Wir alle haben uns ja schon den Kopf darüber zermartert, ob wir in Zukunft lieber das Binnen-I verwenden wollen wie z. B. in »AutorInnen«? Oder ob wir lieber den Unterstrich verwenden wollen wie z. B. in »Leser_innen«? Oder ob wir lieber den Doppelpunkt innerhalb eines Wortes verwenden wollen wie z. B. in »Preisträger:innen«?
Oder ob wir lieber das Gendersternchen verwenden wollen wie z. B. in »Massenmörder*innen«? Oder ob wir lieber das i mit den zwei Pünktchen und null Antons verwenden wollen wie z. B. in »Halsabschneiderïnnen«? Oder ob wir lieber die höfliche, aber umständliche Doppelform verwenden wollen wie z. B. in »Bäuerinnen- und Bauernfängerinnen und -fänger«?
Ober ob wir lieber immer abwechselnd die weibliche und die männliche Form verwenden wollen wie z. B. in »Autorinnen, Leser, Preisträgerinnen, Massenmörder, Halsabschneiderinnen und Bauernfänger«?
Oder ob wir lieber das generische Femininum verwenden wollen? – Das bedeutet: In einer herkömmlichen Aufzählung wie z. B. »die zahlreichen Anwälte, Ärzte, Schaffner, Busfahrer, Lehrer, Schüler, Museumswärter, Postboten, Unternehmensberater, Sportler, Freiberufler, Chefs, Mitarbeiter, Zuschauer, Nachbarn, Getränkefahrer, Spirituosenvertreter, Wasserplantscher, Kuchenbäcker, Würstelverkäufer, Ballspieler und Achselhaarausrupfer« sind alle Frauen aus den jeweiligen Gruppen ja immer, sagt man, mitgemeint – wenn wir aber in Zukunft das generische Femininum verwenden wollen, dann würden wir durchgängig sagen und schreiben: »die zahlreichen Anwältinnen, Ärztinnen, Schaffnerinnen, Busfahrerinnen, Lehrerinnen, Schülerinnen, Museumswärterinnen, Postbotinnen, Unternehmensberaterinnen, Sportlerinnen, Freiberuflerinnen, Chefinnen, Mitarbeiterinnen, Zuschauerinnen, Nachbarinnen, Getränkefahrerinnen, Spirituosenvertreterinnen, Wasserplantscherinnen, Kuchenbäckerinnen, Würstelverkäuferinnen, Ballspielerinnen und Achselhaarausrupferinnen«, und die Männer aus den jeweiligen Gruppen wären dann immer mitgemeint.
Für jede einzelne dieser Formen gibt es sehr gute Gründe, aber am allerbesten finde ich jenes Gendering, das die Übersetzerin Ann Cotten in Isabel Waidners sagenhaftem Buch »Geile Deko« gleich am Anfang in einer Anmerkung wie folgt beschreibt: »Alle für alle Geschlechter notwendigen Buchstaben in gefälliger Reihenfolge ans Wortende« (S. 9).
Das liest sich dann, um ein willkürlich ausgewähltes Beispiel aus dem Buch zu nehmen, wie folgt: »Wer war diese lustigere Figur? Eine butch Ballerina, die eine Arabeske machte? Ein femme Balletttänzer? Eine Arabeske ist im Ballett eine Pose, wo dier Tänzerni auf einem Bein steht und das andere nach hinten ausstreckt. Eine Arabeske kann mit dem Stützbein en pointe, demi pointe oder mit dem Fuß flach auf dem Boden durchgeführt werden. Hat der femme Ballerino seihrne Arabeske mit dem Stützbein en pointe durchgeführt, oder hatte sier nur zufällig spitzige Füße? […] Blulip gefiel die butch Ballerina viel, viel besser als der Acryllecker« (S. 58f.).
Oder ein anderes Beispiel: »Heh, GoldSeXUelle StatuEtte, rief Belahg. Bist du eien Referenzrahmen-Ausdehnerni in der Abteilung Sex und Gender? Bist du der Goldstandard unter den radikalen Geschlechtern? Haha, lachte GoldSeXUelle« (S. 65).
Und noch ein letztes Beispiel: »Der Preis, wenngleich neu, hat schon dien eien oder anderne Schirmherrni. Das Frostige Haustier ist Schirmherrni des Dynamo-Totholz-Preises. Die GoldSeXUelle StatuEtte ist Schirmherrni des Dynamo-Totholz-Publikumspreises. Orsun Ursol ist Schirmherrni des Dynamo-Totholz-Publikumspreises. Painlevé Hypercamp und AxoLotl sind Schirmherrnnnie des Dynamo-Totholz-Publikumspreises. Die neuen UUs, Colt, Gesundelippen, die FtM/T-Legion, Peggy und die Haie sind Schirmherrnnnie des Dynamo-Totholz-Publikumspreises« (S. 114f.).
Das Prinzip »Alle für alle Geschlechter notwendigen Buchstaben in gefälliger Reihenfolge ans Wortende« ist absolut simpel, stimmig, unmittelbar einleuchtend und darüber hinaus auch noch variabel und kreativitätsfördernd. Wenn es sich durchsetzen sollte, würde man sich eine Menge Korrekturen ersparen. Das wäre eine ungeheure Erleichterung für alle Deutschlehrernnnei. Und natürlich erst recht für die Schülerninne!
Länge des Buches: ca. 180.000 Zeichen (dt.). – Ausgaben:
Isabel Waidner: Geile Deko. Aus dem Englischen von Ann Cotten. Leipzig: Merve Verlag 2019. S. 3–133 (= 131 Textseiten).
(Einführung ins 100-Seiten-Projekt hier. Übersicht über alle Bände hier.)