Heute beantworten wir wieder Leserbriefe. Gabi aus Bad Salzdetfurth möchte wissen, ob es neben »Blade Runner« noch andere tolle Science-Fiction-Filme gibt. Ja, Gabi, es gibt sie.
Das Genre ist freilich schwer zu greifen, vor allem weil SciFi häufig lediglich den Hintergrund bildet für Geschichten, die eher dem Horror- oder Actionfilm, der Komödie oder dem Drama zuzuordnen sind.
Was all diese Filme jedoch eint, ist das spekulative Element – sei das eine bestimmte Technologie oder Fähigkeit, ein alternativer Verlauf der Geschichte, die Erkundung unbekannter Welten oder der Kontakt mit fremden Lebensformen.
Beschränkt man sich auf solche Filme, die tatsächlich derlei Elemente als prominente Aufhänger haben, ergibt sich folgender – freilich unvollständiger – Reigen hervorragenden SciFi-Kinos.
Oldtimer (3) | Meilensteine (6) | Moderne Klassiker (3) | Erwähnenswert (5)
OLDTIMER
»Metropolis« (Fritz Lang, 1927). Der deutsche Expressionismus als Geburtshelfer des SciFi-Films – der Einfluss dieses Werks ist kaum zu überschätzen. Botschaft und Schauspiel sind nicht eben subtil, man sehe den Film tunlichst durch die historische Brille; aber selbst durch diese sind die Bauten und Effekte schier überwältigend.
»Things to Come« (William Cameron Menzies, 1936). H. G. Wells adaptierte seinen Roman höchstpersönlich, eine ausladende Vision über den Fortbestand der Zivilisation. Prophetisch wie Jules Verne, aber eher auf die nüchterne, idealistische, didaktische Art.
»The Day the Earth Stood Still« (Robert Wise, 1951). Eine rühmliche Ausnahme unter den haarsträubenden Invasionsszenarien der 50er Jahre. Ein kluges Script, eine zeitlose Botschaft, dazu der herrliche Score von Bernard Herrmann. Klaatu barada nikto!
Oldtimer (3) | Meilensteine (6) | Moderne Klassiker (3) | Erwähnenswert (5)
MEILENSTEINE
»2001: A Space Odyssey« (Stanley Kubrick, 1968). Kein Film, ein Ereignis. Ein Epoche machendes Kunstwerk, ein Trip kosmischen Ausmaßes, mysteriös und kontemplativ. Bilder von ausgesuchter Schönheit paaren sich mit einem ätherischen Soundtrack, erzielen schier außerweltliche Wirkung. Kein Kinowerk ist weiter über sich selbst hinausgewachsen – damals nicht, heute nicht.
»Solaris« (Andrei Tarkovsky, 1972). Die russische Antwort auf »2001«, so liest man gerne. Tatsächlich eine Lem-Story von 1961, die eher den inneren als den äußeren Kosmos thematisiert. Schwer meditativ, teils kryptisch. Während der endlosen Sequenzen horche man tief in sich hinein – begegnet einem eine große Leere, teste man vielleicht Soderberghs destillierte Remake-Version.
»Close Encounters of the Third Kind« (Steven Spielberg, 1977). Fraglos ein großes Stück Kino, das den Widerstreit zwischen Rationalem und Rätselhaftem anregend auf die Leinwand bringt. Ein immenser künstlerischer Erfolg für Spielberg, von Truffaut geadelt.
»Star Wars« (George Lucas, 1977). Lucas‘ Sternenepos ist nicht so gut gealtert wie »Encounters«, entwickelte sich jedoch mit all seinen Sequels/Prequels zu einer kulturellen Institution. Eine globale Mythologie, deren Helden nicht der Literatur entspringen, sondern direkt von der Leinwand stammen: erst mal nachmachen.
»Alien« (Ridley Scott, 1979). Meisterhafter Horror-SciFi-Thriller, dunkel poetisch, atmosphärisch dicht und ultimativ Angst einflößend. Das Raumschiff kein blinkendes High-Tech-Vehikel, sondern ein dreckiger Industrie-Koloss, die Insassen echte Menschen. Scotts geniale Choreographie steigert subtile Bedrohung in blanken Terror.
»Blade Runner« (Ridley Scott, 1982). Visionärer Überfilm, dessen differenzierte Metaphorik dem Premierenpublikum nicht auffiel. Heute gilt er vielen als der beste. Die Ästhetik arg düster, eine Spur prätentiös gar, aber in ihrer Konsistenz entwaffnend, gerade adäquat für profunde Fragen um menschliche Insolenz und Identität.
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MODERNE KLASSIKER
»The Matrix« (Andy & Larry Wachowski, 1999). Durch seine Sequels ein wenig in Misskredit geraten, bleibt »The Matrix« dennoch ein fulminanter Meilenstein des modernen Kinos. Ein berauschender Genre-Mix, berstend vor kinetischer Energie und innovativ im Stil. Was steckt hinter der ganzen Ästhetik? Substanz, wer hätt’s gedacht.
»Minority Report« (Steven Spielberg, 2002). Ein pulsierender, intelligenter future-noir-Thriller, der wie »Blade Runner« eher pessimistisch in die Zukunft blickt: Es lügt der Mensch, solang er strebt. Einfallsreich im Visuellen, nervenzerrende Spannungsspitzen, famos inszeniert. Kein Whodunit, sondern ein Whowilldoit!
»Children of Men« (Alfonso Cuarón, 2006). Dieses Juwel kam überraschend: eine ungeschminkte, vielschichtige Dystopie über eine infertile, desolate Zivilisation. Perfekt die Regie: Dramatische Plansequenzen bringen ein beispielloses Level an Authentizität.
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ERWÄHNENSWERT
»THX 1138« (George Lucas, 1971). Eine orwellsche Vision unserer Zukunft, kühl, minimalistisch und spröde, das komplette Gegenteil des Star-Wars-Pomp. Auch mal angenehm.
»Contact« (Robert Zemeckis, 1997). Gerne übersehen: feinsinnige, ruhige Verfilmung der Geschichte des großen Carl Sagan, die auch die Debatte Wissenschaft vs. Religion nicht scheut.
»Pi« (Darren Aronofsky, 1998). Aronofskys Debüt, so befremdend wie der frühe Cronenberg, so anspruchsvoll wie Nolan, so sperrig wie Lynch, so originell wie … wie Aronofsky.
»Primer« (Shane Carruth, 2004). Außergewöhnliche Low-Budget-Produktion um profitables Zeitreisen. Faszinierend authentisch gefilmt, gleichwohl inhaltlich beinahe unzugänglich. Für Mitdenker.
»War of the Worlds« (Steven Spielberg, 2005). Spielberg hält das Genre am Leben. Das eindrucksvolle Remake verleiht Wells’ politischer Parabel aktuelle Bezüge, setzt visuell neue Maßstäbe.
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