Archiv des Themenkreises ›100 Seiten‹


100-Seiten-Bücher – Teil 173
Emily Nasrallah: »Kater Ziku lebt gefährlich« (1997)

München, 7. Oktober 2019, 13:12 | von Josik

Obwohl dieses Buch ein Kriegsbuch ist, ist es extremst entzückend, denn hier wird fast bis ganz zum Schluss das Kriegsgeschehen aus der Sicht eines Katers erzählt. Außerdem werden in diesem Buch auch viele praktische Tipps gegeben, so heißt es zum Beispiel, »dass Stricken das beste Mittel sei, um die Angst zu vertreiben« (S. 63). Also, Leute, wenn Ihr gewappnet sein möchtet, falls mal wieder ein Krieg kommt: Lernt bitte stricken!

Länge des Buches: ca. 100.000 Zeichen (dt.). – Ausgaben:

Emily Nasrallah: Kater Ziku lebt gefährlich. Aus dem Arabischen von Doris Kilias. Zürich/Frauenfeld: Nagel & Kimche 1998. S. 3–105 (= 102 Textseiten).

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100-Seiten-Bücher – Teil 172
Sharon Dodua Otoo: »Synchronicity« (2014)

München, 6. Oktober 2019, 10:05 | von Josik

Ich hatte sämtliche Bibliotheken hier in der Provinz abgegrast (München), aber Sharon Dodua Otoos »Synchronicity« war einfach nirgends aufzutreiben. Zum Glück machten wir mal wieder einen Kurztrip nach Berlin und hatten spontan so zwanzig, dreißig Freundinnen und Freunde in den Gleisdreieckspark eingeladen. Wir stellten Wasser, Bier und Chips bereit, alle waren tippi-toppi drauf, und dann kam zu meiner großen Freude auch noch Claudia direkt von der Amerika-Gedenkbibliothek herbeigeradelt und brachte dieses superste Buch vorbei, das sie dort extra für mich ausgeliehen hatte. Zuhause angekommen, las ich in Ruhe diese wunderbare, u. a. im Bergmannkiez spielende »sehr lange Kurzgeschichte« (S. 94) über Cee, eine freiberufliche Grafikerin, die 24 Tage vor Weihnachten dramatischerweise ihre Farben zu verlieren beginnt – und die nebenbei die Beziehung zu ihrer Mutter und die Beziehung zu ihrer Tochter (und auch generell die Beziehung zu Männern) neu sortiert. Besonders großartig ist, wie Cee an Tag 9 ihren Vermieter und gleichzeitig beruflichen Auftraggeber am Telefon runterputzt, ihre Forderungen stellt und danach einfach nur sagt: »Ich bin froh, dass wir uns einigen konnten. Auf Wiederhören!« (S. 25) Ganz bezaubernd sind auch die Illustrationen von Sita Ngoumou, die über das Buch verteilt sind. Als ich »Synchronicity« ausgelesen hatte, schickte ich es von München aus einfach per Post wieder zurück nach Berlin, in die Zivilisation.

Länge des Buches: ca. 105.000 Zeichen (dt.). – Ausgaben:

Sharon Dodua Otoo: Synchronicity. Übersetzung: Mirjam Nuenning. Illustrationen von Sita Ngoumou. Münster: edition assemblage 2014. S. 1–92 (= 92 Textseiten).

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100-Seiten-Bücher – Teil 171
Paulina Chiziane: »Liebeslied an den Wind« (1990)

München, 5. Oktober 2019, 10:00 | von Josik

Sarnau verliebt sich in Mwando, den Priesterseminaristen, äh, sagt man das so? Oder heißt das Priesteramtskandidat? Wie auch immer, Mwando wird dann eh aus dem Priesterseminar rausgeschmissen. Nun findet das Christentum die Institution Ehe zwar eigentlich gut, nur eben leider nicht mit einem Priester oder Priesteranwärter, aber noch dazu ist hier in Mosambik die Liebe zwischen Sarnau und Mwando ein besonders problematisches Problem, denn hier ist Polygamie noch weit verbreitet, und die wiederum findet Mwando als Christ nicht gut. Von Sarnau, deren ungeheuer turbulente Lebensgeschichte in diesem Roman erzählt wird, kann man nun lernen, dass Polygamie alle möglichen schlechten Seiten hat, »doch eines ist wundervoll: Es gibt keine unehelichen Kinder« (S. 124). So geht es zwischen Sarnau und Mwando auf und ab und hin und her, und als die beiden wieder einmal miteinander herumturteln, verwendet die Autorin Paulina Chiziane dafür ein Bild, das leider so verdammt gut ist, dass ich in meiner Funktion als Menschenfreund ausdrücklich davor warnen muss, sich die folgende Szene vorzustellen, weil man dieses Bild sonst nie wieder aus dem Kopf rauskriegen wird und weil es einfach jegliche Romantik für immer zerstört: »Wir entkleideten uns hastig, wie jemand, der von Durchfall überrascht wird« (S. 73).

Länge des Buches: ca. 230.000 Zeichen (dt.). – Ausgaben:

Paulina Chiziane: Liebeslied an den Wind. Roman. Aus dem mosambikanischen Portugiesisch von Claudia Stein und Michael Kegler. Nachwort von Michael Kegler. Frankfurt/M.: Brandes und Apsel 2001. S. 3–134 (= 132 Textseiten).

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100-Seiten-Bücher – Teil 170
Mary Shelley: »Verwandlung • Der falsche Vers • Die Trauernde« (1829)

München, 4. Oktober 2019, 09:55 | von Josik

Mary Shelley hat ja »Frankenstein« geschrieben, aber wer sich noch nicht an diese weltberühmte Weltliteratur heranwagt, kann natürlich stattdessen einfach unbekannte Weltliteratur lesen, z. B. die kurzen Geschichten »Transformation«, »The False Rhyme« und »The Mourner«, die Mary Shelley allesamt 1829 rausgehauen hat. Ich nehme an, dass Mary Shelley, während sie etwa »Verwandlung«, die Geschichte von Guido dem Höflichen, niederschrieb, sich die ganze Zeit scheckig gelacht hat über ihre eigenen Einfälle. Es geht schon funny los: »Man hielt mich für einen stattlichen Mann« (S. 9), lässt sie Guido den Höflichen eingangs berichten. Auf diese Weise erfahren wir also, wofür »man« Guido den Höflichen hielt. Und alle, die Guido den Höflichen nun fragen, wofür denn er selbst sich hielt, werden von ihm wie folgt beauskunftet: »[I]ch hielt mich für einen recht gutaussehenden jungen Mann, als ich das geliebte Spiegelbild meiner eigenen wohlvertrauten Züge betrachtete« (S. 35). Ein Typ, den Guido der Höfliche dann unterwegs trifft, sagt zu ihm: »[M]ir gefällt etwas an deinem wohlgeformten Körper und deinem hübschen Gesicht« (S. 22). Aha, und was genau, fragt Guido der Höfliche sinngemäß, gefällt dem Typen denn so gut daran? Dessen lustige Antwort lautet: »Dein hübsches Gesicht und deine wohlgestalteten Glieder« (S. 24). Jetzt ist es noch sehr bemerkenswert, welche Entwicklung Guido der Höfliche im Verlauf dieser Geschichte rein stattlichkeitstechnisch durchmacht, oder genauer gefragt, ob er überhaupt eine Entwicklung durchmacht. 1× dürft Ihr raten, und siehe da, am Ende des Textes sagt er tatsächlich: »[I]ch bekenne, daß ich eine beträchtliche Zuneigung für das Gesicht und den Körper hege, welche ich sehe, wann immer ich in den Spiegel blicke; und ich habe mehr Spiegel im Hause und benutze sie häufiger als alle Schönheiten Venedigs« (S. 35f.).

Länge des Buches: ca. 115.000 Zeichen (dt.). – Ausgaben:

Mary Shelley: Verwandlung • Der falsche Vers • Die Trauernde. Aus dem Englischen übersetzt und mit einem Nachwort von Alexander Pechmann. Zürich: Manesse 2003. S. 3–82 (= 80 Textseiten).

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100-Seiten-Bücher – Teil 169
Salwa Bakr: »Atijas Schrein« (1986)

München, 3. Oktober 2019, 09:45 | von Josik

Ich lese ja völlig wahllos so ziemlich alles, aber Science-Fiction rauscht irgendwie fast komplett an mir vorbei. Von Science-Fiction habe ich einfach überhaupt keine Ahnung, und ich bin darauf weiß Gott nicht stolz, sondern bedaure es sehr, denn ich wäre ja liebend gerne ein totaler Science-Fiction-Crack, aber ich habe eben diese angeborene Science-Fiction-Uninformiert­heit. Umso mehr freue ich mich aber immer wie Bolle, wenn ich ganz zufällig auf etwas Science-Fiction-artiges stoße, so wie hier: »So verstiegen sich einige gar zu der Aussage, die alten Ägypter seien von einem anderen Planeten gekommen, dessen Kultur derjenigen der Erde um Jahrtausende voraus sei. Sie seien im Niltal niedergegangen und hätten dort die grossartige Pharaonenkultur gegründet« (S. 16).

Usw.

Länge des Buches: ca. 105.000 Zeichen (dt.). – Ausgaben:

Salwa Bakr: Atijas Schrein. Roman aus Ägypten. Aus dem Arabischen von Hartmut Fähndrich. Basel: Lenos 1992. S. 5–121 (= 117 Textseiten).

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100-Seiten-Bücher – Teil 168
Rosario Castellanos: »Die Tugend der Frauen von Comitán« (1964)

München, 2. Oktober 2019, 09:35 | von Josik

Allein in den letzten paar Monaten war ich bereits auf vier Beerdigungen, sodass man wohl mit Fug und Recht behaupten kann: Die nachhaltigste Investition, die ich in jüngster Zeit getätigt habe, war, dass ich mir einen schwarzen Anzug gekauft habe. Und der sitzt dermaßen tadellos, dass ich seitdem auf jeder Beerdigung der bestangezogene Gast bin. Darüber so unselfconsciously zu sprechen, hätte ich noch vor Kurzem für unschicklich gehalten, aber mein Leben hat mittlerweile eine entscheidende Wendung genommen – es teilt sich nun in die Zeit vor und in die Zeit nach der Lektüre von Rosario Castellanos’ Erzählung »Die Tugend der Frauen von Comitán«. Dort sagt nämlich der Arzt Don Carlos Román zum Priester Don Evaristo: »Wenn Sie sich vielleicht noch an ein Ereignis erinnern, das schon lange zurückliegt […], ich meine den Tod meiner Frau, werden Sie auch nicht vergessen haben, daß ich dabei gar keine schlechte Figur gemacht habe« (S. 34).

Länge des Buches: ca. 160.000 Zeichen (dt.). – Ausgaben:

Rosario Castellanos: Die Tugend der Frauen von Comitán. Erzählung. Aus dem Spanischen von Petra Strien. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1998. S. 3–114 (= 112 Textseiten).

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100-Seiten-Bücher – Teil 167
Aminata Sow Fall: »Die wundersame Verwandlung des Bakar Diop« (1976)

München, 1. Oktober 2019, 09:30 | von Josik

Bakar Diop ist der absolut netteste Mensch, den man sich vorstellen kann, extremst sympathisch, super Typ, wir alle lieben ihn sehr. Aber dann passiert etwas: »Bakar wurde wegen Urkundenfälschung, Betrug und der Unterschlagung einer Summe von zwölf Millionen Francs verurteilt« (S. 49), und weil er von seiner Umgebung dafür ganz schön geächtet wird, rächt er sich sozusagen mit einer unspoilerbaren Schlusspointe. Nun fragt Ihr Heuchler Euch natürlich, huch, wie konnte denn das passieren, dass ausgerechnet unser lieber Bakar betrogen, Urkunden gefälscht und zwölf Millionen Francs unterschlagen hat. Die plausible Erklärung dafür besteht aus vier Worten, die in einem langen, verschachtelten Satz auf Seite 56 versteckt sind, und weil man diese Stelle so leicht überliest, greife ich sie hier extra heraus: Bakar hat – ich zitiere die besagten vier Worte nun in voller Länge – »einer plötzlichen Schwäche nachgegeben«. Wirklich, Leute, wer von Euch noch nie zwölf Millionen Francs unterschlagen hätte, wenn die Gelegenheit günstig gewesen wäre, werfe den ersten Stein!

Länge des Buches: ca. 205.000 Zeichen (dt.). – Ausgaben:

Aminata Sow Fall: Die wundersame Verwandlung des Bakar Diop. Roman. Aus dem Französischen von Cornelia Panzacchi. Göttingen: Lamuv Verlag 1998. S. 3–137 (= 135 Textseiten).

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100-Seiten-Bücher – Teil 166
Maryse Condé: »Hugo der Schreckliche« (1991)

München, 30. September 2019, 10:18 | von Josik

Ok, Ihr alle kennt Iwan den Schrecklichen, aber habt Ihr denn auch schon von Hugo dem Schrecklichen gehört? Passt auf, Hugo der Schreckliche ist noch viel, viel schrecklicher, als Iwan der vergleichsweise eigentlich gar nicht soo Schreckliche es jemals war, denn Iwan war ja nur ein Mensch, Hugo hingegen ist eine Naturgewalt, er ist nämlich ein Wirbelsturm oder wie man das nennt, ein Orkan, Taifun, Monsun, Zyklon, sowas in der Art halt, ich kenn mich da mit den genauen Unterschieden jetzt nicht so aus. Hugo der Schreckliche also wird laut Wettervorhersage die Insel Guadeloupe verwüsten, und Maryse Condé, die Trägerin des alternativen Literaturnobelpreises 2018, schildert in diesem supersten Jugendbuch, wie hypercool die Félix-Emmanuels auf den dräuenden Sturm reagieren: »Man flüsterte sich zu, dass die Félix-Emmanuels, die im Haus Nr. 14 wohnten und mit niemandem sprachen, beschlossen hatten, eine Party zu Ehren Hugos zu geben« (S. 69). So now let me tell you just one more thing, you better do what you want und you start this thing! (siehe)

Länge des Buches: ca. 140.000 Zeichen (dt.). – Ausgaben:

Maryse Condé: Hugo der Schreckliche. Aus dem Französischen von Claudia Stein. Berlin: Elefanten Press 1997. S. 3–110 (= 108 Textseiten).

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100-Seiten-Bücher – Teil 165
Katja Kullmann: »Rasende Ruinen – Wie Detroit sich neu erfindet« (2012)

Düsseldorf, 23. August 2019, 13:16 | von Charlemagne

Das Buch von Katja Kullmann hat 90 Seiten und das passt natürlich ganz ausgezeichnet, da ich in den Neunzigern des letzten Jahrtausends in einem schmucken, im Gegensatz zu Detroit natürlich sehr sicheren, plüschig manikürten Vorort der Motor City in den Kindergarten ging. So viel zur Einleitung, oder, um den bekanntesten noch lebenden Sohn der Stadt zu zitieren: Welcome to Detroit.

Die zeitlose Idee, dass aus Ruinen irgendwann auch wieder etwas Neues aufersteht, lässt sich an Detroit tatsächlich sehr schön durchdeklinieren, und Katja Kullmann hat darüber ein schlaues kleines Buch geschrieben, trust me on that one (für interessierte Leser sei hierzu auch Jeffrey Eugenides‘ Roman »Middlesex« empfohlen, da werden die Geschichte der Stadt, der »white flight« und der Detroit Riot von 1967 sehr eindrücklich erzählt).

Die These allerdings, dass das bei Detroit irgendwann berlineske Züge annimmt, well, da war ich dann doch etwas skeptisch. Also hin, nachschauen, ohne Hoodie. Das war 2014, ich war zu Besuch aus der Windy City, und da sah downtown tatsächlich sehr nett aus, da saßen Menschen unter freiem Himmel und tranken überteuerten Kaffee, sehr zur Verwunderung meiner Mutter, die die Gegend von damals nur als forbidden inner city warzone kannte. Tja, was das ganze Geld von Dan Gilbert & Co. so angerichtet hat, Bilderbuchgentrifizierung halt.

Beim Verlassen der Stadt, vorbei am leuchtenden Comerica Park und auf dem Weg hinter die Fassade, denkt man dann aber doch rasend schnell wieder an den unsäglichen Begriff des »ruin porns«, der bringt das leider immer noch ganz gut auf den Punkt: die Stadt als ausgebranntes, trauriges Paradebeispiel für den Niedergang des American Dream, jetzt aber mit paar bunten Bildern an den Hauswänden.
 

Länge des Buches: ca. 160.000 Zeichen (dt.). – Ausgaben:

Katja Kullmann: Rasende Ruinen. Wie Detroit sich neu erfindet. Berlin: Suhrkamp 2012. S. 7–93 (= 87 Textseiten).

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100-Seiten-Bücher – Teil 164
Mayra Montero: »Bolero der Leidenschaft« (1991)

München, 31. Juli 2019, 16:55 | von Josik

Es ist doch eine schöne Idee, im Titel eines Romans einen bestimmten Tanz aufzuführen, der sich gleichzeitig auf den Namen der Autorin oder des Autors reimt, so wie hier »Montero / Bolero«, oder in voller Länge eben: »Mayra Montero: Bolero der Leidenschaft«. Eigentlich sollte man daraus mal ne ganze Reihe machen, z. B.: »Stephen King: Swing der Sinnlichkeit«, »Martin Walser: Salsa des Begehrens«, »Jens Balzer: Walzer der Wollust«, »Paula Fox: Discofox der Begierde« usw.

Mayra Montero ist eine kubanisch/puerto-ricanische Schriftstellerin, also gilt für sie wohl jene Devise, die einmal in der österreichischen Tageszeitung »Die Presse« zu lesen war, nämlich »dass in hispanoamerikanischer Tradition Pornografie nicht im zehnten, sondern im achten Kapitel stattzufinden hat«. Ich zählte natürlich sofort nach, und tatsächlich hat »Bolero der Leidenschaft« insgesamt acht Kapitel. Hier ist das achte auch gleichzeitig das letzte und mit nur drei Seiten sogar das kürzeste Kapitel. Aber ausgerechnet in diesem Schlusskapitel findet nun eigentlich so gut wie mehr oder weniger überhaupt gar keine Pornografie statt! Da ist man natürlich schön angeschmiert; offenbar wünscht die Autorin, dass man auch die vorhergehenden sieben Kapitel lesen soll.

Beispielsweise im zweiten Kapitel ist die Rede von einer Frau, die sich »den Rock zwischen die Beine schob und sich vor aller Augen masturbierte« (S. 32). Wahrhaftig, ich sage Euch, da steht nicht, dass sie masturbierte, sondern da steht, dass sie »sich« masturbierte! Und es ist doch wirklich skandalös, dass ein derart auf Masturbationsliteratur spezialisierter Verlag wie der Goldmann Verlag, der die deutsche Ausgabe dieses Monterobolero herausgebracht hat, nicht weiß, dass masturbieren im Deutschen kein reflexives Verb ist. Aber gut, Übersetzungsskandale passieren halt. Also, Leute, konzentriert Euch weniger auf den einen Übersetzungsfehler und mehr auf den Inhalt dieses Buchs, den wiederzugeben hier nun leider kein Platz mehr ist.

Länge des Buches: ca. 230.000 Zeichen (dt.). – Ausgaben:

Mayra Montero: Bolero der Leidenschaft. Roman. Aus dem Spanischen von Marion Lütke. München: Goldmann [1992]. S. 3–141 (= 139 Textseiten).

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