entwickeln, zumal die Marktforschung eben erst kürzlich diesen unglaublichen Fortbildungsbedarf von 94 Prozent ermittelt hat. Vor allem aber der Preis – schlappe 19,90 Euro – unterbietet wohl jeden einfachen Ryanair-Flug vor Steuern. Also: Wenn K. M.-Z. jetzt noch nicht weiß, was sie im Urlaub macht, dann weiß »ich« auch nicht.


»Leipzig ist längst tot«

Konstanz, 3. August 2007, 13:03 | von Marcuccio

Und ich frage mich: War Juli Zeh literarisch je lebendig? Aber auf die Tagline, die der Konstanzer »Südkurier« aus der seit gestern 15:45 Uhr über den Ticker laufenden Meldung gemacht hat, bin ich natürlich trotzdem reingefallen. Interessant ist doch mal der letzte Satz. Wenn Juli Zehs neuer Roman tatsächlich am 12. 8. erscheint, kann das ja nur heißen, dass ihr Durchbruch im Bahnhofsbuchhandel unmittelbar bevorsteht. Wo sonst sollte man am Sonntag, dem 12. 8., Juli-Zeh-Bücher kaufen können, geschweige wollen?


Das Feuilleton-Megathema der nächsten Jahre

Konstanz, 30. Juli 2007, 22:50 | von Marcuccio

Okay, okay, die durch das Walser-Hauptmann-Papier in Verruf geratene Crew von Thomas Steinfeld kann, wenn sie will, auch ganz anders. Und sogar französisch.

Zur diesjährigen Leipziger Buchmesse stellte die Literaturseite der S-Zeitung nämlich die Frage: Comment parler des livres que l’on n’a pas lu? Das dazugehörige Buch von Pierre Bayard erscheint erst noch auf deutsch und behandelt ein Phänomen, das in den kommenden Jahren zu einem echten Feuilleton-Megathema mutieren könnte: das Phänomen des ungelesenen Buches.

Dass gerade die S-Zeitung diese Themenseite brachte (und erst noch hübsch bebilderte, nämlich mit dem passenden »Après le bal« von Ramón Casas y Carbo), das ehrt sie sehr. Denn niemand sonst lebte in den letzten Jahren aufrichtiger von der Kultur der Regalsteller als die S-Zeitung, die das Geschäftsfeld Kulturtapete für den deutschen Buchmarkt nachgerade neu erfunden hat.

Allein die Bände 1-50 der SZ-Bibliothek (»Das Original«) sollen, das hat eine buchwissenschaftliche Abschlussarbeit soeben ermittelt, 11,3 Millionen mal verkauft worden sein – von ähnlichen Effekten der ganzen Me-too-Produktion (cf. »Brigitte-« bis »Playboy-Hörbuch-Edition«, »Tagesspiegel-Kindermärchen-« bis »Woman-Endlich-Sommer-Kollektion«) ganz zu schweigen.

Ich persönlich freue mich ja jetzt schon auf den »Gesammelten Sätze-Kaiser«, den der Umblätterer 2008 als exklusives Konversationslexikon zur Bayreuther Pausenbrühwurst edieren wird.

Wo aber der Buchkäufer sowieso schon immer ein Regal weiter ist als der Buchleser, gilt es, mit dem ganzen Wahnsinn nicht mehr nur physisch (Billy bauen), sondern auch psychisch fertig zu werden. Meine Lieblings-Leseentwöhnung kommt aus der Schweiz und heißt »Endlich Nichtleser. Die beste Methode mit dem Lesen für immer aufzuhören«. Hätte sich die literaturgestresste Iris Radisch vielleicht auch mal mit in die Ferien nehmen sollen.