Archiv des Themenkreises ›Allgemein‹


Mein Sommer 2017

München, 18. September 2017, 11:03 | von Josik

Mit 212-jähriger Verspätung habe ich nun endlich Johann Gottfried Seumes Reisebuch »Mein Sommer 1805« gelesen. Menschenfreund Dickens hatte mir zur Lektüre zwar eigentlich Seumes Bestseller »Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802« empfohlen, aber Ödipus schnödipus, Syrakus schnyrakus, und deswegen hatte ich mich eben für »Mein Sommer 1805« entschieden.

Während wir also im EC 81 nach Bologna Centrale saßen, dort dann in den ES 9537 Richtung Napoli Centrale umstiegen und schließlich noch mit der Circumvesuviana weiterrollten, las ich ganz gemächlich, wie Seume genau in die entgegengesetzte Richtung ging bzw. fuhr: von Sachsen über Polen und Russland nach Skandinavien. Kurz nachdem er losgestiefelt ist, macht Seume in Dresden folgende Beobachtung: »[I]ch sehe jetzt nicht mehr so viele dumm-despotische vornehme Gesichter als ehemals.«

Die südländische Umgebung, in der ich mich schon bald befand, verwirrte mich etwas, denn in Gedanken war ich voll und ganz bei Seume im Osten. Wir waren inzwischen in der Torquato-Tasso-Stadt Sorrento angekommen und staunten die Villa an, in der Massimo Gorkij ein paar Jahre lang gelebt hat, wohingegen Seume mittlerweile in St. Petersburg angekommen war. Er saß dort eben in der guten Stube, als Friedrich Maximilian Klinger reinkam und sagte: »Kinder, Schiller ist tot.« Ich musste ein bisschen weinen.

Nun setzten wir über nach Capri, es war allerdings sehr windig, und auf dem ganzen Schiff gab’s eine große Kotzerei. In Capri liefen wir zum Lenin-Denkmal, ich knipste es, und wir fuhren wieder zurück nach Sorrento. Dort an der Marina Grande gibt es ein Lokal, das für sich mit dem Spruch wirbt: »DIES RESTAURANT WIRD EMPOHLEN VON TIM MÄLZER.«
 


150 berühmte Vornamen

Berlin, 24. Juni 2013, 16:37 | von Josik

 
Alice
Salomon
Anne
Frank
Benjamin
Franklin
Billy
Graham
Bruno
Jonas
Caspar
David
Friedrich
Christa
Wolf
Christiane
Paul
Claude-
Oliver
Rudolph
Dagmar
Frederic
Daryl
Hannah
David
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Elton
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Franz
Marc
Friedrich
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Eliot
George
Lucas
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Hans-
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Erhardt
Heinz
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Sigmund
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Walter
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Clement
Wulf
Kirsten
Wyclef
Jean
Zoë
Jenny

 


100-Seiten-Bücher – Teil 12
Ludwig Wittgenstein: »Tractatus Logico-Philosophicus« (1921)

Düsseldorf, 18. August 2011, 10:15 | von Luisa

Dem »Tractatus« nähert man sich am besten durch die Türen des Hauses, das Wittgenstein für seine Schwester in Wien baute. Die Türen sind sehr hoch und aus Glas und Metall. Kühl und erhaben weht uns aus ihnen die Abstraktion entgegen, und so eingestimmt und ergriffen ziehen wir das rote Suhrkamp-Bändchen aus der Tasche und lesen den ersten Satz: »Die Welt ist alles, was der Fall ist.«

Das klingt erst mal sehr nachvollziehbar. Allerdings geht es dann weniger um die Welt als um deren Abbildung. Um Reinheit der Logik und Aussonderung des Bedeutungslosen, um Sagbares und endlich im letzten Satz um das, »wovon man nicht sprechen kann«.

Der »Tractatus« war 1918 vollendet und erschien 1921. Sein verständigster Leser wäre vielleicht nicht Bertrand Russell, sondern Kafka gewesen. Hätte Wittgenstein ihm doch eine Abschrift geschickt, als kaiserliche Botschaft und Traum von Träumer zu Träumer! Schon die Gewichtung der Sätze durch Zahlen hätte Kafka gefallen: endlich mal Ordnung im existenziellen Zores. Und die Idee, eine lange, komplizierte Deduktion aufzubauen, die sich am Schluss als unsinnig erkennt und selber wegstößt wie eine Leiter, hätte ihn entzückt.

Später schwor Wittgenstein dem System ab und erreichte nie mehr eine so lässige Selbstwahrnehmungshöhe: »Ich bin also der Meinung, die Probleme im Wesentlichen endgültig gelöst zu haben«, schrieb er im Vorwort zum »Tractatus«. Diese Überzeugung besäßen wir auch mal gern, und sei es nur an unserem Todestag. Großer Seufzer.

Das Wiener Haus sollte 1971 abgerissen werden. Gerettet hat es die Volksrepublik Bulgarien. Sie nutzte es als Kulturinstitut, ließ es aber, wie es war: leer. Man kann es durchwandern, die Architektur auf sich wirken lassen und die weltberühmten Türklinken drücken. Und darüber nachdenken, was alles der Fall sein kann.

Länge des Buches: ca. 126.000 Zeichen (dt.), ca. 122.000 Zeichen (engl. Übersetzung von Ogden/Ramsey, 1922), ca. 128.000 Zeichen (engl. Übersetzung von Pears/McGuinness, 1961). – Ausgaben:

Ludwig Wittgenstein: Logisch-Philosophische Abhandlung. In: Wilhelm Ostwald (Hg.): Annalen der Naturphilosophie 14 (1921), S. 185–262. (= 78 Textseiten)

Ludwig Wittgenstein: Tractatus logicophilosophicus. Logisch-philosophische Abhandlung. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1963.

(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)